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Donnerstag, 26. März 2015

Der quasinegatorische Unterlassungsanspruch

Der quasinegatorische Unterlassungsanspruch bei Persönlichkeitsrechtsverletzung anhand einer Gerichtsentscheidung

In Klausuren findet sich des Öfteren die Problematik, dass eine Person von einer anderen die Unterlassung einer bestimmten Handlung verlangt.  Es fällt manchen Studierenden dann schwer, überhaupt die richtige Anspruchsgrundlage für dieses Begehren zu finden.  Denn Unterlassungsansprüche werden in der Ausbildung eher am Rande behandelt, sodass es lohnend erscheint, einen Teilbereich dieser Materie etwas näher zu beleuchten.

Deshalb will ich im folgenden Beitrag den quasinegatorischen Unterlassungsanspruch anhand einer Gerichtsentscheidung genauer betrachten.


1. Negatorische Unterlassungsansprüche


In den Vorschriften der §§ 1004, 862, 12 BGB sind ausdrücklich sogenannte negatorische Unterlassungsansprüche geregelt.  Diese wäre dann als Anspruchsgrundlage heranzuziehen, wenn das dort genannte Rechtsgut betroffen ist.

Allgemein besteht aber Einigkeit, dass der Schutz des Einzelnen über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus erweitert werden muss, um auch andere Schutzgüter als das Eigentum, den Besitz und den Namen zu gewährleisten.  Die Vorschrift des § 823 BGB wäre für einen Unterlassungsanspruch ungeeignet, nachdem sie lediglich den entstandenen Schaden kompensieren soll.


2. Quasinegatorischer Unterlassungsanspruch

 

Demgemäß ist nach Schaffung durch die Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass alle absoluten Rechte und die in den §§ 823 ff. BGB geschützten Rechtsgüter vom Schutz des § 1004 BGB analog umfasst werden (BGH NJW 2008, 3565, Rn. 17; Schellhammer, Zivilprozess: Gesetz – Praxis – Fälle, 14. Auflage, 2012, Rn. 143).

Es liege nämlich eine Regelungslücke vor und es bestehe ein Regelungsbedürfnis, wobei die Situation des Eigentumsschutzes bei den deliktsrechtlich geschützten Rechtsgütern vergleichbar sei.

Somit wird bei dem negatorischen Unterlassungsanspruch einfach das Wort „quasi“ eingefügt und die Anspruchsgrundlage in § 1004 I 2 BGB analog iVm. § 823 BGB gesehen.

 

Anhand eines interessanten Falls des Oberlandesgerichts Köln (NJW 2012, 8) sollen die Tatbestandsvoraussetzungen dieses Anspruchs geprüft werden.  Dort hatte ein Rechtsanwalt B einen anderen Anwalt A als „Winkeladvokaten“ bezeichnet, weshalb Letzterer Unterlassung begehrt hat.

 

Der A könnte gegen den B einen Anspruch auf Unterlassung gem. § 1004 I 2 BGB analog, § 823 I, II BGB iVm. §185 StGB haben.

 

a) Rechtsgutsverletzung


Durch die Äußerung könnte der B das allgemeine Persönlichkeitsrecht des A sowie das Schutzgesetz des § 185 StGB verletzt haben, wenn er diesen beleidigt hätte.

 

Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt unter anderem die soziale Anerkennung des Einzelnen, insbesondere auch gegen Äußerungen, die sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auswirken können, d.h. eine Herabsetzung beinhalten (BGH NJW-RR 2008, 913, Rn. 13).  Wenn eine Ehrverletzung im Sinne des Tatbestands der Beleidigung nach § 185 StGB gegeben ist, liegt zugleich auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes vor (OLG Köln aaO).

 

Das OLG Köln nimmt vorliegend eine Persönlichkeitsrechtsverletzung mit folgender Begründung an:

 

„Unter einem Winkeladvokat ist jedenfalls derjenige zu verstehen, der eine Sache entsprechend seinem Berufsstand nicht verantwortungsbewusst zu vertreten befähigt ist (BGH Urteil vom 09.06.1970, Az.: VI ZR 18/69, Tz 10 - zitiert nach juris -). Dies bedeutet, dass damit ein Rechtsanwalt gemeint ist, der eine mangelnde fachliche Eignung aufweist und dessen Zuverlässigkeit zweifelhaft ist (vgl. BGH Urteil vom 28.06.1962, Az.: I ZR 32/61 Tz 33 - zitiert nach juris -). Ferner ist darunter derjenige zu verstehen, der sich zwar noch im Rahmen des geltenden Rechts bewegt, aber dessen Grenzen in bedenklichem Maße austestet. Ein so bezeichneter Rechtsanwalt verhält sich dabei nicht nur in zulässiger Weise taktisch, sondern legt eine Verhaltensweise an den Tag, die „hart an der Grenze“ ist, um für seinen Mandanten etwas „herauszuholen“. Dabei ist dem Rechtsanwalt jeder „Winkelzug“ recht, um das für seinen Mandanten günstige Ergebnis zu erreichen. Es geht also um den „gerissenen“ Rechtsanwalt, der bereit ist, sich bei der Berufsausübung über Vorschriften hinwegzusetzen und Recht zu verbiegen, wenn ihm dies zum eigenen Vorteil verhilft. Diese Deutung misst auch der Beklagte selbst dem Begriff des Winkeladvokaten zu und räumt ein, dass damit eine abwertende Konnotation verbunden ist.“

 

b) Rechtswidrigkeit


Die Handlung des Störers muss zudem rechtswidrig sein.  Es darf also gerade keine Duldungspflicht gem. § 1004 II BGB gegeben sein.

 

Hier ist zu beachten, dass es sich beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht um ein Rahmenrecht handelt, bei dem die Rechtswidrigkeit nicht indiziert wird, sondern zunächst eine Abwägung des Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 I, 2 I GG mit dem Schutz des Äußerungsinteresses nach Art. 5 I GG erfolgen muss.

 

Allerdings findet eine Abwägung nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs dann nicht statt, wenn es sich bei der Äußerung um eine „Schmähkritik“ handelt, wobei strenge Anforderungen zu stellen sind, und nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll (BGH NJW-RR 2008, 913, Rn. 20 ff.).

 

Eine solche Schmähkritik hat das OLG Köln in diesem Fall offengelassen, da in jedem Fall schon die erforderliche Interessenabwägung zum Nachteil des Störers ausging.  Denn die Äußerung war für den Anlass und den Kontext vollkommen unangemessen und unnötig.  Damit war die Rechtswidrigkeit zu bejahen.

 

c) Störer


Der Anspruchsgegner muss sodann auch Handlungs- oder Zustandsstörer sein.  Handlungsstörer ist derjenige, der die Eigentumsbeeinträchtigung durch sein Verhalten, das heißt durch positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen, adäquat verursacht hat (BGH NJW 2011, 753, Rn. 13).  Ein Verschulden ist dabei nicht erforderlich (Palandt-Sprau, BGB, 72. Auflage, § 1004 Rn. 13).  Das ist hier unproblematisch der Fall.

 

d) Wiederholungsgefahr


Für den Unterlassungsanspruch ist letztlich auch nötig, dass weitere Verletzungen drohen.  Wenn bereits ein Verstoß vorangegangen ist, wird dies regelmäßig vermutet (BGH NJW 2004, 1035, unter II 2 a; BGH NJW 1986, 2503, 2505).

 

Im Übrigen reicht auch die erste Verletzungsgefahr aus (Schellhammer, Zivilprozess: Gesetz – Praxis – Fälle, 14. Auflage, 2012, Rn. 143).

 

e) Rechtsfolge


Der A hat einen Anspruch auf Unterlassung gegen den B.



Hier sind weitere Artikel zum Deliktsrecht im Allgemeinen zu finden:


Die Billigkeitshaftung nach § 829 BGB

Die Gefährdungshaftung des Tierhalters gem. § 833 S. 1 BGB

Änderung der Rechtsprechung zum Schockschaden

Die deliktische Produzentenhaftung bei einem mit Herbiziden verunreinigten Düngemittel





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