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Mittwoch, 29. Juli 2015

Erklärung der Anfechtung oder des Rücktritts?

Erklärung der Anfechtung oder des Rücktritts nach Auslegung des Verhaltens einer Vertragspartei


„Im Auslegen seid frisch und munter! Legt ihrs nicht aus, so legt was unter.“

Wann liegt eine Erklärung der Anfechtung oder des Rücktritts vor?

Das soll genannte Zitat soll schon Johann Wolfgang von Goethe erwähnt haben (Zahme Xenien).  In diesem Sinne will ich ganz kurz die Auslegung einer Anfechtungs- bzw. Rücktrittserklärung betrachten.

Wenn ein juristischer Laie sich wegen eines Irrtums auf eine „Ungültigkeit“ des Vertrags beruft, kann das unter Umständen mehrere Bedeutungen haben.  Die Rechtsfolgen sind ihm in aller Regel nicht bekannt, diese können jedoch stark voneinander abweichen.

Sofern also zwei Parteien z.B. einen Kaufvertrag geschlossen haben, kann dieses Rechtsverhältnis in einigen Fällen durch eine einseitige Gestaltungserklärung umgeändert werden, sodass nicht beide Vertragspartner daran mitwirken müssen.

Sollte der Käufer sich in einem Irrtum befunden haben, aber die Kaufsache auch mangelhaft sein, ist fraglich, was der Käufer nun erklärt hat, wenn er sich darauf beruft, der Vertrag bestehe nicht und er wolle sein Geld zurück.


1. Anfechtung:


Zunächst kann es sich um eine Anfechtungserklärung handeln, sodass der Vertrag von Anfang an nichtig ist, § 142 I BGB.


2. Rücktritt:


Auf der anderen Seite könnte aber auch nur ein Rücktritt wegen eines unbehebbaren Mangels gem. §§ 434, 437 Nr. 2, 323 I, 326 V, 346 BGB vorliegen, woraufhin ein Rückabwicklungsschuldverhältnis entstanden wäre.


3. Auslegung:


Man wird hier wohl fragen müssen, welche Vorgehensweise für den Käufer rechtlich gesehen die günstigeren Folgen bereithält.  So wäre er im Fall der Anfechtung zur Herausgabe der Kaufsache nach Bereicherungsrecht (hier insbesondere unter Beachtung der Saldotheorie) verpflichtet und müsste je nach Anfechtungsgrund eventuell den Vertrauensschaden gem. § 122 BGB ersetzen.  Bei einem Rücktritt wäre er nach den Rücktrittsregeln zur Rückgewähr der Sache verpflichtet und müsste auch hier unter Umständen Wertersatz leisten.

 

Wenn man nun annimmt, dass die Kaufsache beim Käufer untergegangen ist, wäre er bei einer Anfechtung in einer schlechten Situation, denn hier müsste er diesen Schaden nach § 122 BGB ersetzen.  Bei einem Rücktritt wegen eines Mangels wäre ein solcher Wertersatz aber ausgeschlossen, sofern der Käufer die eigenübliche Sorgfalt verwendet hat, § 346 III 1 Nr. 3 BGB (obgleich im Rücktrittsrecht so ziemlich alles umstritten ist).

 

In diesem Fall wird man also so argumentieren, dass ein Rücktritt für den Käufer günstiger ist und seine Erklärung in diesem Sinn auszulegen ist (oder vielleicht mit Goethe „unterzulegen“ ist).  Dabei ist nicht der Wortlaut der Erklärung entscheidend, sondern die Sicht des objektiven Empfängerhorizontes, §§ 133, 157 BGB.

 

Das Vorstehende gilt bei Abschluss des im Beispiel genannten Kaufvertrags bei einem Inhalts- oder Erklärungsirrtum nach § 119 I BGB.

Wenn aber ein Eigenschaftsirrtum des Käufers gem. § 119 II BGB vorliegt, der gleichzeitig eine Sachmängelhaftung begründet, ist eine Anfechtung nach herrschender Ansicht ausgeschlossen, denn der Vorrang der Nacherfüllung soll hier nicht umgangen werden.

In dieser Situation sind dann auch die Grenzen der Auslegung der Erklärung des Käufers erreicht.  Hier läge nämlich ein nichtiges Rechtsgeschäft vor, da die Anfechtung nicht zulässig ist.  Es kann also nur noch eine Umdeutung gem. § 140 BGB in eine Rücktrittserklärung erfolgen.  Die Voraussetzungen der Norm sind sodann relativ leicht festzustellen, denn die nichtige Erklärung entspricht den Erfordernissen des anderen Rechtsgeschäfts und auch der hypothetische Wille des Erklärenden wird eine solche Erklärung des Rücktritts umfassen (BGH NJW 2010, 2503, Rn. 16).  Hinsichtlich der Folgen des Rücktritts besteht auch keine größere Reichweite als bei der Anfechtung (was natürlich in der Literatur wieder umstritten ist).

 

Die Umdeutung einer Rücktrittserklärung in eine Anfechtungserklärung dürfte allerdings unzulässig sein, da bei einer Anfechtung das Schuldverhältnis entfällt und dann die Pflicht zum Ersatz des Vertrauensschaden entsteht, also weitergehende Rechtsfolgen begründet würden (BGH NJW-RR 1997, 1112, 1113).


Hier sind weitere Artikel zum Anfechtungsrecht zu finden


Das Verhältnis von § 123 BGB zu § 138 BGB

Eigenschaftsirrtum gem. § 119 II BGB und Irrtum über den Wert der Sache

Anfechtung einer Vollmacht





4 Kommentare:

  1. Hallo, wie sieht es denn aus, wenn die Sachen mangelhaft ist (z.B manipuliert) und der Käufer dem Verkäufer die Sache zur Reparatur hinterlässt? Dann bezieht sich wohl der Wille des Käufers auf die Nachbesserung und ggf. anschließend auf den Rücktritt oder?

    Muss dann dennoch eine Anfechtung angesprochen werden (wegen Irrtum, da der Käufer ja irrtümlicherweise vom bestehen einer nicht manipulierten Sache ausgegangen ist) ?

    Ich danke im Voraus.

    LG Hannes

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  2. Es kommt wohl darauf an, was der Käufer konkret erreichen möchte. Wenn er die Sache zurückgibt, aber in einem reparierten Zustand zurückerhalten will, dann ist seine Erklärung als Verlangen auf Nachbesserung zu verstehen. Dann bedarf es ja keiner Anfechtung, denn der Käufer will den Vertrag nicht unwirksam machen und im Fall der Nichtigkeit des Vertrags hätte er auch keinen Anspruch auf Nachbesserung mehr. Erst wenn die Nachbesserung fehlschlägt (in der Regel nach zwei Versuchen), kann er einen Rücktritt erklären, für den er aber erneut zumindest durch eine konkludente Handlung diese Gestaltungserklärung abgeben muss. Das ursprüngliche Nachbesserungsverlangen reicht dazu nicht aus.

    Sofern der Käufer jedoch die Sache von Anfang an nicht mehr zurückhaben will, müsste man auslegen, ob er etwa einen Rücktritt erklären wollte (wobei vom Grundsatz her eine Fristsetzung erfolgen müsste) oder ob er sich von dem Vertrag durch eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung lösen wollte. Bei der Anfechtung muss man aber immer im Auge behalten, ob diese auch zulässig ist. Bei der Täuschung ist das kein Problem, bei einem Irrtum, der sich auf einen Mangel bezieht, wären die Gewährleistungsrechte allerdings vorrangig.

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  3. Wie ist es, wenn der Käufer den Vertrag rückgängig machen möchte= wörtliche Bezeichnung. Er wurde aber getäuscht. Also arglistig wurde ihm eine Information verschwiegen. Er könnte ja anfechten und zurücktreten. Wenn er verlangt den vertrag rückgängig zu machen kann ich sein Begehren dann als Rücktritt auslegen? Und muss ich dann anschließend noch §812 mit Anfechtung §123 prüfen? Denn dann würde ja bei der Anfechtung das Schuldverhältnis beseitigt was ich als VSS beim Rücktritt prüfen muss.

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  4. Was konkret gewollt ist, muss anhand einer Auslegung der Erklärung ermittelt werden. Dazu finden sich regelmäßig Anhaltspunkte im Sachverhalt. Die Erklärung, dass man „den Vertrag rückgängig machen möchte“ kann dabei in beide Richtungen verstanden werden. Generell muss man prüfen, welche Rechtsfolgen für den Erklärenden zu dem gewünschten Ziel führen, was man natürlich nur anhand des konkreten Einzelfalls beurteilen kann. In der Tat ergeben sich dann Unterschiede zwischen einem Rücktritt und einer Anfechtung (insbesondere der Rückabwicklung bei Letzterer nach § 812 BGB).

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