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Montag, 25. Mai 2015

Hin- und Rücksendekosten beim Rücktritt vom Kaufvertrag

Hin- und Rücksendekosten, Rücktritt vom Kaufvertrag anhand eines Urteils für die juristische Ausbildung
Ein alltägliches Problem, für das man in der gängigen Literatur nur sehr wenige Lösungsansätze findet, stellen die Hin- und Rücksendekosten nach dem Rücktritt von einem Kaufvertrag dar.
Dies soll im Folgenden genauer betrachtet werden.


Ausgangssituation


Man nehme also an, dass ein Käufer von einem Verkäufer im Internet eine Sache kauft und sich diese auf seine Kosten zusenden lässt.  Nachdem die Sache mangelhaft und eine Nacherfüllung ausgeschlossen ist, erklärt der Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangt nun neben dem Kaufpreis die von ihm ebenso gezahlten Hinsendekosten erstattet und weigert sich, die Kosten für die Rücksendung an den Verkäufer zu tragen.

1. Rücktrittsregelungen


Als Folge des Rücktritts sind die jeweils empfangenen Leistungen Zug um Zug zurück zu gewähren, § 346 I BGB.  Das ursprüngliche Schuldverhältnis wird also in ein Rückabwicklungsverhältnis auf einer vertraglichen Grundlage umgeändert.  Deshalb muss der Verkäufer den Kaufpreis zurückzahlen, während der Käufer die Kaufsache zurück zu gewähren hat.

Nun stellt sich allerdings die Frage, ob der Käufer die Kosten für die ursprüngliche Hinsendung an ihn erstattet bekommt und ob er etwa die Rücksendekosten tragen muss.

Hier lohnt sich zunächst ein Blick auf Verbraucherverträge, bei denen vom Grundsatz her Folgendes gilt: Bei Verträgen ab dem 13.6.2014 muss der Käufer bei dem verbraucherschützenden Widerruf die Rücksendekosten selbst tragen, sofern er entsprechend belehrt wurde, § 357 VI BGB (nunmehr § 357 V 1 BGB).  Demgegenüber muss der Verkäufer die Hinsendekosten in diesem Fall erstatten, § 357 II 1 BGB.

Die Situation beim gesetzlichen Rücktrittsrecht ist jedoch eine andere.  Hier sieht das Gesetz keine Erstattung der Hin- oder Rücksendekosten nach §§ 346 ff. BGB vor.

Mit der Schuldrechtsmodernisierung wurde auch die Vorschrift des § 467 S. 2 BGB a.F. abgeschafft, nach welcher die Vertragskosten vom Verkäufer zu erstatten waren.

Auch stellen die Regelungen der §§ 346 ff. BGB keine verbraucherschützenden Vorschriften dar.  Man kann deshalb die Widerrufsregelungen nicht zur Auslegung der Rücktrittsvorschriften heranziehen.

Ein Ersatzanspruch für nicht notwendige Verwendungen gem. § 347 II 2 BGB scheitert regelmäßig an einer Bereicherung des Verkäufers.  Die Erstattung von Vertragskosten kann nunmehr nur noch im Rahmen eines Schadens- oder Aufwendungsersatzanspruchs erfolgen (BGH NJW 2009, 66, Rn. 14).

Eine Lösung muss somit außerhalb des Rücktrittsrechts gefunden werden.


2. Aufwendungs-/Schadensersatz


So könnte sich der Ersatz der Kosten für die Hinsendung aus einem Aufwendungsersatz nach §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 284 BGB ergeben (Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 8. Auflage, 2009, Rn. 246).

Die Vorschrift des § 284 BGB ist nach herrschender Ansicht auch neben einem Rücktritt anwendbar, denn wenn schon ein Schadensersatz nebenher gem. § 325 BGB möglich ist, muss das auch für den Aufwendungsersatz gelten, der an die Stelle des Schadensersatzes tritt.  Dann allerdings müsste der Verkäufer auch die mangelhafte Lieferung der Kaufsache zu vertreten haben, was oft nicht der Fall sein wird.

Hinsichtlich der Rücksendekosten kann man nach meinem Verständnis nicht auf die Vorschrift des § 284 BGB abstellen.  So allerdings wohl das AG Düsseldorf, Urteil vom 12.06.2006 - 56 C 4276/06:

„Dem Kläger steht darüber hinaus gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung der aufgewendeten Versandkosten i.H.v. insgesamt 19,00 EUR (12,00 EUR Hinsendung + 7,00 EUR Rücksendung) gemäß §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 3, 440, 280 Abs. 1, 284 BGB zu. Der Verkauf von Lampen, die nicht der Verkaufsbeschreibung entsprechen, stellt eine Pflichtverletzung i.S.v. § 280 Abs. 1 BGB dar. Das Verschulden des Beklagten an der fehlerhaften Angabe des Herstellungszeitraums wird im Anwendungsbereich von §§ 280, 284 BGB vermutet. Eine hinreichende Exkulpation nebst tauglichem Beweisantritt ist nicht erfolgt.“

Das erscheint aus dogmatischer Sicht problematisch.  Zum einen verlangt die Vorschrift das Vorliegen der Voraussetzungen eines Schadensersatzes statt der Leistung, was mit der vom Gericht zitierten Regelung des § 280 I BGB gerade nicht der Fall ist.

Zum anderen wird man hier kaum annehmen können, dass der Käufer die Rücksendekosten (anders als die Hinsendekosten) im Vertrauen auf die Erlangung der vertragsgemäßen Leistung aufwendet, sodass die genannte Vorschrift nicht zur Anwendung kommen kann.

Auch ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo scheint mir nicht gegeben zu sein.  Der Verweis auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1985, 2697, 2698) wird nach der Schuldrechtsmodernisierung kaum noch überzeugen.  Denn nunmehr ist beim Schadensersatz abzugrenzen, ob ein solcher statt oder neben der Leistung verlangt wird.  Die Rücksendekosten wären aber bei rechtzeitiger Erfüllung nicht angefallen, sodass es sich insoweit um einen Schadensersatz statt der Leistung handelt, der nicht mit der culpa in contrahendo ersetzt werden kann.

Wenn man dann einen Schadensersatz statt der Leistung annehmen will, würde dieser jedoch nur möglich sein, wenn der Käufer nicht zugleich nach §§ 280 I, III, 284 BGB vorgeht.

Ebenso bedarf es eines Verschuldens des Verkäufers, das zwar vermutet wird, aber doch widerlegt werden kann, zumal den Verkäufer keine Prüfungspflicht hinsichtlich der verkauften Sache trifft.  Auch ein Händler muss die neue Ware nicht untersuchen, sofern nicht Mängel offen ersichtlich sind (Lorenz NJW 2002, 2497).  Vielmehr darf er darauf vertrauen, dass die neue Ware nicht mit Fehlern behaftet ist (OLG Köln ZGS 2006, 77).


3. Holschuld des Verkäufers


Eine bessere Lösung für den Käufer könnte jedenfalls hinsichtlich der Rücksendekosten darin liegen, dass man darauf abstellt, was er denn nach dem Rücktritt schuldet.  Er muss die Sache zurückgeben.

Nach herrschender Ansicht muss der Verkäufer die Ware dann dort abholen, wo sie sich vertragsgemäß befindet (MüKo-Krüger, BGB, 6. Auflage, 2012, § 269 Rn. 41).  Dieser Ort stellt den Leistungsort für den Rücktritt dar (BGHZ 87, 104, 109), was auch für das gesetzliche Rücktrittsrecht gilt (BGH WM 1974, 1073).

Also ist der Käufer gar nicht verpflichtet, die Kaufsache an den Verkäufer zu übersenden und muss insofern die Kosten auch nicht verauslagen und dann im Wege des Schadensersatzes zurückverlangen.

Wenn also der Verkäufer die Sache beim Käufer abholen muss, reicht es aus, dass Letzterer die Sache zur Abholung anbietet und bereit hält und keine Versendung auf seine Kosten durchführt.  Nachdem es sich insoweit um eine Holschuld des Verkäufers nach § 269 I BGB handelt, muss dieser sich auf den Weg machen oder aber dem Käufer die Kosten für eine Versendung vorschießen.  Bei dieser Lösung kommt es mangels Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs auch auf ein Verschulden des Verkäufers hinsichtlich der mangelhaften Lieferung nicht an.


Weiterführende Literatur


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Juristische Übungsfälle zum Kaufrecht



Hier sind weitere Artikel zum Kaufrecht zu finden


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Beschaffenheitsvereinbarung

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Probleme beim Grundstückskauf

Der Verschleiß als Mangel der Kaufsache

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Die Abnahme im Kaufvertrag            

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