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Dienstag, 8. Januar 2019

Neues Jahr – Neuer Fitnessstudiovertrag

Zu Beginn des neuen Jahres werden wieder zahlreiche Verträge über die Nutzung eines Fitnessstudios abgeschlossen, um die guten Vorsätze zu verwirklichen.  Dieser Fitnessstudiovertrag birgt einige rechtliche Risiken in sich.

Ein Fitnessstudiovertrag kann außerordentlich bei Krankheit gekündigt werden, aber nicht bei einem Umzug


In juristischen Foren findet man z.B. oft die Frage, ob ein Mitglied, das einen Fitnessstudiovertrag über einen bestimmten Zeitraum abgeschlossen hat, diesen Vertrag vorzeitig und fristlos aus wichtigem Grund kündigen kann.  Vornehmlich geht es dabei um einen Umzug des Kunden.

Allzu oft wird dann in den Antworten pauschal ein erstinstanzliches Urteil (und mittlerweile eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs) genannt und die dort getroffene Entscheidung als allgemein verbindlich dargestellt.  Dieses eher für die Praxis bedeutsame Problem eignet sich aber dennoch gut als Anschauungsmaterial für die in der Juristerei enorm wichtige eigene Argumentation, die eine Kernfähigkeit darstellt.

Insbesondere in Fällen, in denen es um das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ im Rahmen einer Kündigung geht, reicht das Zitat eines Urteils nicht aus, sondern hier muss der/die Student/in zeigen, dass er/sie verschiedene Interessen abwägen kann und nicht lediglich auf den Tenor einer Entscheidung verweist, wofür man in einer Klausur oder Hausarbeit kaum Punkte erhalten wird.

Gerade die inzwischen ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu diesem Thema (BGH NJW 2016, 3718) bietet sich für eine kritische Stellungnahme an, die das eigentlich Wichtige für die juristische Ausbildung in den Vordergrund stellt.  Es handelt sich bei dem Urteil wohl nicht um eine bahnbrechende Entscheidung, sie ist aber für Jurastudierende durchaus von Interesse und wurde weithin in der Literatur besprochen.

Soweit ich das sehe, hat das juristische Schrifttum mit dem Urteil kein Problem.  Einzig in der Online-Zeitschrift Jura Studium & Examen (JSE 2016, 135, 136) finden sich am Ende der Urteilsbesprechung kritische Anmerkungen.

Die folgenden Ausführungen sollen dabei weniger ein Plädoyer für die Anerkennung eines außerordentlichen Kündigungsgrundes in diesem speziellen Fall sein (obgleich ich meine Ansicht dazu nicht verhehlen will), als vielmehr die Bedeutung der Abwägung der Argumente und Begründung einer eigenen Ansicht in einer Prüfungsaufgabe in den Vordergrund stellen.

1. Rechtsnatur des Vertrags

Um die vorzeitige Beendigung des Vertrags prüfen zu können, muss vorab geklärt werden, um was für einen Vertrag es sich eigentlich handelt, wenn man sich über den Abschluss eines Fitnessstudiovertrags einigt.  Der Bundesgerichtshof hat dabei in seiner Entscheidung unter Rn. 11 ausgeführt:

„Unabhängig von der rechtlichen Einordnung eines Fitnessstudiovertrags als Miet-, Dienst- oder typengemischter Vertrag handelt es sich dabei allerdings um ein Dauerschuldverhältnis, bei dem dem Kunden ein Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund zusteht. In den Vorschriften der §§ 626 Abs. 1, 543 Abs. 1 und 314 Abs. 1 BGB kommt der von der Rechtsprechung und Lehre entwickelte allgemeine Grundsatz zum Ausdruck, dass den Vertragsparteien eines Dauerschuldverhältnisses stets ein Recht zur außerordentlichen Kündigung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zusteht (Senatsurteil vom 8. Februar 2012 - XII ZR 42/10 - NJW 2012, 1431 Rn. 27 mwN).“

Richtigerweise liegt hier wohl ein typengemischter Vertrag vor, der sich aus miet­ und dienstvertraglichen  Elementen zusammensetzt (Palandt-Weidenkaff, BGB, 71. Auflage, 2012, Einf. vor § 535, Rn. 36).  Denn neben der Gebrauchsgewährung der Geräte werden auch oft Trainingseinheiten mit einem im Studio angestellten Trainer vereinbart, woraus sich die dienstvertragliche Komponente ergeben kann.  Gleiches kann sich daraus ergeben, dass der Betreiber auch eine Einweisung des Kunden in den Gebrauch der Geräte, sowie eine Beratung und Beaufsichtigung schuldet.

Ein typengemischter Vertrag folgt dann nach der Absorptionstheorie den rechtlichen Regelungen des Schwerpunkts des Rechtsgeschäfts (BGH NJW 2010, 150), der hier sicherlich im mietvertraglichen Bereich liegt (konkret für den Fitnessstudio-Vertrag: OLG Brandenburg NJW-RR 2004, 273).

Aber auch nach der teilweise in der Literatur vertretenen Ansicht, dass eine Lösung jeweils im Einzelfall anhand von Sinn und Zweck des Vertrages zu finden ist, sind bei der Auflösung des Vertrages die Regelungen des Vertragstyps heranzuziehen, die den Schwerpunkt bilden.  Auch hier wäre somit eine Anwendung des Mietrechts geboten, da es um eine Kündigung des Vertrags geht.

Jedenfalls aber für den Fall, dass keine Unterrichts- oder anderen Dienstleistungen des Studiobetreibers bestehen und der Vertrag nur die Nutzung der Geräte und Räumlichkeiten vorsieht, liegt nach dem Bundesgerichtshof ein reiner Gebrauchsüberlassungsvertrag vor (BGH NJW 2012, 1431, Rn. 19 ff.), der nach Mietrecht zu beurteilen ist.

Im Ergebnis wird man also hinsichtlich der Rechtsnatur oder zumindest bei der Beurteilung der Beendigung des Vertrags von der Anwendung des Mietrechts ausgehen müssen, sodass sich die Kündigung als spezialgesetzliche Regelung zu § 314 BGB nach § 543 BGB richtet.

Es überzeugt jedenfalls für die juristische Ausbildung nicht, wenn man hier allgemein ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund anführt, obgleich man den Fall ohne weiteres hinsichtlich der Beendigung dem Mietrecht unterstellen kann und sich dann zwingend auf die speziellere Vorschrift des § 543 BGB berufen muss, sodass der Weg über § 314 BGB versperrt ist.  Letztere Vorschrift ist vielmehr bei nicht im BGB geregelten Dauerschuldverhältnissen anzuwenden, wie etwa beim Franchisevertrag.

Letztlich führen alle vom Bundesgerichtshof genannten Vorschriften aber zur selben Abwägung, die im Folgenden durchzuführen ist.  Eine Beendigung des Vertrags nach der Störung der Geschäftsgrundlage oder dem TKG soll dabei außer Betracht bleiben.

2. Außerordentliche Kündigung

Fraglich ist nun, ob das Mitglied den Vertrag außerordentlich und fristlos wegen des Vorliegens eines wichtigen Grundes kündigen kann.

Wenn man also von der Anwendung der mietvertraglichen Vorschriften ausgeht, richtet sich die Kündigung nach § 543 I 1, 2 BGB, die einen solchen wichtigen Grund fordert.  Dieser ist gegeben, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Zur Allgemeinbildung soll hier noch darauf hingewiesen werden, dass ein Dauerschuldverhältnis immer aus wichtigem Grund gekündigt werden kann.  Dieses Recht kann also auch nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen abbedungen werden (BGH NJW 1986, 3134).

Dazu gibt es bei der Kündigung aus gesundheitlichen Gründen (sofern dadurch eine Nutzung dauerhaft ausgeschlossen wird) bereits eine höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der das Mitglied vorzeitig kündigen darf und auch nicht verpflichtet ist, die konkrete Art und den Umfang der Krankheit dem Studiobetreiber nachzuweisen, wenn jedenfalls ein ärztliches Attest vorgelegt wird (BGH NJW 2012, 1431, Rn. 37 ff.).  Das soll hier nicht näher erörtert werden.

Hinsichtlich der Kündigung wegen eines Umzugs des Mitglieds gab es lange Zeit noch keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.  Zwar ist eine solche nunmehr ergangen.  Erst recht kommt jetzt der Abwägung der beiderseitigen Interessen im Einzelfall eine große Bedeutung zu.

In einer Klausur oder Hausarbeit sollte man nicht von einer „eindeutigen Rechtsprechung“ reden und diese Entscheidung ohne weitere Erörterung als Ersatz für eine Begründung anführen.  Denn in Prüfungsarbeiten werden solche Entscheidungen regelmäßig abgewandelt, sodass es um eine Abwägung in diesem konkreten Fall geht.

Gerade Studierende lassen sich leicht dazu verleiten, solche absoluten Behauptungen aufzustellen, weil sie die eine oder andere Gerichtsentscheidung zu diesem Thema gelesen haben.  Es erscheint deshalb angebracht, darauf hinzuweisen, sich die jeweiligen Urteilsgründe genau anzusehen.  Dann wird man feststellen, dass die Gerichte regelmäßig betonen, dass es sich um eine reine Einzelfallentscheidung handelt, bei welcher alle Umstände dieses konkreten Einzelfalls berücksichtigt wurden.  In einer Klausur wäre also erst an dieser Stelle die größte Argumentationsarbeit zu leisten.  Wie man sich dann entscheidet, spielt keine Rolle.

Das Gericht macht diesbezüglich auch bereits im Tenor deutlich, dass es immer auf den Einzelfall ankommt (Hervorhebung nur hier):

Allein der Umstand, dass der Kunde eines Fitnessstudios berufsbedingt seinen Wohnort wechselt, vermag eine außerordentliche Kündigung seines Vertrags nicht zu rechtfertigen…“

Im Rahmen der Begründung erfolgt dann eine Unterscheidung, in wessen Risikosphäre der Kündigungsgrund liegt.  Vielerorts wird der Umzug des Mitglieds mangels besonderer Umstände der Privatsphäre des Kunden zugeordnet, sodass kein wichtiger Grund für die Kündigung gegeben sei, denn der Studiobetreiber habe darauf keine Einflussmöglichkeit.

Das Ergebnis mag sich begründen lassen.  So insbesondere, wenn das Mitglied schon bei Vertragsschluss wusste, dass es in Kürze in eine andere Stadt umziehen wird, da hier aufgrund des vorsätzlichen Verhaltens eine Fortsetzung des Vertrags zumutbar ist.  Dann dürften die Interessen des Studiobetreibers an dem Fortbestand des Vertrags regelmäßig diejenigen des Kunden an einer vorzeitigen Beendigung überwiegen.

Andererseits sind auch Fälle denkbar, in denen der Kunde aus nicht vorhersehbaren beruflichen Gründen in eine weit entfernte Stadt ziehen muss und der Studiobetreiber dort keine Fitnessräume zur Verfügung stellt.  Dann könnte das Ergebnis möglicherweise anders ausfallen.  Insofern überzeugt es nicht, wenn der Bundesgerichtshof lapidar anmerkt, dass es keinen Unterschied mache, ob der Kunde bei Abschluss des Vertrags von dem späteren Umzug gewusst habe oder nicht (Rn. 21).  Wenn er diese Kenntnis zunächst nicht hatte, lägen zwar Umstände vor, die er hätte beeinflussen können und die damit in seinen Verantwortungsbereich fallen.  Aber wie soll die Beeinflussung dann aussehen?  Soll er etwa seine Arbeitsstelle nicht antreten, weil er einen Nutzungsvertrag geschlossen hat?  Im Rahmen der Argumentation könnte neben anderen Kriterien Folgendes in einer Prüfungsaufgabe ausgeführt werden:

So gibt es denn auch eine abweichende Rechtsprechung zum Umzug, die dem Kunden des Studiobetreibers eine Kündigung aus wichtigem Grund zugesteht, wenn der Ehegatte des Kunden berufsbedingt in eine weit entfernte Stadt umziehen muss (AG München, Urteil v. 17.12.2008, Az. 212 C 15699/08).  Hier wäre der Verweis auf die Risikosphäre des Kunden zu einfach und zu oberflächlich, da der eine Ehegatte faktisch gezwungen ist, dem umziehenden Ehegatten zu folgen.  Er hat demnach nicht wirklich eine eigene Entscheidungsmöglichkeit bezüglich des Ortswechsels.

Auch der Bundesgerichtshof räumt ein, dass eine fristlose Kündigung in Ausnahmefällen möglich ist, wenn der Kündigungsgrund aus der eigenen Interessensphäre des Kündigenden herrührt (BGH NJW-RR 2011, 916, Rn. 9).  So kann beispielsweise selbst das Vorliegen einer Schwangerschaft ein Grund zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages sein (BGH NJW 2012, 1431, Rn. 38), was doch zweifelsfrei auch (und ausschließlich) in den Risikobereich des Kunden fällt.  Man könnte deshalb bei einem zur Zeit des Vertragsschlusses nicht vorhersehbaren Umzug des Mitglieds einen solchen Ausnahmefall annehmen, bei dem dann eine krasse Äquivalenzstörung der vertraglichen Leistungen vorliegt, wenn der Kunde keine Möglichkeit mehr hat, die Leistung des Betreibers in Anspruch zu nehmen, da ihm die weitere Anreise nicht zumutbar ist.  Dann läge ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung vor.

Letztlich wird bei der Abwägung oft übersehen, dass die Verträge über die Nutzung des Fitnessstudios regelmäßig Mindestlaufzeiten enthalten, sodass der Kunde – so er denn überhaupt einen Vertrag schließen will – diese lange Laufzeit hinnehmen muss (so zu Recht Forschner JSE 2016, 135, 136).  Oft besteht überhaupt keine Möglichkeit, einen jederzeit kündbaren Vertrag zu schließen.  All die Ausführungen, dass man sich durch die lange Laufzeit einen geringeren monatlichen Beitrag ermögliche, gehen damit ins Leere, denn durch die Bindung an den Vertrag über etwa zwei Jahre müsste ein Kunde sogar mehr bezahlen, als wenn er nur ein Jahr mit monatlicher Kündigungsmöglichkeit trainieren will.

3. Fazit

Auch wenn man sich den letztgenannten Ausführungen zum Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht anschließen will, kommt es bei der Erörterung dieses Umstands in einer Prüfungsaufgabe allein auf eine Darstellung und Abwägung der Argumente an und nicht auf die Anzahl der zitierten Gerichtsentscheidungen.  Selbst wenn die gefundene Lösung dann von der Musterlösung abweicht, wäre sie doch in einer Klausur/Hausarbeit deutlich höher zu bewerten, als die bloße Behauptung, die Gerichte lehnten generell ein Kündigungsrecht ab.

Und für das richtige Leben: Wer sich zu Beginn des neuen Jahres überlegt, ob er einen Nutzungsvertrag in einem Fitnessstudio abschließt, sollte sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung bewusst sein.  Ob es dann dem Interesse der Studiobetreiber entspricht, wenn sich zahlreiche Kunden angesichts des soeben dargestellten Risikos gegen den Abschluss des Vertrags entscheiden, mag jeder für sich selbst beurteilen.



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