1. Teilnichtleistung
Wenn der Käufer die vom
Verkäufer nur teilweise übergebene Kaufsache annimmt, richtet sich der
Rücktritt nach § 323 V 1 BGB. Dann kann
er hinsichtlich des noch ausstehenden Teils zurücktreten, aber in Bezug auf den
ganzen Vertrag nur dann, wenn sein Interesse an der Teilleistung weggefallen
ist.
An dieser Stelle ist in der Literatur umstritten, wie die Situation zu beurteilen ist, wenn eine sogenannte verdeckte Mankolieferung vorliegt, also wenn der Käufer unwissend eine zu geringe Menge annimmt. Denn im Gewährleistungsrecht beim Kaufvertrag stellt seit der Schuldrechtsmodernisierung selbst die zu geringe Menge einen Sachmangel dar, § 434 III BGB.
Demgegenüber trennt das allgemeine
Leistungsstörungsrecht scharf zwischen einer Teil- und einer
Schlechtleistung. Nach § 323 V 2 BGB
wäre bei einer Schlechtleistung ein Rücktritt vom gesamten Vertrag schon unter
der deutlich erleichterten Bedingung möglich, dass der Mangel nicht unerheblich
ist, während bei einer Teilleistung ein sehr viel schwieriger darzulegender
Interessewegfall gem. § 323 V 1 BGB nötig wäre.
Es kommt dann zu einem Konflikt zwischen dem allgemeinen und dem
besonderen Schuldrecht, bei dem zu klären ist, ob es sich nun um eine
Teilleistung oder eine Schlechtleistung handelt.
Teilweise finden sich in der
Literatur Stimmen, die in der Tat den Rücktritt in diesem Fall allein nach §
323 V 2 BGB beurteilen wollen. Die
Gleichstellung der Zuweniglieferung mit einem Mangel in § 434 III BGB müsse für
das gesamte BGB gelten und einheitlich behandelt werden (Huber/Bach,
Examens-Repetitorium besonderes SR 1, 3. Auflage, 2011, Rn. 158;
Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 8. Auflage, 2009, Rn. 387). In der Folge könne der Käufer vom ganzen
Vertrag zurücktreten, wenn die noch ausstehende Menge nicht mehr nur
unerheblich sei.
Demgegenüber will die wohl
herrschende Ansicht in der juristischen Literatur die in § 434 III BGB
geregelte Fiktion eines Mangels bei der Anwendung des § 323 BGB im allgemeinen
Schuldrecht nicht vornehmen (Canaris JZ 2001, 499, 513; Lorenz NJW 2003, 3097,
3099; Palandt-Grüneberg, BGB, 71. Auflage, § 323 Rn. 24). Die Regelung in § 434 III BGB solle nur zu
einer Beschränkung des Nacherfüllungsanspruchs durch das Gewährleistungsrecht
führen und zudem eine Minderung des Kaufpreises erlauben. Wollte man hier an der Gleichstellung von
Zuweniglieferung und Mangel festhalten, würde ein wesentlicher
Anwendungsbereich der Vorschrift des § 323 V 1 BGB abgeschnitten. Es kommt also für einen Rücktritt vom
gesamten Vertrag darauf an, ob das Interesse des Gläubigers an der Leistung
insgesamt nicht mehr besteht. Damit sind
an einen gesamten Rücktritt deutlich höhere Anforderungen zu stellen.
Beispiel: Der Verkäufer sollte nach dem Vertrag
20 Artikel liefern, übergibt aber nur 15.
Nach der herrschenden Ansicht müsste der Käufer für einen Rücktritt
hinsichtlich des gesamten Vertrags den Wegfall des Interesses an der
Teilleistung darlegen, was deutlich schwieriger sein dürfte, als bloß eine
erhebliche Mengenabweichung geltend zu machen, die im Übrigen vom Gesetz
vermutet wird.
2. Teilschlechtleistung
Neben der oben behandelten
Situation gibt es aber auch noch die Fallgruppe, in welcher umstritten ist, ob
ein Käufer bei einer Teilschlechtleistung des Verkäufers einen Teilrücktritt
gem. § 323 V 1 BGB nur hinsichtlich des mangelhaften Teils erklären kann. Man könnte ihn hier eventuell lediglich auf
eine Minderung nach § 441 BGB verweisen oder aber einen Rücktritt nur insgesamt
unter der Einschränkung gem. § 323 V 2 BGB zulassen.
So argumentieren Teile der Literatur, dass die Minderung
ein spezielleres Gestaltungsrecht sei und deshalb einen Teilrücktritt
verdränge. Denn der Gesetzgeber habe in
der Schaffung der Minderung bei einer mangelhaften Kaufsache den Teilrücktritt
speziell geregelt, sodass der Teilrücktritt nach § 323 BGB nicht möglich
sei. Nach dieser Ansicht wäre dann das
Ergebnis denkbar, dass zwar kein Teilrücktritt zulässig ist, aber dennoch der
mangelhafte Teil auf null gemindert werden könnte, sodass der Käufer letztlich
wie bei einem Teilrücktritt stehen würde.
Eine Minderung mit vollständigem Wegfall des Kaufpreises bei
Wertlosigkeit des mangelhaften Kaufgegenstands ist möglich, sodass der Käufer
die Sache an den Verkäufer herausgeben muss (Palandt-Weidenkaff, BGB, 71.
Auflage, § 441 Rn. 16). Im Fall einer
teilbaren Kaufsache müsste der Käufer dann nach § 346 I BGB analog diesen
mangelhaften Teil an den Verkäufer herausgeben.
Nach einer anderen Ansicht in der Literatur sei
immer nur ein Gesamtrücktritt möglich, der allerdings gem. § 323 V 2 BGB
beschränkt sei (Jaensch, Grundzüge des bürgerlichen Rechts, 3. Aufl., 2012, Rn.
576 f.). Also könne der Käufer bei einem
erheblichen Mangel nur insgesamt vom Vertrag zurücktreten oder bei einem
unerheblichen Mangel überhaupt nicht (OLG Celle ZGS 2004, 74). Die teilweise Nichtleistung könne nicht wie
die teilweise Schlechtleistung behandelt werden, weil ansonsten die Vorschrift
des § 323 V 2 BGB ihres Anwendungsbereichs beraubt werde. Im Gesetz sei bei der Schlechtleistung in §
323 V 2 BGB gerade keine Unterscheidung zwischen teilbaren und nicht teilbaren
Leistungen vorgenommen worden. Vielmehr
sei bei einem unerheblichen Mangel ein Rücktrittsrecht insgesamt ausgeschlossen.
Letztlich wird von einer überzeugenden Meinung im Schrifttum ein
Teilrücktritt zugelassen. Sofern sich
also aus dem Willen der Parteien bei Vertragsschluss ergibt, dass eine teilbare Leistung geschuldet ist, kann
ein Teilrücktritt bei einem Mangel erfolgen (Lorenz NJW 2003, 3097, 3098;
Palandt-Grüneberg, BGB, 71. Auflage, § 323 Rn. 27). Man müsse insoweit die Teilschlechtleistung
mit der Teilnichtleistung gleichstellen, weshalb der Rücktritt hinsichtlich des
mangelhaften Teils nach § 323 V 1 BGB bei Interessewegfall möglich sei.
Diese letzte Ansicht
erscheint überzeugend. Denn in der Tat
ist die Situation für den Käufer dieselbe, wenn der Verkäufer bei vertraglich
geschuldeten zehn Artikeln nur sieben mangelfreie und drei mangelhafte übergibt
oder wenn er sogleich nur sieben Artikel verschafft.
Beispiel: Der Verkäufer soll insgesamt zehn
Fässer Bier liefern. In der ersten
Lieferung von drei Fässern sind alle mangelhaft. Die zweite Lieferung von sieben Fässern ist
beanstandungslos. Hier muss dem Käufer
das Recht eingeräumt werden, von dem mangelhaften Teil des Vertrags
zurückzutreten, wenn dieser gem. § 323 V 2 BGB erheblich ist, was angesichts
der Menge hier bejaht werden kann.
Sofern er dann an dem eingeschränkten Leistungsaustausch von sieben
mangelfreien Fässern nach § 323 V 1 BGB kein Interesse hat, kann er auch
insgesamt vom Kaufvertrag zurücktreten.
Hier sind weitere Artikel zum Kaufrecht zu finden
Die Nacherfüllung beim Kaufvertrag
Die Feinheiten des § 442 I 1 BGB
Der Verschleiß als Mangel der Kaufsache
Frist zur Nacherfüllung und zweite Gelegenheit zur
Nachbesserung
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