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Donnerstag, 12. Oktober 2023

Die Vorbereitung auf das 1. Juristische Staatsexamen anhand von Klassikern des BGH?

Lernen für das 1. Juristische Staatsexamen sollte nicht nur mit klassischen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs erfolgen


Im Internet ist die Frage aufgetaucht, wo man denn all die klassischen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zum Zivilrecht finden könne, um sich optimal auf das 1. juristische Staatsexamen vorbereiten zu können.

Sollte man die Vorbereitung auf das 1. Juristische Staatsexamen anhand von Klassikern des BGH vornehmen?

Der Fragesteller geht also offenbar davon aus, dass es erforderlich sei, alle möglichen Entscheidungen dieses Gerichts durchzuarbeiten, denn ansonsten sei man möglicherweise nicht ordentlich auf die Prüfung vorbereitet. Dazu hat er mittlerweile auch schon die auf bestimmten Webseiten genannten Klassiker durchgesehen, braucht aber jetzt noch mehr Entscheidungen.

In der Tat hat der Fragende darauf von einem anderen Mitglied des Forums eine ausführliche Antwort erhalten, die etliche Probleme aus dem Zivilrecht auflistet. Die Auflistung enthielt unter anderem derartige Stichworte:

„- Abhandenkommen beim Besitzdiener

- Scheingeheißerwerb (Hemdenfall)

- Lehre vom Nebenbesitz

- Reichweite des Akzessionsprinzips beim unentschuldigten Überbau (Realteilungstheorie etc.)

- Möglichkeit eines gutl. Zweiterwerbs der Vormerkung

- Verjährung des Hilfsanspruchs aus § 888 BGB“

Dies ist nur ein Ausschnitt der Auflistung.

Nun stellt sich die Frage, ob dies wirklich der ideale Weg ist, sich auf das Examen vorzubereiten, oder ob es sich nur um eine Scheinlösung handelt, die einem nur das Gefühl vermittelt, gut vorbereitet zu sein.

Zunächst einmal ist es doch sehr fraglich, wann man eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als „Klassiker“ bezeichnen kann. Wie sieht eine solche Definition aus? Wer entscheidet, dass ein Urteil in diese Kategorie fällt?

Vielleicht kann man sich daran orientieren, wie regelmäßig die Entscheidung in der Ausbildung als Lernbeispiel herangezogen wird. Das könnte ich noch am ehesten nachvollziehen. Oder eventuell kommt es auf die praktischen Auswirkungen des Richterspruchs im richtigen Leben an?

Wenn es um die Häufigkeit der Besprechung eines Urteils an den Universitäten geht, würden ja neuere Urteile ausscheiden, denn sie können gerade mal innerhalb einer nur kurzen Zeit Eingang in die Juraausbildung gefunden haben. Ein jahrelanges Wiederholen, sodass wirklich alle Studierenden den Fall kennen, kann hier noch gar nicht stattgefunden haben.

Auch die praktischen Auswirkungen erscheinen mir als Argument eher fragwürdig. So könnte man sicherlich das Urteil zur Behandlung von Fitnessstudioverträgen und Corona (hier zu finden) als enorm wichtig bezeichnen. Aber sind dort wirklich weltbewegende juristische Ausführungen zu finden, welche die Jurisprudenz in eine neue Richtung gebracht haben? Kann man einen ähnlichen Fall nur dann in einer Prüfungsarbeit vertretbar lösen, wenn man die Argumentation des Gerichts zur Unmöglichkeit und zum Wegfall der Geschäftsgrundlage kennt?

Sicherlich gibt es Entscheidungen (wie etwa die Trierer Weinversteigerung oder dem Fall mit dem Toilettenpapier oder gar den Haakjöringsköd-Fall), die man im Jurastudium auf jeden Fall kennen muss. Diese sind aber auch in jedem Lehrbuch zu finden, das sich mit dem jeweiligen Problembereich beschäftigt. Eine intensive Suche im Internet erscheint insoweit unnötig.

Es reicht meiner Ansicht nach vielmehr aus, wenn man sich diese in der Zahl beschränkten alten Richtersprüche anschaut und dann keine Suche nach neueren Klassikern unternimmt. Andernfalls wählt man schon den falschen Ansatz zur Examensvorbereitung und verschwendet viel kostbare Zeit.

Wie man aus der kleinen Stichprobe der oben genannten Themenbereiche ersehen kann, wäre eine solche Auflistung völlig uferlos. Man müsste sehr viel Zeit investieren in die Suche.

Aber auch das Durcharbeiten würde enorm aufwendig sein, denn aus dem Urteil selbst wird man nicht unbedingt darüber aufgeklärt, wie denn so etwas in einem rechtlichen Gutachten in der Ausbildung dargestellt werden müsste. Also wird man nach Besprechungen (oft von privaten Repetitorien) suchen müssen, die den Stoff examenstypisch aufbereiten. Wer hat so viel Zeit in der Examensvorbereitung?

Darüber hinaus werden Entscheidungen, die in der letzten Zeit als recht wichtig angesehen wurden, in den Prüfungsarbeiten im Examen regelmäßig abgewandelt und kommen zu einem anderen Ergebnis, sodass einem die Kenntnis eines bestimmen Urteils eher wenig nützt. Denn hier besteht die Gefahr, dass man sich stur auf das gelernte Urteil beschränkt und einen Sachverhalt mit Gewalt der dort gemachten Lösung zuführt. Dass dies nicht erfolgreich sein kann, dürfte auf der Hand  liegen.

Mein Vorschlag wäre eher der:

Man möge sich ein solides Grundwissen zu allen Themen zulegen, die Gegenstand der Prüfung sein können. Dann wendet man dieses Wissen praktisch an und nimmt insbesondere eine oft nötige Argumentation für oder gegen eine bestimme Lösung vor. Es ist deutlich wichtiger zu wissen, wie man Tatsachen und Argumente aus dem Sachverhalt verwertet, als dass man irgendeine Gerichtsentscheidung reproduziert.

Wer sich in der Examensvorbereitung befindet, hat heutzutage viele Möglichkeiten, sich einen kurzen Überblick über die neuesten Entscheidungen der Gerichte zu verschaffen. Diese werden von zahlreichen kommerziellen Repetitorien, aber auch in Ausbildungszeitschriften examensgerecht aufbereitet. Das reicht nach meiner Ansicht völlig als Teil der Vorbereitung auf die Prüfungen aus. Der Schwerpunkt des Lernens sollte darauf aber nicht beruhen.

Wie sehen Sie das, liebe Leser/innen? Laufen Sie jeder neuen Entscheidung nach oder beschränken Sie sich darauf, das Grundhandwerkszeug und eine eigene juristische Argumentationstechnik zu erlernen?


Zum Lernen auf Prüfungen hier ein kurzes Video



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