Einen interessanten und für die juristische Ausbildung sehr wichtigen Fall zum Schadensrecht hat das Oberlandesgericht Frankfurt vor kurzem entschieden (siehe hier). Es geht in der Entscheidung um den Ersatz des Nutzungsausfalls für ein Kfz nach einem Verkehrsunfall.
Diese Konstellation ist immer wieder in Klausuren des ersten juristischen Staatsexamens anzutreffen. Deshalb sollte man sich mit der Problematik vertraut machen. Die immer weiter verzweigte Rechtsprechung gleicht dabei allerdings einem Kaninchenbau, der einfach kein Ende nimmt.
1. Unterschied Haftungsbegründung / Haftungsausfüllung:
2. Anspruchsgrundlagen:
3. Haftpflichtversicherung als Gesamtschuldner:
Kennen sollte man auch die Haftung der Haftpflichtversicherung für das Fahrzeug, sodass sogar zivilprozessuale Aspekte in den Fall eingebunden sein können. Nach § 421 S. 1 BGB, § 115 I 4 VVG haften der Fahrer, Halter und die Versicherung dem Kläger als Gesamtschuldner.
Siehe zu einigen Detailproblemen der Haftungsbegründung beim Kfz die Beiträge hier:
Explodierte Batterie
und § 7 I StVG
Halterhaftung beim Kfz (§ 7 StVG)
Haftung nach § 7 I StVG bei dem Betrieb eines
Kraftfahrzeugs, das abgestellt ist
4. Haftungsausfüllung:
Wenn man dann den Schadensersatz dem Grund nach bejaht, muss man sich mit der Haftungsausfüllung nach §§ 249 ff. BGB beschäftigen.
Hinweis: Sofern der Fall offensichtlich darauf angelegt ist, dass man die Frage des Nutzungsausfalls diskutieren muss, sollte man auch klausurtaktisch denken und wird sofort feststellen, dass eine Haftung dem Grunde nach bestehen muss, sonst würde sich die Erörterung des Nutzungsausfalls erübrigen.
a) Voraussetzungen des Nutzungsausfalls:
An dieser Stelle nun muss man tiefere Ausführungen dazu machen, ob denn die Voraussetzungen für den Ersatz des Nutzungsausfalls gegeben sind. Hier hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung im Laufe der Jahre immer weiter ausgedehnt.
Dass ein solcher Ersatz aber nicht uferlos gewährt wird, zeigt die im Folgenden dargestellte Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt.
b) Sachverhalt:
Die Parteien streiten zweitinstanzlich über den Umfang der Ersatzpflicht der Beklagten nach einem Verkehrsunfall. Das Fahrzeug des Klägers, ein Porsche Typ1, wurde durch einen Unfall durch ein Fahrzeug, das dem Beklagten zu 1) gehört und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, beschädigt. Unstreitig haften die Beklagten für den entstandenen Schaden in vollem Umfang. Der Kläger macht zudem den Schaden in der Form des Nutzungsausfalls während der Zeit der Reparatur seines Porsches geltend. Er hat ein weiteres Fahrzeug (Ford Typ2), welches der Nutzung der Familie für Last- und Urlaubsfahrten dient. Die Benutzung dieses Kfz zur Fahrt auf die Arbeit sei ihm nach seiner Ansicht nicht zumutbar.
c) Entscheidung des Falls:
Bei der Begründung des Ersatzes empfiehlt es sich, zunächst darauf hinzuweisen, dass ein solcher an sich nach den Vorschriften der §§ 249 ff. BGB nicht gegeben ist. Hier wäre die Norm des § 253 I BGB zu zitieren, dass ein Schaden, der nur immateriell ist, nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen ersetzt wird. Für den Nutzungsausfall findet sich im Gesetz aber keine Regelung. Dennoch gewährt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung einen solchen bei Vorliegen von bestimmten Voraussetzungen.
Das Gericht geht davon aus, dass ein Kfz für die Lebensführung so wichtig ist, dass man ständig auf die Verfügbarkeit angewiesen ist. Wenn ein solch wichtiges Gut nicht zur Verfügung stehe, sei ein messbarer materieller Schaden gegeben.
- Der Geschädigte muss zuerst auf die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs verzichtet haben.
- Dann muss es sich um ein Wirtschaftsgut von allgemeiner, zentraler Bedeutung für die Lebenshaltung handeln.
- Weiter ist ein Eingriff in den Gebrauchsgegenstand selbst erforderlich.
- Es müssen der Nutzungswille und die Nutzungsmöglichkeit vorliegen.
- Letztlich muss eine fühlbare Beeinträchtigung gegeben sein. Diese liegt nur vor, wenn es dem Geschädigten zumutbar ist, das Ersatzfahrzeug zu nutzen.
Gerade der letzte Punkt ist hier problematisch. Denn der Kläger hatte hier ja noch ein weiteres Fahrzeug, nämlich den Ford, den die Familie zu Urlaubsfahrten benutzte.
An dieser Stelle muss man den Sachverhalt der Klausur durchsuchen nach Argumenten für oder wider eine solche Zumutbarkeit. Das Gericht hat in dem entschiedenen Fall geurteilt, dass es dem Geschädigten zumutbar war, nunmehr den Ford zu fahren.
Dazu das Oberlandesgericht Frankfurt:
„Durch die objektive Nutzbarkeit des Ford Typ2 für die Fahrten, zu denen der Kläger ansonsten den beschädigten Porsche eingesetzt hätte, wird der durch den Unfall eingetretene Verlust der Verfügbarkeit des Porsche als Mittel für den Transport zur Arbeit und für Privatfahrten objektiv ausgeglichen, mithin der hierin liegende materielle Vermögensschaden ausgeglichen. Die Beeinträchtigung des Fahrvergnügens ist demgegenüber eine in einer subjektiven Wertschätzung gründende immaterielle Beeinträchtigung, deren Bemessung nach objektiven Maßstäben nicht möglich und die daher vom Schädiger nicht zu ersetzen ist…“
5. Zusammenfassung zur gutachterlichen Behandlung:
Eigentlich muss man bei der Argumentation im Rahmen des Ersatzes beim Nutzungsausfall nur den gesunden Menschenverstand anwenden und wird zu einem vertretbaren Ergebnis kommen. Weit wichtiger als die Abwägung sind aber der oben geschilderte Aufbau und die Vorgehensweise im Gutachten. Wer das beherzigt, wird sich
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