Deshalb will ich im folgenden Beitrag den quasinegatorischen Unterlassungsanspruch anhand einer Gerichtsentscheidung genauer betrachten.
1. Negatorische Unterlassungsansprüche
In den Vorschriften der §§ 1004, 862, 12 BGB sind ausdrücklich sogenannte negatorische Unterlassungsansprüche geregelt. Diese wäre dann als Anspruchsgrundlage heranzuziehen, wenn das dort genannte Rechtsgut betroffen ist.
Allgemein
besteht aber Einigkeit, dass der Schutz des Einzelnen über die gesetzlich
geregelten Fälle hinaus erweitert werden muss, um auch andere Schutzgüter als
das Eigentum, den Besitz und den Namen zu gewährleisten. Die Vorschrift des § 823 BGB wäre für einen
Unterlassungsanspruch ungeeignet, nachdem sie lediglich den entstandenen
Schaden kompensieren soll.
2. Quasinegatorischer Unterlassungsanspruch
Demgemäß ist nach Schaffung durch die Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass alle absoluten Rechte und die in den §§ 823 ff. BGB geschützten Rechtsgüter vom Schutz des § 1004 BGB analog umfasst werden (BGH NJW 2008, 3565, Rn. 17; Schellhammer, Zivilprozess: Gesetz – Praxis – Fälle, 14. Auflage, 2012, Rn. 143).
Es liege nämlich eine Regelungslücke vor und es bestehe ein Regelungsbedürfnis, wobei die Situation des Eigentumsschutzes bei den deliktsrechtlich geschützten Rechtsgütern vergleichbar sei.
Somit wird bei dem negatorischen
Unterlassungsanspruch einfach das Wort „quasi“ eingefügt und die
Anspruchsgrundlage in § 1004 I 2 BGB analog iVm. § 823 BGB gesehen.
Anhand eines interessanten
Falls des Oberlandesgerichts Köln (NJW 2012, 8) sollen die
Tatbestandsvoraussetzungen dieses Anspruchs geprüft werden. Dort hatte ein Rechtsanwalt B einen anderen
Anwalt A als „Winkeladvokaten“ bezeichnet, weshalb Letzterer Unterlassung
begehrt hat.
Der A könnte gegen den B
einen Anspruch auf Unterlassung gem. § 1004 I 2 BGB analog, § 823 I, II BGB iVm. §185 StGB haben.
a) Rechtsgutsverletzung
Durch die Äußerung könnte
der B das allgemeine Persönlichkeitsrecht des A sowie das Schutzgesetz des § 185 StGB verletzt haben, wenn er diesen beleidigt hätte.
Das Allgemeine
Persönlichkeitsrecht schützt unter anderem die soziale Anerkennung des
Einzelnen, insbesondere auch gegen Äußerungen, die sich abträglich auf sein
Bild in der Öffentlichkeit auswirken können, d.h. eine Herabsetzung beinhalten
(BGH NJW-RR 2008, 913, Rn. 13). Wenn
eine Ehrverletzung im Sinne des Tatbestands der Beleidigung nach § 185 StGB
gegeben ist, liegt zugleich auch eine Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechtes vor (OLG Köln aaO).
Das OLG Köln nimmt
vorliegend eine Persönlichkeitsrechtsverletzung mit folgender Begründung an:
„Unter
einem Winkeladvokat ist jedenfalls derjenige zu verstehen, der eine Sache entsprechend
seinem Berufsstand nicht verantwortungsbewusst zu vertreten befähigt ist (BGH
Urteil vom 09.06.1970, Az.: VI ZR 18/69, Tz 10 - zitiert nach juris -). Dies
bedeutet, dass damit ein Rechtsanwalt gemeint ist, der eine mangelnde fachliche
Eignung aufweist und dessen Zuverlässigkeit zweifelhaft ist (vgl. BGH Urteil
vom 28.06.1962, Az.: I ZR 32/61 Tz 33 - zitiert nach juris -). Ferner ist
darunter derjenige zu verstehen, der sich zwar noch im Rahmen des geltenden
Rechts bewegt, aber dessen Grenzen in bedenklichem Maße austestet. Ein so
bezeichneter Rechtsanwalt verhält sich dabei nicht nur in zulässiger Weise
taktisch, sondern legt eine Verhaltensweise an den Tag, die „hart an der
Grenze“ ist, um für seinen Mandanten etwas „herauszuholen“. Dabei ist dem
Rechtsanwalt jeder „Winkelzug“ recht, um das für seinen Mandanten günstige
Ergebnis zu erreichen. Es geht also um den „gerissenen“ Rechtsanwalt, der
bereit ist, sich bei der Berufsausübung über Vorschriften hinwegzusetzen und
Recht zu verbiegen, wenn ihm dies zum eigenen Vorteil verhilft. Diese Deutung
misst auch der Beklagte selbst dem Begriff des Winkeladvokaten zu und räumt
ein, dass damit eine abwertende Konnotation verbunden ist.“
b) Rechtswidrigkeit
Die Handlung des Störers
muss zudem rechtswidrig sein. Es darf
also gerade keine Duldungspflicht gem. § 1004 II BGB gegeben sein.
Hier ist zu beachten, dass
es sich beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht um ein Rahmenrecht handelt, bei
dem die Rechtswidrigkeit nicht indiziert wird, sondern zunächst eine Abwägung
des Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 I, 2 I GG mit dem Schutz des
Äußerungsinteresses nach Art. 5 I GG erfolgen muss.
Allerdings findet eine
Abwägung nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs dann nicht statt, wenn
es sich bei der Äußerung um eine „Schmähkritik“ handelt, wobei strenge
Anforderungen zu stellen sind, und nicht mehr die Auseinandersetzung in der
Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits
polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger
gestellt werden soll (BGH NJW-RR 2008, 913, Rn. 20 ff.).
Eine solche Schmähkritik hat
das OLG Köln in diesem Fall offengelassen, da in jedem Fall schon die
erforderliche Interessenabwägung zum Nachteil des Störers ausging. Denn die Äußerung war für den Anlass und den
Kontext vollkommen unangemessen und unnötig.
Damit war die Rechtswidrigkeit zu bejahen.
c) Störer
Der Anspruchsgegner muss
sodann auch Handlungs- oder Zustandsstörer sein. Handlungsstörer ist derjenige, der die Eigentumsbeeinträchtigung
durch sein Verhalten, das heißt durch positives Tun oder pflichtwidriges
Unterlassen, adäquat verursacht hat (BGH NJW 2011, 753, Rn. 13). Ein Verschulden ist dabei nicht erforderlich
(Palandt-Sprau, BGB, 72. Auflage, § 1004 Rn. 13). Das ist hier unproblematisch der Fall.
d) Wiederholungsgefahr
Für den
Unterlassungsanspruch ist letztlich auch nötig, dass weitere Verletzungen
drohen. Wenn bereits ein Verstoß
vorangegangen ist, wird dies regelmäßig vermutet (BGH NJW 2004, 1035, unter II
2 a; BGH NJW 1986, 2503, 2505).
Im Übrigen reicht auch die
erste Verletzungsgefahr aus (Schellhammer, Zivilprozess: Gesetz – Praxis –
Fälle, 14. Auflage, 2012, Rn. 143).
e) Rechtsfolge
Der A hat einen Anspruch auf
Unterlassung gegen den B.
Hier sind weitere Artikel zum Deliktsrecht im Allgemeinen zu finden:
Die Billigkeitshaftung nach § 829 BGB
Die Gefährdungshaftung des Tierhalters gem. § 833 S. 1 BGB
Änderung
der Rechtsprechung zum Schockschaden
Die
deliktische Produzentenhaftung bei einem mit Herbiziden verunreinigten
Düngemittel
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