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Sonntag, 17. Mai 2015

Haftung des Schein-Kommanditisten bei einer Schein-KG

Haftung des Schein-Kommanditisten bei einer Schein-KG als Rechtsscheinhaftung um Gesellschaftsrecht für das juristische Studium

Mein heutiger Beitrag beschäftigt sich zur Abwechslung mit dem Gesellschaftsrecht, welches sich bei Jurastudenten keiner großen Beliebtheit erfreut.  Auch hier werden von den Prüfungsämtern regelmäßig nur Kenntnisse der Grundzüge erwartet, sodass es ausreicht, wenn man sich einen Überblick über die Materie verschafft, ohne größeres Einzelwissen zu erwerben.

Wer sich also ein Grundwissen in diesem Sinne angeeignet hat, dem wird sich die hier zu besprechende Problematik leicht erschließen, obgleich sie doch recht speziell ist.

Es geht um die Haftung des Schein-Kommanditisten bei einer Schein-KG.


1. Entstehen der Kommanditgesellschaft und Haftung von Gesellschaft/Komplementär


Im Kern geht es bei der vorliegenden Problematik der Schein-KG um die Haftungsvorschrift des § 176 I HGB hinsichtlich des Kommanditisten.  Um den Gesamtzusammenhang herzustellen, sollen aber zunächst einige generelle Ausführungen zum Wesen und zur Haftung bei einer Kommanditgesellschaft erfolgen.

 

a) Allgemeines

 

Die KG stellt eine Sonderform der Offenen Handelsgesellschaft dar.  Der Komplementär ist dabei der persönlich haftende Gesellschafter, während der Kommanditist nach außen nur mit der Haftsumme haftet, § 171 I HGB, aber als Ausgleich zum größten Teil nicht an der Geschäftsführung oder Vertretung der Gesellschaft teilnehmen darf, §§ 164, 170 HGB.  Nachdem die Vorschriften der §§ 161 ff. HGB nur teilweise Regelungen für diese Gesellschaft bereithalten, gilt im Übrigen das Recht der OHG, §§ 161 II, 105 ff. HGB, und dann wiederum subsidiär das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach §§ 705 ff. BGB.

 

Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann Kommanditist sein (BGH NJW 2001, 3121 ff.), aber auch Komplementär (OLG Celle ZIP 2012, 766).  Wichtig ist hier, dass es nicht möglich ist, eine KG zu gründen, die einzig aus Kommanditisten besteht.

 

b) Entstehung

 

Die Entstehung der KG richtet sich nach den Vorschriften über die OHG, also wird sie mit Wirkung gegenüber Dritten regelmäßig durch den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags und die Eintragung im Handelsregister zur Entstehung gebracht, §§ 162 I, II, 123 I HGB, § 705 BGB.  Sofern ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe gem. § 1 II HGB betrieben wird, ist für die Entstehung die deklaratorische Eintragung im Handelsregister allerdings nicht erforderlich, sondern es genügt schon der Beginn der Geschäfte, §§ 161 II, 105 I, 123 II HGB.  Die KG kann aber auch den Eintritt eines Kommanditisten in eine bereits bestehende OHG entstehen.

 

Wenn die Gesellschaft jedoch kein vollkaufmännisches Handelsgewerbe iSd. § 1 II HGB ausübt, entsteht die KG erst durch eine Eintragung im Handelsregister, §§ 162 I, 106 I, 123 I HGB.  Im Zeitraum vor dieser Eintragung handelt es sich bei dieser Gesellschaft also nur um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

 

c) Haftung der KG

 

Sofern die KG wirksam entstanden ist, hat sie die Kaufmannseigenschaft gem. § 6 I HGB.  Als Kaufleute sind auch die Komplementäre anzusehen (BGHZ ZIP 2005, 2070), nicht jedoch die Kommanditisten.  Die KG kann damit selbständig Schuldnerin von Verbindlichkeiten sein, §§ 161 II, 124 I HGB.  Wenn Verträge in ihrem Namen abgeschlossen wurden, muss sie diese also erfüllen.  Ebenso kann eine Haftung auf Schadensersatz aus einer unerlaubten Handlung der verfassungsmäßigen Vertreter bestehen, deren Handeln ihr nach § 31 BGB analog zugerechnet wird.

 

d) Haftung des Komplementärs

 

Die Komplementäre der KG müssen nach den Regeln über die persönlich haftenden Gesellschafter einer OHG einstehen, §§ 161 II, 128 S. 1 HGB.  Damit haften sie einem Gesellschaftsgläubiger persönlich als Gesamtschuldner und auch unbeschränkt.

 

2. Haftung des Kommanditisten


Wie eingangs bereits angesprochen, haftet der Kommanditist nach außen nur mit der Haftsumme.  Zwar trifft auch ihn eine gesamtschuldnerische, persönliche Haftung, ebenso wie die Komplementäre der Gesellschaft, die Qualität der Haftung ist also dieselbe.  Allerdings greift für ihn die Vorschrift des § 171 I HGB, nach welcher seine Haftung summenmäßig beschränkt ist, sofern er seine Einlage geleistet hat (Haftungsbefreiung durch Einlageleistung).

 

Falls aber die Gesellschafter schon eine KG gegründet und Verbindlichkeiten vor Eintragung im Handelsregister eingegangen sind, besteht eine unbeschränkte Haftung des Kommanditisten nach § 176 I 1 HGB als gesetzlich geregelter Fall der Vertrauensschutzhaftung (K. Schmidt NJW 1982, 886), wenn er dem Geschäftsbeginn zugestimmt hat.  In diesem Fall muss der Kommanditist also dem Dritten wie ein persönlich haftender Gesellschafter einstehen, außer der Dritte kannte die Stellung als Kommanditist.  Allerdings ist eine Haftung aus unerlaubter Handlung davon nicht umfasst, denn hier besteht ja kein Vertrauensschutz (BGHZ 82, 209, 215).

 

Dies gilt nach dem klaren Gesetzeswortlaut jedoch nur, wenn die noch nicht eingetragene Gesellschaft auch ein vollkaufmännisches Gewerbe betreibt, § 176 I 2 HGB.  Es ist auch möglich, dass die Gesellschaft bereits im Rechtsverkehr als KG aufgetreten ist und nur ein Kleingewerbe betreibt, also lediglich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehen ist (Schein-KG).  Fraglich ist dann, ob in diesem Fall die Vorschrift über die unbeschränkte Haftung nach § 176 I 1 HGB analog hinsichtlich des Schein-Kommanditisten angewendet werden kann.

 

Beispiel: Die Gesellschafter V und K gründeten eine KG, ohne sie in das Handelsregister eintragen zu lassen, wobei der K Kommanditist sein und nur beschränkt auf eine bestimmte Summe haften sollte.  Seine Einlage hatte der K auch schon erbracht.  Zwar nahmen die Gesellschafter bereits ihre geschäftliche Tätigkeit auf, diese bedurfte jedoch keiner kaufmännischen Einrichtung.  Nachdem der V im Namen der „Kommanditgesellschaft“ mit einem Dritten einen Kaufvertrag geschlossen hat, will Letzterer den K auf Zahlung des Kaufpreises in Anspruch nehmen.  Der K fragt sich, ob für ihn nur eine beschränkte Haftung in Höhe seiner Haftsumme besteht.

 

Ein unbeschränkter Anspruch aus § 433 II BGB, §§ 176 I 1, 161 II, 128 S. 1 HGB gegen den K ist hier nicht gegeben, denn die Vorschrift des § 176 I 2 HGB steht dem infolge des Kleingewerbes der handelnden Gesellschaft entgegen.

 

Möglicherweise kann der Dritte unbeschränkt Zahlung vom Schein-Kommanditisten nach § 176 I 1 HGB analog verlangen.  Dazu gibt es unterschiedliche Ansichten in der Rechtsprechung und Literatur.  In dieser Situation stehen sich der Rechtsschein einer Geschäftsaufnahme als KG und der in § 176 I 2 HGB verankerte Schutz des Kleingewerbes gegenüber.  Für die analoge Anwendung des § 176 I 1 HGB müsste deshalb eine Regelungslücke im Gesetz und eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte vorliegen.  Teilweise finden sich Stimmen in der Literatur, die tatsächlich von einer derart unbeschränkten Haftung des Schein-Kommanditisten ausgehen.  Das wird allerdings von der herrschenden Ansicht (insbesondere vom Bundesgerichtshof) verneint.  Jeder Gesellschafter, dem die Veranlassung dieses Rechtsscheins zugerechnet werden kann, wird nach herrschender Meinung vielmehr entsprechend einer eingetragenen KG behandelt.  Denn der Vertragspartner sei davon ausgegangen, nur mit einer als KG firmierenden Gesellschaft zu kontrahieren, sodass er sich dann auch an die Haftungsbeschränkung verweisen lassen müsse.  Durch eine unbeschränkte Haftung würde die Norm des § 176 I 2 HGB ansonsten weitgehend ausgehöhlt.  Eine diesem Rechtsschein entsprechende Haftung könne nur bedeuten, dass die Gesellschafter der GbR so haften würden, wie wenn die KG bereits entstanden (also im Handelsregister eingetragen) wäre.  Denn bei jeder Rechtsscheinhaftung könne die Haftung nicht weiter reichen als sie es tun würde, wenn der Schein wahr wäre (BGH WM 1973, 896, 898; Kolhosser ZGR 1976, 231, 235).

 

Nach den überzeugenden Argumenten der herrschenden Auffassung ergibt sich die unbeschränkte Haftung der Schein-Komplementäre deshalb aus §§ 161 II, 128 S. 1 HGB analog, während der Schein-Kommanditist nach diesen Vorschriften nur gem. §§ 171, 172 HGB analog (also beschränkt) in Anspruch genommen werden kann.  Die Vorschrift des § 176 I 1 HGB ist somit auch nicht entsprechend anwendbar.

 

Mithin kann der Dritte also nur im Rahmen der gem. § 171 I BGB analog beschränkten Haftung gegen den Schein-Kommanditisten vorgehen, also bis zur Höhe der Haftsumme.









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