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Sonntag, 13. Januar 2019

Das Richteramt als Traumberuf?

Das Richteramt wird kritisch anhand einer persönlichen Stellungnahme betrachtet, obwohl es allseits als Traumberuf bezeichnet wird
Wenn man sich einmal an der Uni umhört oder in juristischen Foren umschaut, sieht man schnell, dass viele angehende Juristen und Juristinnen sich Gedanken über das Ende der Ausbildung machen und versuchen, ihre Berufsaussichten abzuschätzen.

Dabei wird das Richteramt oft als Traumberuf angegeben.

Das Richteramt als Traumberuf?


Die meisten Studierenden wollen natürlich wissen, was am Ende der langen und schweren Ausbildung auf sie zukommt, denn man will ja schließlich auch einmal Geld verdienen und nicht nur zum Spaß studieren.

Häufig wird dann das Richteramt als Traumberuf genannt. Auch ich habe noch in dem Vorgespräch zur mündlichen Prüfung im ersten Staatsexamen der Vorsitzenden auf ihre Frage hin geantwortet, dass ich gerne Jugendrichter werden würde.

Knapp 27 Jahre später muss ich eingestehen, dass dieses Amt eines der letzten ist, das ich innehaben möchte. Für meinen damaligen Traum fehlte mir einfach jede Grundlage, um eine fundierte Aussage über meinen Berufswunsch zu machen.

Im Folgenden will ich deshalb versuchen, etwa mehr Licht ins Dunkel zu bringen, falls sich der ein oder andere Gedanken über die berufliche Zukunft in der Justiz macht, so er/sie denn die Voraussetzungen für eine Einstellung erfüllt hat.

Es geht dabei vornehmlich um den Einstieg an einem Amtsgericht und weniger um die Arbeit in einer Kammer oder einem Senat. Meine Beschreibung soll diesen Beruf einmal etwas kritischer/realistischer betrachten und nicht so verklärt darstellen, wie dies gängigerweise getan wird.

Zunächst einmal ist es natürlich ein großes Plus, dass man nach erfolgreicher Probezeit als Richter auf Lebenszeit ernannt wird und dann eine berufliche Sicherheit erlangt, die man sonst kaum findet.

Ein festes Gehalt, das allein schon wegen des fortschreitenden Alters regelmäßig erhöht wird, ist auch erfreulich. Soziale Absicherung und Ansehen in der Gesellschaft sind alles wunderbare Dinge, aber damit ist noch nichts gesagt über den Alltag der richterlichen Arbeit.

Wer sich die Tätigkeit des Richters so vorstellt, wie sie in vielen Serien und Filmen in Hollywood dargestellt werden, wird in der Praxis schnell ein böses Erwachen haben. In Deutschland sieht die Sache ganz anders aus.

Am Anfang hat man einen steinigen Weg in der Probezeit zu begehen. Diese dauerte bei meiner Einstellung drei Jahre und war äußerst belastend. Eine so lange Probezeit findet man in der freien Wirtschaft selten.

Während dieser Phase muss man ständig sein Bestes geben und wird doch als Anfänger einfach ins kalte Wasser geworfen. In der gesamten juristischen Ausbildung erhält man keine wirklich brauchbare Anleitung, wie man denn etwa die zahlreichen Verfügungen (also Anweisungen an die Geschäftsstelle, wie mit der Akte weiter zu verfahren ist) trifft.

Auch das Ansetzen von Verhandlungsterminen stellt eine schwierige Aufgabe dar, denn am Anfang hat man keine Ahnung, wie lange denn jede Verhandlung dauern wird. In der Sitzung selbst wird schnell klar, dass man in der Ausbildung wiederum keinerlei ernsthafte Vorbereitung auf die Leitung derselben erhalten hat. Ein einmaliges Rollenspiel oder eine kurze Sitzungsvertretung im Referendariat sind nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Jeder weiß, dass Anwälte und Anwältinnen viele Stunden pro Tag investieren müssen, um eine erfolgreiche Kanzlei zu führen. Deshalb mag manch einer denken, man könne ja Richter werden und dann eine ruhige Kugel schieben. Das ist weit gefehlt.

Das Fach in der Geschäftsstelle, in welches jede/r Richterin seine/ihre Akten gelegt bekommt, läuft schnell über, wenn man es nicht ständig leert. Die schier unendliche Anzahl an neuen Fällen kann erdrückend wirken. Es geht dann vornehmlich darum, die Fälle möglichst schnell zu erledigen.

Der Erfolg oder Misserfolg in der Probezeit wird auch und sogar zu einem bedeutenden Teil dadurch bestimmt, wie viele Verfahren man pro Monat erledigt hat. Da hört man dann oft die Floskel: „Schnelles Recht ist gutes Recht.“ Für eine intensive Auseinandersetzung mit allen Details des Falls ist das sicherlich nicht förderlich.

Ein weiteres wunderbares Beispiel für eine große Arbeitsbelastung stellen die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dar. Solche kommen immer wieder ausgerechnet am Freitagnachmittag bei Gericht an und wollen umgehend behandelt werden.

Dann muss man als Richter/in in der Tat aus der Hüfte schießen, ohne dass man viel Zeit für rechtliche Recherchen etc. hat. Über derartige Situationen findet man bei der Beschreibung des Richteramts kaum Informationen.

Nicht zu unterschätzen ist auch das Damoklesschwert der Berufung gegen ein gefälltes Urteil. Gerade als junger Richter oder als junge Richterin muss man vorsichtig sein mit eigenen rechtlichen Ansichten.

Zwar ist der Richter bei seiner Entscheidungsfindung nur an Recht und Gesetz gebunden, was in der Verfassung in Art. 20 III, 97 I GG verankert ist. Wie das Gesetz zu interpretieren ist, wird aber bekanntermaßen oft ganz unterschiedlich beurteilt.

Man hat also keine Carte Blanche, mit der man auch jede abstruse Mindermeinung vertreten kann, denn spätestens in der Berufungsinstanz wird eine solche Entscheidung aufgehoben. Bei der Beurteilung in der Probezeit werden dann auch die erfolgreichen Berufungen negativ berücksichtigt.

Am Ende der Probezeit kann man fast sicher sein, dass man zur Staatsanwaltschaft geschickt wird, denn das erweitert den Spielraum für das Justizministerium, über die weitere Karriere des jungen Juristen zu entscheiden.

Dort hat man keine richterliche Unabhängigkeit, aber dafür umso mehr Vorgesetzte, die einem auftragen, was zu machen ist. Oft muss man dann viele Jahre in dieser Behörde arbeiten, bis man eine Stelle als Richter erhält. Manch einer verlässt die Staatsanwaltschaft nie mehr.

Aber selbst wenn man die Probezeit erfolgreich überstanden hat, gibt es weiterhin problematische Aspekte für die Zukunft. So hat man bei der Ernennung zum Richter auf Lebenszeit regelmäßig keinerlei Einfluss darauf, an welchen Ort man denn geschickt wird.

Nur eins ist klar, man bleibt innerhalb des Bundeslands, in welchem man sich beworben hat. Es kommt bei der Entscheidung allein darauf an, an welcher Stelle die Justiz einen Bedarf an neuen Richtern hat.

Wer gerne in einer größeren Stadt arbeiten möchte, wird oft an einem kleinen Amtsgericht auf dem Land ernannt. Ein späterer Wechsel kann unter Umständen Jahre dauern, sodass der Unterschied zur Freiheit der Ortswahl für einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin deutlich wird.

Nachdem die Einstellung in der Justiz Ländersache ist, kann man sich vorstellen, wie enorm schwer sich ein Wechsel von einem Bundesland in ein anderes gestaltet, wenn er überhaupt jemals möglich ist.

Aber auch die Arbeit selbst bleibt stressig. Wie bereits oben angedeutet, haben viele junge Juristen/innen eine Fehlvorstellung über die Stellung als Richter/in.

Wenn man sich Filme aus den USA ansieht, in denen der Richter wie ein Halbgott agiert und Leute aus „seinem“ Gerichtssaal wirft, kann man nur mit dem Kopf schütteln. Eine solche Machtstellung kommt dem deutschen Richter nicht ansatzweise zu.

Vielmehr muss man gefühltermaßen wie auf Eierschalen gehen, um auch niemanden in seinen Rechten (insbesondere das rechtliche Gehör) oder Gefühlen zu verletzen. Wer etwa in der Verhandlung einen zu rauen Ton anschlägt, sieht sich sogleich einem Antrag auf Ablehnung wegen Befangenheit ausgesetzt.

Solche Anträge sind äußerst lästig, denn sie verzögern das Verfahren und führen zu einem sehr angespannten Verhältnis in der Zukunft. Wer übrigens in der Probezeit von sich reden macht, indem er viele solche Anträge einfängt, wird sich dem Zorn des Beurteilenden im Zeugnis aussetzen.

Nicht nur der falsche Ton, sondern auch vom Gesetz sehr wohl eingeräumte Möglichkeiten der Durchführung des Zivilprozesses können von den Parteien (oder vielmehr deren Anwälten) als Benachteiligung aufgefasst werden.

Wer wendet denn z.B. heutzutage ernsthaft die Verspätungsregelungen im Zivilprozess an? Oder wer führt tatsächlich einmal eine formale Parteivernehmung durch, wenn er nicht sofort einen Befangenheitsantrag kassieren will? Ein richterlicher Hinweis am Amtsgericht gem. § 139 ZPO (insbesondere bei einer Verjährung) wird oft von der einen Partei begrüßt, während die andere darin eine Befangenheit sieht.

Nun gibt es unter uns Menschen solche, die gerne mit anderen in Kontakt treten und solche, die sich eher etwas zurückziehen. Letztere mögen sich sagen lassen, dass auch das Richteramt kein Job ist, in dem man in seinem stillen Kämmerlein sitzt und mit anderen Leuten nichts zu tun hat.

Gerade am Amtsgericht muss man mitunter zwei Tage pro Woche für Verhandlungstermine freihalten. Und in solchen Sitzungen könnte der Kontakt mit andern Menschen nicht intensiver sein, denn dort wird oft richtig gestritten.

Aber selbst an den restlichen Tagen der Woche erhält man ständig Anrufe von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen, die Auskunft über irgendein Verfahren haben wollen. Sogar manche Parteien eines Verfahrens kommen persönlich im Büro vorbei, da sie mit dem Richter reden wollen. Für introvertierte Personen dürfte der Beruf deshalb weniger geeignet sein.

Bei vielen Menschen herrscht auch die Vorstellung, dass der Richter in jedem Fall eine äußerst komplizierte rechtliche Prüfung vornehmen muss, was ein Anreiz sein kann, diesen Beruf zu ergreifen. Immerhin trainiert man genau das während der gesamten juristischen Ausbildung.

In der Praxis ist auch das weit gefehlt. Die meisten Fälle sind von der materiell-rechtlichen Lage her völlig eindeutig. Selbst wenn es einmal zu einem Problem andere Meinungen im juristischen Schrifttum gibt, sind diese anders als an der Universität meistens unbeachtlich. Primär zählt die Ansicht des Bundesgerichtshofs.

Es geht im Zivilprozess allerdings vornehmlich um die Beweiserhebung. Das mag die ersten paar Mal aufregend sein, wenn man dann aber in beinahe jedem Verfahren etliche Zeugen vernehmen muss, wird die Sachen schnell alt.

Die Situation ist im Übrigen auch an einem Oberlandesgericht nicht wesentlich anders. Wer dort einmal einen Bauprozess verfolgt hat, in welchem 300 Mängel an einem Bauwerk von einem Sachverständigen begutachtet wurden und die dann in der Vernehmung im Einzelnen durchgegangen werden müssen, kann sich ein Bild von der tatsächlichen Arbeit des Richters machen.

Abschließend will ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Stellung des Richters von jedem Einsteiger ganz persönlich wahrgenommen und beurteilt wird und ich hier nur meine eigenen Erfahrungen und Eindrücke wiedergegeben habe.

Das Vorstehende soll auch niemanden davon abhalten, sich in der Justiz zu bewerben. Nachdem man aber nur schwer eine realistische Beschreibung der täglichen Arbeit des Richters findet, soll eine solche an dieser Stelle zur Information und besseren Vorbereitung auf den Beruf dienen.









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