Da gehe ich also letzte Woche ins Teppichgeschäft, um mir ein Stück Teppichboden zu kaufen. Dort hängen die
verschiedenen Teppiche auf riesigen, vier Meter langen Rollen, die dann auf die
exakten Maße zugeschnitten werden.Bedient werde ich von einem Verkäufer, der
aussieht, als sei er gerade mal 15 Jahre alt. Ich gebe ihm meine Maße und
mache klar, dass ich das Stück zugeschnitten und gekettelt (am Rand genäht,
sodass keine Fasern getrennt werden) noch heute brauche, da ich sonst kein Auto
für den Transport habe. Er verspricht mir, die Sache am Nachmittag abholen zu
können.
Auf dem Nachhausweg stelle ich mir folgende Fragen:
Was ist die Rechtsnatur des Vertrags?
Stellt das Alter des Verkäufers
ein Problem dar?
Kann ich vom Vertrag loskommen, wenn nicht rechtzeitig
gekettelt wird?
Nachfolgen meine Gedanken, als ich mich durch den Stadtverkehr
quäle:
1. Rechtsnatur
Zunächst könnte der geschätzte Leser auf die
Idee kommen, dass es sich um einen Werkvertrag handelt. Immerhin hat man mir
einen Erfolg versprochen, nämlich das gekettelte Produkt am Nachmittag.
Hier
muss man jedoch eine Abgrenzung nach den Kriterien des Bundesgerichtshofs
vornehmen. Solange es sich bei werkvertragliche Leistung um eine untergeordnete
Nebenleistungspflicht handelt, unterliegt der Vertrag einheitlich den
kaufrechtlichen Regelungen.
Entscheidend für die rechtliche Einordnung als
Kaufvertrag, Werkvertrag oder typengemischter Vertrag ist, auf welcher der
beiden Leistungsteile (Lieferung, Montage) der Schwerpunkt liegt. Je mehr die Übertragung von Eigentum und
Besitz auf den Kunden im Vordergrund steht und je weniger die individuellen
Anforderungen des Kunden und die geschuldete Montageleistung das Gesamtbild des
Vertragsverhältnisses prägen, desto eher ist die Annahme eines Kaufvertrages
(mit Montageverpflichtung) geboten.
In meinem Beispiel bin ich vorwiegend an
dem Erwerb des Teppichs interessiert und das Ketteln stellt lediglich eine Nebenleistung
dar. Damit liegt ein Kaufvertrag vor.
Es ist auch kein Werklieferungsvertrag
gegeben, da der Teppich ja bereits hergestellt auf der großen Rolle im Geschäft
existiert und nur auf Maß geschnitten werden muss.
2. Vertragsschluss
Vielleicht könnte es ein Problem sein, dass
der Verkäufer im Geschäft minderjährig ist. Da der Geschäftsinhaber ein anderer
ist, reicht es aus, dass der Vertreter jedenfalls beschränkt geschäftsfähig ist,
§ 165 BGB.
Selbst wenn ich ihn für den Geschäftsinhaber halte, liegt doch ein
unternehmensbezogenes Geschäft vor, bei welchem der wahre Inhaber verpflichtet
wird. Die Offenkundigkeit ergibt sich hier konkludent, § 164 I 2 BGB, da der
Vertrag in den Geschäftsräumen erfolgte.
Also sind beim Vertragsschluss keine
Hindernisse gegeben.
3. Rücktritt
Nun zur Frage, ob ich vom Vertrag zurücktreten
kann, wenn der Teppich am Nachmittag nicht gekettelt sein sollte.
Bei
Vertragsschluss muss der Käufer nur deutlich machen, dass das Geschäft mit der
vereinbarten Lieferzeit stehen und fallen soll. Dann wäre für einen Rücktritt keine
Fristsetzung nötig (relatives Fixgeschäft). In einem solchen Fall liegt keine
Unmöglichkeit vor, aber der Rücktritt ist nach § 323 I, II Nr. 2 BGB ohne
Fristsetzung möglich. Die Leistung soll nach der Vereinbarung der Parteien
innerhalb eines bestimmten Erfüllungszeitraumes erfolgen, sodass das Geschäft
mit der Einhaltung des Leistungszeitraumes "stehen oder fallen soll".
Dabei kommt der Leistungszeit jedoch kein derart die Leistung prägender
Charakter zu, dass nach Ablauf des Erfüllungszeitraumes die Leistung nicht mehr
nachholbar und damit unmöglich wird.
Auf meinen Fall bezogen, habe ich dem Verkäufer
klar gemacht, dass ich nur heute das Auto für den Transport habe und an einer
Lieferung am nächsten Tag kein Interesse habe. Zwar wäre der Einbau des
Teppichs auch danach noch möglich, weshalb keine absolute Unmöglichkeit gegeben
ist. Aber der Liefertermin ist erkennbar von so großer Bedeutung für mich, dass
ich jedenfalls bei Nichtleistung ohne Fristsetzung zurücktreten kann. Damit fühle
ich mich auf der sicheren Seite.
4. Fazit
Wer wirklich an der Juristerei interessiert
ist, dem wird es im täglichen Leben sehr oft ähnlich ergehen. Man kann
derartige Gedanken gar nicht mehr abstellen. Aber das ist auch gut so, denn das
hilft beim Verstehen und Vertiefen der Problematik, weshalb der großen
Punktzahl im Examen nichts mehr im Wege steht.
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Ein sehr interessanter und lehrreicher Beitrag. Insbesondere die Übung von Abgrenzungskriterien für Verträge kann man problemlos in den Alltag übernehmen.
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