Gestern habe ich eine interessante Frage in einem Forum online gefunden. Es geht darum, dass an der Ware im Selbstbedienungsladen ein niedrigerer (falscher) Preis ausgezeichnet ist als an der Kasse. Meine Antwort darauf will ich hier auf meinem Blog etwas ausführlicher wiedergeben.
Als erstes die Frage des Forum-Mitglieds:„Man
kauft im Discounter einen Artikel zum ausgewiesenen Preis. An der Kasse wird
unerwartet ein höherer Preis verlangt. Auf Nachfrage kommt der Hinweis:
"Dieser Preis gilt erst ab morgen". Wie ist die Rechtslage?“
Es dürfte
sich hier um eine Fallgestaltung handeln, die wohl jeder kennt. Mir ist das
schon unzählige Mal in meinem Leben passiert, sodass man also von einer großen
praktischen Bedeutung wird ausgehen können.
Um
die Frage zu beantworten, muss man zunächst einmal ermitteln, wie denn ein
Kaufvertrag im Selbstbedienungsladen zustande kommt.
Vertragsschluss im Selbstbedienungsladen:
Teilweise
wird in der juristischen Literatur bereits das Auslegen der Waren als ein Angebot
an die Allgemeinheit (ad incertas personas) angesehen, welches der Kunde durch das
Vorlegen der Ware an der Kasse annehme.
Dies
entspricht aber nicht der herrschenden Ansicht. Danach bedeutet das Auslegen
der Ware lediglich eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (invitatio ad
offerendum). Der Kunde macht dann das Angebot zum Abschluss des Kaufvertrags
durch das Vorlegen an der Kasse (etwa indem er die Ware auf das Band legt),
welches die kassierende Person durch Feststellung des Rechnungsbetrags (z.B.
durch Einscannen des Preises) annimmt.
Anwendung auf den konkreten Fall:
Wenn
man dies bei der hier gestellten konkreten Frage zugrunde legt, kommt es darauf
an, wann der Kunde auf den höheren Preis (als in der falschen Preisauszeichnung) aufmerksam wird. Daraus können sich
unterschiedliche Ergebnisse ergeben.
Hier hat die kassierende Person offenbar die Ware schon eingescannt, allerdings zu einem höheren Preis als in der Preisauszeichnung am Regal.
Nach Auslegung der Erklärungen gem. §§ 133, 157 BGB musste
die kassierende Person vom objektiven Empfängerhorizont aus betrachtet
annehmen, der Kunde wolle sein Angebot zum niedrigeren Preis machen. Denn
immerhin war ja die Ware im Regal mit dem niedrigeren Preis ausgezeichnet. Auf
ihre entsprechende Unkenntnis diesbezüglich kommt es bei der objektiven
Auslegung nicht an.
Wenn
beim Registrieren des Preises im Selbstbedienungsladen ein elektronisches Display den höheren Preis
aufzeigt, musste der Kunde wiederum nach Auslegung vom objektiven
Empfängerhorizont davon ausgehen, dass sein Angebot abgelehnt und ein neues über
den höheren Preis an der Kasse durch die kassierende Person gemacht wurde, § 150 II BGB.
Sofern
der Kunde hier den Vertragsschluss ablehnt, kommt kein Kaufvertrag zustande.
Dann kann er die Ware einfach wieder an der Kasse zurückgeben.
Zahlt er aber den höheren Preis, da er nicht auf das Display gesehen hat, nimmt er dieses Angebot durch seine Handlung an.
Das Ergebnis dieser Auslegung wird
dadurch begründet, dass ja ein Display an der Kasse gerade den aktuellen Preis
verdeutlichen soll. Die kassierende Person durfte und musste davon ausgehen,
dass der Kunde den abgebildeten Preis sieht und akzeptiert.
Jetzt
läge es an Letzterem, die Anfechtung zu erklären, was auch möglich ist. Das wäre
dann ein Inhaltsirrtum gem. § 119 I 1. Alt. BGB.
Interessante Folgefragen ergeben sich,
wenn der Kunde seinen Irrtum erst zuhause entdeckt und die Ware durch den
Transport beschädigt wurde (der pflanzliche Joghurt ist in der Tasche
ausgelaufen). Muss er diesen Schaden nach Anfechtung ersetzen?
Anders gelagerter Sachverhalt:
Freilich kann das Ergebnis anders aussehen, wenn z.B. an der Kasse des Selbstbedienungsladens gar kein Display vorhanden ist und man auch anderweitig nicht den höheren Preis ersehen kann. In einem solchen Fall wird man wohl davon ausgehen müssen, dass die Annahmeerklärung der kassierenden Person nach Auslegung zum niedrigeren Preis erfolgt.
Das ist dieselbe
Situation wie diejenige, in welcher ein Gast im Restaurant zu dem in der Karte
ausgezeichneten Preis bestellt und die Bedienung die Annahme erklärt, obgleich
die Speisekarte von einem anderen Gast mit einer alten Version (mit niedrigeren
Preisen) ausgetauscht wurde. Das ist ein Klassiker, der sehr strittig ist und
schon vor über hundert Jahren diskutiert wurde.
Für Interessierte
In
diesem Artikel wird der Vertragsschluss an der Tankstelle erläutert:
Vertragsschluss an der Tankstelle
Hier sind weitere Artikel zum Vertragsschluss zu finden
Das Schweigen im Rechtsverkehr und das kaufmännische Bestätigungsschreiben
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