Schon im ersten Semester an der Universität lernt man im
Grundkurs zum BGB die Problematik der außervertraglichen Gefälligkeit.
Damit ist gemeint, dass die Parteien sich gerade nicht
durch eine vertragliche Einigung rechtlich binden wollten und somit auch keine
Leistungspflichten begründet werden sollten.
Indizien, die auf einen Rechtsbindungswillen hinweisen,
sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGHZ 21, 102, 107) die
Folgenden:
„Die
Art der Gefälligkeit, ihr Grund und Zweck, ihre wirtschaftliche und rechtliche
Bedeutung, insbesondere für den Empfänger, die Umstände, unter denen sie
erwiesen wird, und die dabei bestehende Interessenlage der Parteien können die
Gefälligkeit über den Bereich rein tatsächlicher Vorgänge hinausheben und sind
daher für die Beurteilung der Frage des Bindungswillens und der Natur des etwa
in Betracht kommenden Rechtsgeschäftes heranzuziehen. Gefälligkeiten des
täglichen Lebens werden sich regelmäßig außerhalb des rechtsgeschäftlichen
Bereiches halten. Das gleiche gilt für Gefälligkeiten, die im rein
gesellschaftlichen Verkehr wurzeln (RGZ 128, 39 [42]). Der Wert einer
anvertrauten Sache, die wirtschaftliche Bedeutung einer Angelegenheit, das
erkennbare Interesse des Begünstigten und die nicht ihm, wohl aber dem
Leistenden erkennbare Gefahr, in die er durch eine fehlerhafte Leistung geraten
kann, können auf einen rechtlichen Bindungswillen schließen lassen (RG LZ 1923,
275; RGZ 151, 203 [208]; RG Recht 1923 Nr 508; Erman BGB Einleitung 11b vor §
241). Die Auskunft, die im Rahmen einer Geschäftsverbindung erteilt wird, muß
daher auf rechtlich verpflichtender Gewissenhaftigkeit beruhen (RGZ 139, 103
[105]; 162, 129 [154]). Hat der Leistende selbst ein rechtliches oder
wirtschaftliches Interesse an der dem Begünstigten gewährten Hilfe, so wird
dies in der Regel für seinen Rechtsbindungswillen sprechen (RGZ 65, 17 [19];
Planck BGB 4. Aufl § 662 Anm 2; es kann daher fraglich sein, bedarf aber hier
keiner näheren Prüfung, ob der Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 165, 309
[313] zugestimmt werden kann). Die Haftung gründet sich in derartigen Fällen -
ähnlich wie bei Vertragsverhandlungen - regelmäßig auf die Verletzung einer
durch Anknüpfung rechtsgeschäftlicher Beziehungen entstandene Sorgfaltspflicht
oder eines vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses (RGZ 162, 129 [156]).“
Wer nun in einem Gutachten zu dem Ergebnis kommt, dass
kein Vertrag und auch kein Gefälligkeitsverhältnis mit Schutzpflichten
vorliegen, muss als nächstes das Deliktsrecht prüfen, falls der
Erklärungsempfänger einen Schaden erlitten hat. Hier reicht vom Grundsatz her
das Vorliegen von einfacher Fahrlässigkeit für eine Haftung nach § 823 I BGB
aus.
Allerdings wird an dieser Stelle auch vertreten, dass
eine Haftungsmilderung greifen solle. Der Bundesgerichtshof hat sich in einer
neueren Entscheidung (BGH NJW-RR 2017, 272) mit einem vertraglichen
Haftungsausschluss beschäftigt.
Dort hatte ein Nachbar während des Kuraufenthalts des
Geschädigten dessen Garten bewässern sollen. Der Nachbar benutzte dazu einen an
der Außenzapfstelle des Hauses montierten Wasserschlauch. Nach dem Bewässern
drehte er die am Schlauch befindliche Spritze zu, versäumte es jedoch, die
Wasserzufuhr zum Schlauch abzustellen. Später löste sich der weiter unter
Wasserdruck stehende Schlauch aus der Spritze, weshalb Leitungswasser in das
Gebäude des eindringen konnte und einen Schaden am Haus verursachte.
In dieser Entscheidung macht das Gericht deutlich, dass
man nicht ohne weiteres von einer konkludenten Haftungsprivilegierung für die
einfache Fahrlässigkeit ausgehen dürfe. Daran solle es regelmäßig fehlen, wenn
der Schädiger gegen Haftpflicht versichert sei.
Das Urteil sollte man als Anfänger/in durchaus einmal
lesen, denn es ist ausnahmsweise auch für den noch ganz am Anfang der
Ausbildung stehenden Studenten/innen nachvollziehbar und lehrreich.
Wer sich genauer mit der Behandlung dieser Materie
beschäftigen möchte, dem sei mein eBook* „Juristische Übungsfälle zum BGB AT“
auf amazon.de (und dort Fälle Nr. 4 und 5) zur Lektüre empfohlen.
Juristische Übungsfälle zum BGB AT
* Als Amazon-Partner verdiene ich an
qualifizierten Verkäufen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen