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Freitag, 13. Oktober 2023

Die falsche Preisauszeichnung im Selbstbedienungsladen

 

Rechtliche Behandlung des Vertragsschlusses im Selbstbedienungsladen bei irrtümlich zu niedrig ausgezeichnetem Preis der Ware

Gestern habe ich eine interessante Frage in einem Forum online gefunden. Es geht darum, dass an der Ware im Selbstbedienungsladen ein niedrigerer (falscher) Preis ausgezeichnet ist als an der Kasse. Meine Antwort darauf will ich hier auf meinem Blog etwas ausführlicher wiedergeben.

Als erstes die Frage des Forum-Mitglieds:

„Man kauft im Discounter einen Artikel zum ausgewiesenen Preis. An der Kasse wird unerwartet ein höherer Preis verlangt. Auf Nachfrage kommt der Hinweis: "Dieser Preis gilt erst ab morgen". Wie ist die Rechtslage?“

Es dürfte sich hier um eine Fallgestaltung handeln, die wohl jeder kennt. Mir ist das schon unzählige Mal in meinem Leben passiert, sodass man also von einer großen praktischen Bedeutung wird ausgehen können.

Um die Frage zu beantworten, muss man zunächst einmal ermitteln, wie denn ein Kaufvertrag im Selbstbedienungsladen zustande kommt.

Vertragsschluss im Selbstbedienungsladen:

Teilweise wird in der juristischen Literatur bereits das Auslegen der Waren als ein Angebot an die Allgemeinheit (ad incertas personas) angesehen, welches der Kunde durch das Vorlegen der Ware an der Kasse annehme.

Dies entspricht aber nicht der herrschenden Ansicht. Danach bedeutet das Auslegen der Ware lediglich eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (invitatio ad offerendum). Der Kunde macht dann das Angebot zum Abschluss des Kaufvertrags durch das Vorlegen an der Kasse (etwa indem er die Ware auf das Band legt), welches die kassierende Person durch Feststellung des Rechnungsbetrags (z.B. durch Einscannen des Preises) annimmt.

Anwendung auf den konkreten Fall:

Wenn man dies bei der hier gestellten konkreten Frage zugrunde legt, kommt es darauf an, wann der Kunde auf den höheren Preis (als in der falschen Preisauszeichnung) aufmerksam wird. Daraus können sich unterschiedliche Ergebnisse ergeben.

Hier hat die kassierende Person offenbar die Ware schon eingescannt, allerdings zu einem höheren Preis als in der Preisauszeichnung am Regal.

Nach Auslegung der Erklärungen gem. §§ 133, 157 BGB musste die kassierende Person vom objektiven Empfängerhorizont aus betrachtet annehmen, der Kunde wolle sein Angebot zum niedrigeren Preis machen. Denn immerhin war ja die Ware im Regal mit dem niedrigeren Preis ausgezeichnet. Auf ihre entsprechende Unkenntnis diesbezüglich kommt es bei der objektiven Auslegung nicht an.

Wenn beim Registrieren des Preises im Selbstbedienungsladen ein elektronisches Display den höheren Preis aufzeigt, musste der Kunde wiederum nach Auslegung vom objektiven Empfängerhorizont davon ausgehen, dass sein Angebot abgelehnt und ein neues über den höheren Preis an der Kasse durch die kassierende Person gemacht wurde, § 150 II BGB.

Sofern der Kunde hier den Vertragsschluss ablehnt, kommt kein Kaufvertrag zustande. Dann kann er die Ware einfach wieder an der Kasse zurückgeben.

Zahlt er aber den höheren Preis, da er nicht auf das Display gesehen hat, nimmt er dieses Angebot durch seine Handlung an.

Das Ergebnis dieser Auslegung wird dadurch begründet, dass ja ein Display an der Kasse gerade den aktuellen Preis verdeutlichen soll. Die kassierende Person durfte und musste davon ausgehen, dass der Kunde den abgebildeten Preis sieht und akzeptiert.

Jetzt läge es an Letzterem, die Anfechtung zu erklären, was auch möglich ist. Das wäre dann ein Inhaltsirrtum gem. § 119 I 1. Alt. BGB.

Interessante Folgefragen ergeben sich, wenn der Kunde seinen Irrtum erst zuhause entdeckt und die Ware durch den Transport beschädigt wurde (der pflanzliche Joghurt ist in der Tasche ausgelaufen). Muss er diesen Schaden nach Anfechtung ersetzen?

Anders gelagerter Sachverhalt:

Freilich kann das Ergebnis anders aussehen, wenn z.B. an der Kasse des Selbstbedienungsladens gar kein Display vorhanden ist und man auch anderweitig nicht den höheren Preis ersehen kann. In einem solchen Fall wird man wohl davon ausgehen müssen, dass die Annahmeerklärung der kassierenden Person nach Auslegung zum niedrigeren Preis erfolgt.

Das ist dieselbe Situation wie diejenige, in welcher ein Gast im Restaurant zu dem in der Karte ausgezeichneten Preis bestellt und die Bedienung die Annahme erklärt, obgleich die Speisekarte von einem anderen Gast mit einer alten Version (mit niedrigeren Preisen) ausgetauscht wurde. Das ist ein Klassiker, der sehr strittig ist und schon vor über hundert Jahren diskutiert wurde.


Für Interessierte


In diesem Artikel wird der Vertragsschluss an der Tankstelle erläutert:

Vertragsschluss an der Tankstelle






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