Die folgenden Ausführungen
sollen deshalb weniger ein Plädoyer für die Anerkennung eines außerordentlichen
Kündigungsgrundes in diesem speziellen Fall sein (obgleich ich meine Ansicht
dazu nicht verhehlen will), als vielmehr die Bedeutung der Abwägung der
Argumente und Begründung einer eigenen Ansicht in einer Prüfungsaufgabe in den
Vordergrund stellen.
1.
Rechtsnatur des Vertrags
Um die vorzeitige Beendigung
des Vertrags prüfen zu können, muss vorab geklärt werden, um was für einen
Vertrag es sich eigentlich handelt, wenn man sich über den Abschluss eines
Fitnessstudio-Vertrags einigt.
Richtigerweise liegt hier
wohl ein typengemischter Vertrag vor, der sich aus miet und
dienstvertraglichen Elementen
zusammensetzt (Palandt-Weidenkaff, BGB, 71. Auflage, 2012, Einf. vor § 535, Rn.
36). Denn neben der Gebrauchsgewährung
der Geräte werden auch oft Trainingseinheiten mit einem im Studio angestellten
Trainer vereinbart, woraus sich die dienstvertragliche Komponente ergeben
kann. Gleiches kann sich daraus ergeben,
dass der Betreiber auch eine Einweisung des Kunden in den Gebrauch der Geräte,
sowie eine Beratung und Beaufsichtigung schuldet.
Ein typengemischter Vertrag
folgt dann nach der Absorptionstheorie den rechtlichen Regelungen des
Schwerpunkts des Rechtsgeschäfts (BGH NJW 2010, 150), der hier sicherlich im
mietvertraglichen Bereich liegt (konkret für den Fitnessstudio-Vertrag: OLG
Brandenburg NJW-RR 2004, 273).
Aber auch nach der teilweise
in der Literatur vertretenen Ansicht, dass eine Lösung jeweils im Einzelfall
anhand von Sinn und Zweck des Vertrages zu finden ist, sind bei der Auflösung
des Vertrages die Regelungen des Vertragstyps heranzuziehen, die den
Schwerpunkt bilden. Auch hier wäre somit
eine Anwendung des Mietrechts geboten, da es um eine Kündigung des Vertrags
geht.
Jedenfalls aber für den
Fall, dass keine Unterrichts- oder anderen Dienstleistungen des
Studiobetreibers bestehen und der Vertrag nur die Nutzung der Geräte und
Räumlichkeiten vorsieht, liegt nach dem Bundesgerichtshof ein reiner
Gebrauchsüberlassungsvertrag vor (BGH NJW 2012, 1431, Rn. 19 ff.), der nach
Mietrecht zu beurteilen ist.
Im Ergebnis wird man also
hinsichtlich der Rechtsnatur oder zumindest bei der Beurteilung der Beendigung
des Vertrags von der Anwendung des Mietrechts ausgehen müssen, sodass sich die
Kündigung als spezialgesetzliche Regelung zu § 314 BGB nach § 543 BGB
richtet. Letztlich führen beide
Vorschriften aber zur selben Abwägung, die im Folgenden durchzuführen ist. Eine Beendigung des Vertrags nach der Störung
der Geschäftsgrundlage soll dabei außer Betracht bleiben.
2.
Außerordentliche Kündigung
Fraglich ist nun, ob das Mitglied den Vertrag außerordentlich und fristlos wegen des Vorliegens eines wichtigen Grundes kündigen kann. Wenn man also von der Anwendung der mietvertraglichen Vorschriften ausgeht, richtet sich die Kündigung nach § 543 I1, 2 BGB, die einen solchen wichtigen Grund fordert.
Dieser ist gegeben, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Zur
Allgemeinbildung soll hier noch darauf hingewiesen werden,
dass ein Dauerschuldverhältnis immer
aus wichtigem Grund gekündigt werden kann.
Dieses Recht kann also auch nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen
abbedungen werden (BGH NJW 1986, 3134).
Dazu gibt es bei der
Kündigung aus gesundheitlichen Gründen
(sofern dadurch eine Nutzung dauerhaft ausgeschlossen wird) bereits eine
höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der das Mitglied vorzeitig kündigen
darf und auch nicht verpflichtet ist, die konkrete Art und den Umfang der
Krankheit dem Studiobetreiber nachzuweisen, wenn jedenfalls ein ärztliches
Attest vorgelegt wird (BGH NJW 2012, 1431, Rn. 37 ff.). Das soll hier nicht näher erörtert werden.
Hinsichtlich der Kündigung
wegen eines Umzugs des Mitglieds
gibt es allerdings (soweit ersichtlich) noch keine Entscheidung des
Bundesgerichtshofs. Entgegen den oft zu
findenden Behauptungen handelt es sich auch hier um eine Abwägung der beiderseitigen Interessen im Einzelfall, sodass man
jedenfalls in der Ausbildung nicht von einer „eindeutigen Rechtsprechung“ der
erstinstanzlichen Gerichte reden und diese Entscheidungen ohne weitere
Erörterung als Ersatz für eine Begründung anführen sollte.
Gerade
Studenten lassen sich leicht dazu verleiten, solche absoluten Behauptungen
aufzustellen, weil sie die eine oder andere Gerichtsentscheidung zu diesem
Thema gelesen haben. Es erscheint
deshalb angebracht, darauf hinzuweisen, sich die jeweiligen Urteilsgründe genau
anzusehen. Dann wird man feststellen,
dass die Gerichte regelmäßig betonen, dass es sich um eine reine Einzelfallentscheidung
handelt, bei welcher alle Umstände dieses konkreten Einzelfalls berücksichtigt
wurden. In einer Klausur wäre also erst
an dieser Stelle die größte Argumentationsarbeit zu leisten. Wie man sich dann entscheidet, spielt keine
Rolle.
In der Tat gibt es zum
Vorliegen eines wichtigen Grundes in der neueren Zeit mehrere öffentlich
nachlesbare Entscheidungen. Dabei
handelt es sich vorwiegend um amtsgerichtliche Urteile, die ein
außerordentliches fristloses Kündigungsrecht bei einem Umzug des Mitglieds vom
Grundsatz her verneinen. In diesem
Zusammenhang erfolgt dann regelmäßig eine Unterscheidung, in wessen
Risikosphäre der Kündigungsgrund liegt.
Vielerorts wird der Umzug des Mitglieds mangels besonderer Umstände der
Privatsphäre des Kunden zugeordnet, sodass kein wichtiger Grund für die
Kündigung gegeben sei, denn der Studiobetreiber habe darauf keine
Einflussmöglichkeit.
Das Ergebnis mag sich begründen lassen. So insbesondere, wenn das Mitglied schon bei Vertragsschluss wusste, dass es in Kürze in eine andere Stadt umziehen wird, da hier aufgrund des vorsätzlichen Verhaltens eine Fortsetzung des Vertrags zumutbar ist. Dann dürften die Interessen des Studiobetreibers an dem Fortbestand des Vertrags regelmäßig diejenigen des Kunden an einer vorzeitigen Beendigung überwiegen.
Andererseits sind auch Fälle
denkbar, in denen der Kunde aus nicht vorhersehbaren beruflichen Gründen in
eine weit entfernte Stadt ziehen muss und der Studiobetreiber dort keine Fitnessräume
zur Verfügung stellt. Dann könnte das
Ergebnis möglicherweise anders ausfallen.
Im Rahmen der Argumentation könnte neben anderen Kriterien Folgendes in
einer Prüfungsaufgabe ausgeführt werden:
Die Gegner eines
Kündigungsrechts zitieren hier immer wieder eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs
(BGH NJW-RR 2011, 916), nach der bei einem Wohnsitzwechsel bei Bestehen eines
Festnetzvertrags ein außerordentliches Kündigungsrecht wegen der Risikosphäre
des Kunden verneint wurde. Dies sei
sodann ohne weiteres auf den Fitness-Vertrag zu übertragen.
Das Gericht hat insofern
entschieden (BGH NJW-RR 2011, 916, Rn. 12), „ … dass der Kunde, der einen längerfristigen Vertrag über die Erbringung
einer Dienstleistung abschließt, grundsätzlich das Risiko trägt, diese aufgrund
einer Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse nicht mehr nutzen zu
können. Dementsprechend stellt ein
Umzug, etwa aus familiärer oder beruflicher Veranlassung, prinzipiell keinen
wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB dar
(so für einen Telefonfestnetzvertrag LG München I ZGS 2008, 357, 360; a.A. AG
Ulm BeckRS 2008, 22785). Die Gründe für einen solchen Wohnsitzwechsel des
Dienstberechtigten liegen allein in dessen Sphäre und sind von dem Anbieter der
Leistung nicht beeinflussbar.“
Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf den Fitness-Vertrag ist allerdings nicht ganz unproblematisch.
Zum einen vergleicht man hier zwei Situationen, die nicht unbedingt vergleichbar sind, denn bei einem Festnetzanschluss hat der Dienstleister bereits für diesen konkreten Kunden Leistungen erbracht, die sich erst nach einer längeren Laufzeit wieder amortisieren, während die Investitionen des Studiobetreibers durch Anschaffung der Geräte auch durch andere Kunden wieder ausgeglichen werden können und nicht auf eine bestimmte Person zugeschnitten sind. Hier zeigt sich gerade der Unterschied, dass beim Festnetzanschluss die alleinige Nutzungsmöglichkeit eingeräumt, beim Fitness-Vertrag aber nur eine Mitbenutzung gewährt wird, also die Geräte sowieso angeschafft werden mussten und somit weiterhin gewinnbringend verwertet werden können.
Und zum anderen lässt sich vertreten, dass der Gesetzgeber (nach dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs) durch die Änderung des Telekommunikationsgesetzes (hier § 46 VIII 3 TKG, nunmehr § 60 TKG) gezeigt hat, dass er mit dem Urteil nicht einverstanden war und der Verbraucher in einer Umzugssituation grundsätzlich schutzwürdiger ist als der Anbieter. Deshalb hat er ihm bei diesem Dauerschuldverhältnis ein Recht zur kurzfristigen Lösung vom Vertrag eingeräumt. Dann lässt sich auch argumentieren, dass diese Schutzbedürftigkeit bei einem langfristig geschlossenen Fitnessvertrag nicht geringer zu bewerten ist, wenn der Kunde aus nachvollziehbaren Gründen an einen weit entfernt gelegenen Ort umziehen muss.
So gibt es denn auch eine abweichende Rechtsprechung zum Umzug, die dem Kunden des Studiobetreibers eine Kündigung aus wichtigem Grund zugesteht, wenn der Ehegatte des Kunden berufsbedingt in eine weit entfernte Stadt umziehen muss (AG München, Urteil v. 17.12.2008, Az. 212 C 15699/08).
Hier wäre der Verweis auf die Risikosphäre des Kunden zu einfach und zu oberflächlich, da der eine Ehegatte faktisch gezwungen ist, dem umziehenden Ehegatten zu folgen. Er hat demnach nicht wirklich eine eigene Entscheidungsmöglichkeit bezüglich des Ortswechsels. Auch der Bundesgerichtshof räumt ein, dass eine fristlose Kündigung in Ausnahmefällen möglich ist, wenn der Kündigungsgrund aus der eigenen Interessensphäre des Kündigenden herrührt (BGH NJW-RR 2011, 916, Rn. 9).
So kann
beispielsweise selbst das Vorliegen einer Schwangerschaft ein Grund zur
außerordentlichen Kündigung des Vertrages sein (BGH NJW 2012, 1431, Rn. 38),
was doch zweifelsfrei auch in den Risikobereich des Kunden fällt. Man könnte deshalb bei einem zur Zeit des
Vertragsschlusses nicht vorhersehbaren Umzug des Mitglieds einen solchen
Ausnahmefall annehmen, bei dem dann eine krasse Äquivalenzstörung der
vertraglichen Leistungen vorliegt, wenn der Kunde keine Möglichkeit mehr hat,
die Leistung des Betreibers in Anspruch zu nehmen, da ihm die weitere Anreise
nicht zumutbar ist. Dann läge ein
wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung vor.
Auch
wenn man sich den letztgenannten Ausführungen zum Vorliegen eines wichtigen
Grundes nicht anschließen will, kommt es bei der Erörterung dieses Umstands in
einer Prüfungsaufgabe allein auf eine Darstellung und Abwägung der Argumente an
und nicht auf die Anzahl der zitierten Gerichtsentscheidungen. Selbst wenn die gefundene Lösung dann von der
Musterlösung abweicht, wäre sie doch in einer Klausur/Hausarbeit deutlich höher
zu bewerten, als die bloße Behauptung, die Gerichte lehnten generell ein
Kündigungsrecht ab.
Hier sind weitere Artikel rund ums Lernen im Jurastudium
Vom absurden Lernumfang im Jurastudium
Die Vorbereitung auf das 1. Juristische Staatsexamen
anhand von Klassikern des BGH?
Systemverständnis oder Auswendiglernen? Eine Stellungnahme anhand desRücktrittsfolgenrechts
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen