1. Entstehen der Kommanditgesellschaft und Haftung von Gesellschaft/Komplementär
Im Kern geht es bei der
vorliegenden Problematik der Schein-KG um die Haftungsvorschrift des § 176 I HGB hinsichtlich des Kommanditisten. Um
den Gesamtzusammenhang herzustellen, sollen aber zunächst einige generelle
Ausführungen zum Wesen und zur Haftung bei einer Kommanditgesellschaft
erfolgen.
a) Allgemeines
Die KG stellt eine
Sonderform der Offenen Handelsgesellschaft dar.
Der Komplementär ist dabei der persönlich haftende Gesellschafter,
während der Kommanditist nach außen nur mit der Haftsumme haftet, § 171 I HGB,
aber als Ausgleich zum größten Teil nicht an der Geschäftsführung oder
Vertretung der Gesellschaft teilnehmen darf, §§ 164, 170 HGB. Nachdem die Vorschriften der §§ 161 ff. HGB
nur teilweise Regelungen für diese Gesellschaft bereithalten, gilt im Übrigen
das Recht der OHG, §§ 161 II, 105 ff. HGB, und dann wiederum subsidiär das
Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach §§ 705 ff. BGB.
Eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts kann Kommanditist sein (BGH NJW 2001, 3121 ff.), aber auch
Komplementär (OLG Celle ZIP 2012, 766).
Wichtig ist hier, dass es nicht möglich ist, eine KG zu gründen, die
einzig aus Kommanditisten besteht.
b) Entstehung
Die Entstehung der KG
richtet sich nach den Vorschriften über die OHG, also wird sie mit Wirkung gegenüber Dritten regelmäßig
durch den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags und die Eintragung im Handelsregister
zur Entstehung gebracht, §§ 162 I, II, 123 I HGB, § 705 BGB. Sofern ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe
gem. § 1 II HGB betrieben wird, ist für die Entstehung die deklaratorische
Eintragung im Handelsregister allerdings nicht erforderlich, sondern es genügt
schon der Beginn der Geschäfte, §§ 161 II, 105 I, 123 II HGB. Die KG kann aber auch den Eintritt eines
Kommanditisten in eine bereits bestehende OHG entstehen.
Wenn die Gesellschaft jedoch
kein vollkaufmännisches Handelsgewerbe iSd. § 1 II HGB ausübt, entsteht die KG
erst durch eine Eintragung im Handelsregister, §§ 162 I, 106 I, 123 I HGB. Im Zeitraum vor dieser Eintragung handelt es
sich bei dieser Gesellschaft also nur um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
c) Haftung der KG
Sofern die KG wirksam
entstanden ist, hat sie die Kaufmannseigenschaft gem. § 6 I HGB. Als Kaufleute sind auch die Komplementäre
anzusehen (BGHZ ZIP 2005, 2070), nicht jedoch die Kommanditisten. Die KG kann damit selbständig Schuldnerin von
Verbindlichkeiten sein, §§ 161 II, 124 I HGB.
Wenn Verträge in ihrem Namen abgeschlossen wurden, muss sie diese also
erfüllen. Ebenso kann eine Haftung auf
Schadensersatz aus einer unerlaubten Handlung der verfassungsmäßigen Vertreter
bestehen, deren Handeln ihr nach § 31 BGB analog zugerechnet wird.
d) Haftung des Komplementärs
Die Komplementäre der KG
müssen nach den Regeln über die persönlich haftenden Gesellschafter einer OHG
einstehen, §§ 161 II, 128 S. 1 HGB.
Damit haften sie einem Gesellschaftsgläubiger persönlich als
Gesamtschuldner und auch unbeschränkt.
2. Haftung des Kommanditisten
Wie eingangs bereits
angesprochen, haftet der Kommanditist nach außen nur mit der Haftsumme. Zwar trifft auch ihn eine
gesamtschuldnerische, persönliche Haftung, ebenso wie die Komplementäre der
Gesellschaft, die Qualität der Haftung ist also dieselbe. Allerdings greift für ihn die Vorschrift des
§ 171 I HGB, nach welcher seine Haftung
summenmäßig beschränkt ist, sofern er seine Einlage geleistet hat (Haftungsbefreiung durch Einlageleistung).
Falls aber die
Gesellschafter schon eine KG gegründet und Verbindlichkeiten vor Eintragung im
Handelsregister eingegangen sind, besteht eine unbeschränkte Haftung des Kommanditisten nach § 176 I 1 HGB als
gesetzlich geregelter Fall der Vertrauensschutzhaftung (K. Schmidt NJW 1982,
886), wenn er dem Geschäftsbeginn zugestimmt hat. In diesem Fall muss der Kommanditist also dem
Dritten wie ein persönlich haftender Gesellschafter einstehen, außer der Dritte
kannte die Stellung als Kommanditist.
Allerdings ist eine Haftung aus unerlaubter Handlung davon nicht
umfasst, denn hier besteht ja kein Vertrauensschutz (BGHZ 82, 209, 215).
Dies gilt nach dem klaren
Gesetzeswortlaut jedoch nur, wenn die noch nicht eingetragene Gesellschaft auch
ein vollkaufmännisches Gewerbe
betreibt, § 176 I 2 HGB. Es ist auch
möglich, dass die Gesellschaft bereits im Rechtsverkehr als KG aufgetreten ist
und nur ein Kleingewerbe betreibt, also lediglich als Gesellschaft bürgerlichen
Rechts anzusehen ist (Schein-KG).
Fraglich ist dann, ob in diesem Fall die Vorschrift über die
unbeschränkte Haftung nach § 176 I 1 HGB
analog hinsichtlich des Schein-Kommanditisten angewendet werden kann.
Beispiel: Die
Gesellschafter V und K gründeten eine KG, ohne sie in das Handelsregister
eintragen zu lassen, wobei der K Kommanditist sein und nur beschränkt auf eine
bestimmte Summe haften sollte. Seine
Einlage hatte der K auch schon erbracht.
Zwar nahmen die Gesellschafter bereits ihre geschäftliche Tätigkeit auf,
diese bedurfte jedoch keiner kaufmännischen Einrichtung. Nachdem der V im Namen der
„Kommanditgesellschaft“ mit einem Dritten einen Kaufvertrag geschlossen hat,
will Letzterer den K auf Zahlung des Kaufpreises in Anspruch nehmen. Der K fragt sich, ob für ihn nur eine
beschränkte Haftung in Höhe seiner Haftsumme besteht.
Ein
unbeschränkter Anspruch aus § 433 II BGB, §§ 176 I 1, 161 II, 128 S. 1 HGB
gegen den K ist hier nicht gegeben, denn die Vorschrift des
§ 176 I 2 HGB steht dem infolge des Kleingewerbes der handelnden Gesellschaft
entgegen.
Möglicherweise
kann der Dritte unbeschränkt Zahlung vom Schein-Kommanditisten nach § 176 I 1 HGB analog verlangen. Dazu gibt es
unterschiedliche Ansichten in der Rechtsprechung und Literatur. In dieser Situation stehen sich der
Rechtsschein einer Geschäftsaufnahme als KG und der in § 176 I 2 HGB verankerte
Schutz des Kleingewerbes gegenüber. Für
die analoge Anwendung des § 176 I 1 HGB müsste deshalb eine
Regelungslücke im Gesetz und eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte
vorliegen. Teilweise finden sich Stimmen
in der Literatur, die tatsächlich von einer derart unbeschränkten Haftung des
Schein-Kommanditisten ausgehen. Das wird
allerdings von der herrschenden Ansicht (insbesondere vom Bundesgerichtshof)
verneint. Jeder Gesellschafter, dem die
Veranlassung dieses Rechtsscheins zugerechnet werden kann, wird nach
herrschender Meinung vielmehr entsprechend einer eingetragenen KG behandelt.
Denn der Vertragspartner sei davon ausgegangen, nur mit einer als KG
firmierenden Gesellschaft zu kontrahieren, sodass er sich dann auch an die
Haftungsbeschränkung verweisen lassen müsse.
Durch eine unbeschränkte Haftung würde die Norm des § 176 I 2 HGB
ansonsten weitgehend ausgehöhlt. Eine
diesem Rechtsschein entsprechende Haftung könne nur bedeuten, dass die
Gesellschafter der GbR so haften würden, wie wenn die KG bereits entstanden
(also im Handelsregister eingetragen) wäre.
Denn bei jeder Rechtsscheinhaftung könne die Haftung nicht weiter
reichen als sie es tun würde, wenn der Schein wahr wäre (BGH WM 1973, 896, 898;
Kolhosser ZGR 1976, 231, 235).
Nach den überzeugenden
Argumenten der herrschenden Auffassung ergibt sich die unbeschränkte Haftung
der Schein-Komplementäre deshalb aus §§
161 II, 128 S. 1 HGB analog, während der Schein-Kommanditist nach diesen
Vorschriften nur gem. §§ 171, 172 HGB analog (also beschränkt) in Anspruch
genommen werden kann. Die Vorschrift des
§ 176 I 1 HGB ist somit auch nicht entsprechend anwendbar.
Mithin kann der Dritte also
nur im Rahmen der gem. § 171 I BGB analog beschränkten Haftung gegen den
Schein-Kommanditisten vorgehen, also bis zur Höhe der Haftsumme.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen