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Sonntag, 29. Oktober 2023

Sollte man die Note „Vollbefriedigend“ im Jurastudium abschaffen?

Sollte man die Note „Vollbefriedigend“ im Jurastudium abschaffen?Vor kurzem habe ich einen Artikel im Internet gefunden, der sich dafür aussprach, die Note „Vollbefriedigend“ im Jurastudium abzuschaffen.

In der Tat haben wir in Deutschland im Jurastudium eine besondere Art, Prüfungsarbeiten zu benoten. Es gibt nämlich zu den im Gymnasium gängigen Notenstufen die eben genannte zusätzliche Notenstufe. Dieses „hyperdifferenzierte Notensystem aus 18 Noten und sieben Notenstufen“ sei nicht mehr gerechtfertigt, so der Artikel.

Ist das wirklich das größte Problem an der Juristenausbildung?

Die Notenskala im Jurastudium


Bei der Gesamtnote im Jurastudium erhält man die Bewertung „Vollbefriedigend“ und damit gemeinhin ein „Prädikat“, wenn man nach § 2 JurPrNotSkV mindestens 9 Punkte erzielt hat. Dieses Ergebnis erreichen in etwa nur 15% aller Prüflinge. Die jährliche Statistik in der Juristenausbildung kann man hier einsehen.

Insgesamt kann man in jeder Prüfung maximal 18 Punkte erreichen. Das ist in der Tat ein sehr ausdifferenziertes System. Allerdings kann man damit auch sehr fein unterscheiden, wer in der Arbeit eine bessere Leistung erbracht hat. Mir scheint das nicht unbedingt der wichtigste Kritikpunkt an der juristischen Ausbildung zu sein.

Selbst wenn man die Notenstufe „Vollbefriedigend“ abschaffen würde, käme man doch zum selben Ergebnis, nämlich dass Korrektoren/innen schlicht nicht bereits sind, die Höchstnoten zu verteilen. Das ist der eigentliche Grund dafür, dass Spitzennoten im Staatsexamen kaum zu finden sind.

Es hat sich über Jahrzehnte eingespielt, dass man knausrig mit dem Austeilen von Punkten sein muss, was die oben angesprochene Statistik eindrucksvoll bestätigt.

Und letztlich hat sich der juristische Markt auch auf diese Besonderheit eingestellt. So kann man mit diesem „Vollbefriedigend“ ganz hervorragende Stellen in der Anwaltschaft oder der Justiz erhalten. Es stehen einem damit alle Türen offen.

Mir scheint, dass es eine psychologische Obergrenze gibt, die sich im Kopf der Prüfer/innen festgesetzt hat. Wer gibt schon gerne mehr Punkte, als er oder sie selbst im eigenen Staatsexamen erhalten hat. Die eigene Erfahrung fließt bei jeder Benotung sicherlich mit ein.

Wenn man nun die Notenskala verkleinert, würde sich das Problem nur nach unten verschieben. Dann erhält man eben statt einem „Vollbefriedigend“ nur ein „Befriedigend“. Ich kann mir angesichts der jahrelangen Praxis nicht vorstellen, dass dann plötzlich aus dem „Vollbefriedigend“ ein „Gut“ wird. Am grundsätzlichen Problem würde es somit wohl nichts ändern.


Umfang des Lernstoffs als Problem


Der Ansatzpunkt, die Juristenausbildung zu verbessern, muss deshalb ein anderer sein. In meinem Beitrag hier habe ich schon einmal auf den enormen Lernumfang im Jurastudium hingewiesen. Gerade weil die Stoffmenge viel zu groß ist, kann man im Staatsexamen einfach nicht alle Probleme perfekt lösen, um 18 Punkte zu erhalten.

Man muss das heutige Examen einmal mit der Prüfung vor 100 Jahren vergleichen. Damals waren die Klausuren eher auf dem Niveau einer Fortgeschrittenenklausur. Der Stoff ist dann in Laufe der Jahre immer weiter angewachsen. Man möge sich nur einmal das nunmehr geltende Kaufrecht mit seinen digitalen Bezügen ansehen. Auch das verbraucherschützende Widerrufsrecht ist äußerst umfangreich. Das Pauschalreiserecht wird immer differenzierter usw.

Wie wäre es also, wenn man den Stoff eingrenzt, wodurch eine bessere (und auch tiefere) Vorbereitung möglich wird und man dann auch bessere Noten vergeben kann? Bei einer solchen Vorgehensweise ist doch die Wahrscheinlichkeit sehr viel grösser, dass man in einer Prüfung wirklich gut vorbereitet ist und nicht in einer unendlichen Stoffmenge ertrinkt, bei der man nur versucht, die gesamte Materie möglichst breit abzudecken, ohne jemals die nötige Tiefe zu erreichen.


Echte Zwischenprüfungen


Auch empfiehlt es sich meiner Ansicht nach, dass man echte Zwischenprüfungen einführt, mit denen man Teile des Stoffs endgültig ablegt, sodass man sich dann auf andere Bereiche des Rechts konzentrieren kann.

Die heutige Regelung, dass der gesamte Stoff von der ersten Vorlesungsstunde an im Staatsexamen präsent sein muss, stellt viel zu hohe Anforderungen an die Jurastudierenden. Wer erst nach mehreren Jahren des Studiums im Examen endgültig durchgefallen ist, steht mit leeren Händen da. Bei echten Prüfungen vor diesem Zeitpunkt hätte man diese Situation vielleicht schon Jahre früher vermeiden können.

So ist es doch gängige Praxis, dass sich viele Rechtsanwälte/innen im späteren Berufsleben spezialisieren. Wer etwa Fachanwalt/in für Mietrecht wird, hat mit dem Öffentlichen Recht kaum noch zu tun. Wer Strafverteidiger/in werden will, wird sich kaum noch für das Zivilrecht interessieren, was auch gar nicht mehr in allen Einzelheiten nötig ist.

Warum muss man im zweiten Staatsexamen in Bayern Steuerrecht beherrschen, wenn die meisten nach dem Abschluss ergriffenen Berufe damit gar nichts mehr zu tun haben? Warum soll man also nicht bereits im Jurastudium die Weichen für eine bestimmte Spezialisierung stellen können?

Einen ersten Schritt hat man ja inzwischen schon gemacht, indem man den Schwerpunktbereich aus dem Staatsexamen ausgegliedert hat, wodurch man sich separat auf diese Prüfung vorbereiten kann. Das gab es zu meiner Studienzeit leider noch nicht.


Fazit


Insgesamt ist es zu begrüßen, wenn man sich überhaupt Gedanken zur Reform der Juristenausbildung macht. Sicherlich kann man dabei auch über die eigentümliche Notenskala sprechen. Wichtiger erscheinen mir aber die Eingrenzung des Stoffs und die Einführung von echten Zwischenprüfungen.

Haben Sie, liebe Leser/innen, einen besseren Vorschlag? Ich würde ihn gerne hören.


Hier sind weitere Artikel rund ums Lernen im Jurastudium zu finden:

Jura im Urlaub

Das Lernen im Jurastudium

Lerntipps




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