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Montag, 6. Mai 2019

Schutzbedürftigkeit beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter


Schutzbedürftigkeit beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gehört nicht gerade zur Lieblingsmaterie in der juristischen Ausbildung. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es an einer gesetzlichen Regelung dieses Instituts fehlt und man sich zwangsläufig mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auseinandersetzen muss, denn dieser hat die Kriterien für eine Haftung näher konkretisiert.

Hier geht es insbesondere um die Schutzbedürftigkeit beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.

Wer die im Gutachten zu prüfenden Merkmale nicht kennt, wird in der Prüfung große Probleme haben.

Nachfolgend sollen deshalb kurz die einzelnen Tatbestandsmerkmale erörtert und insbesondere der Punkt „Schutzbedürftigkeit“ anhand der Rechtsprechung vertieft werden.

Zunächst ist zum besseren Verständnis eine kurze Abgrenzung erforderlich. Es erfolgt in solchen Fällen eine Haftungserweiterung, was bei der Drittschadensliquidation nicht vorliegt, denn dort findet nur eine zufällige Schadensverlagerung statt, wobei der aus dem Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner entstandene Anspruch vom Gläubiger geltend zu machen ist, der somit den Schaden des Dritten an sich ziehen kann.

Bei der Schutzwirkung zugunsten Dritter kommt es demgegenüber zu einer Erweiterung des Haftungskreises, denn nun hat ein unbeteiligter Dritter einen eigenen Anspruch gegen den Schuldner.

Es geht wohlgemerkt nur um einen Schadensersatz und nicht um Primärleistungen, denn in Abgrenzung zum Vertrag zugunsten Dritter entsteht gerade kein Anspruch des Dritten auf die vertraglich geschuldete Leistung. Man prüft also einen eigenen vertraglichen bzw. vorvertraglichen Schadensersatzanspruch des Dritten.

Wie bereits kurz angerissen, fehlt eine gesetzliche Regelung dieser Materie. Man muss also auch im Gutachten am Anfang der Lösung nach Nennung der Anspruchsgrundlage auf die Rechtsgrundlage für die Anwendung dieses Instituts hinweisen, welche umstritten ist.

Nach der überwiegenden Auffassung in der Literatur ergibt sich die Rechtsgrundlage aus der richterlichen Fortbildung dispositiven Rechts.

Wiederum andere Vertreter des Schrifttums gehen davon aus, dass die Verankerung in der Vorschrift des § 311 III BGB zu sehen sei, da diese Vorschrift nicht nur die Haftung von Sachwaltern umfasse, sondern auch die Einbeziehung Dritter als Begünstigte umfasse.

Nach der Ansicht des Bundesgerichtshofs sei die Grundlage aus einer ergänzenden Vertragsauslegung abzuleiten.

Für das weitere Gutachten ist der Streit ohne Auswirkungen, da insbesondere die Merkmale der Einbeziehung des Dritten nach allen Meinungen identisch sind.

Man wird sich dann fragen können, warum dieses Rechtsinstitut entwickelt wurde. Die Antwort lautet, dass die Schwächen des Deliktsrechts ausgeglichen werden sollten, wie insbesondere die dort fehlende Beweislastumkehr (im Gegensatz zu § 280 I 2 BGB) oder die Nichtanwendbarkeit der Vorschrift des § 278 S. 1 BGB.

Sodann ist die Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatz zu nennen. Ein Obersatz könnte etwa bei einem Kaufvertrag so lauten:


„Der D könnte gegen den V einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 280 I 1, 241 II, 433 I i.V.m. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte haben.“


In der Folge müssen die Voraussetzungen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erörtert werden:


1. Bestimmungsgemäße Leistungsnähe des Dritten



Der Dritte muss zunächst den Gefahren einer Schlechtleistung genauso ausgesetzt sein wie der Gläubiger selbst.

Diese Formulierung muss so oder so ähnlich in der Niederschrift fallen, denn es handelt sich um ein Kriterium, das der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat.


2. Gläubigernähe des Dritten



Sodann muss der Gläubiger ein berechtigtes Interesse am Schutz des Dritten haben, was bedeutet, dass der Schuldner auch dem Dritten gegenüber seine Leistung sorgfältig, also ohne Verletzung von dessen Rechten und Rechtsgütern erbringen muss.

Der in der älteren Rechtsprechung entwickelte personenrechtliche Einschlag, wie z. B. in familien- oder arbeitsrechtlichen Beziehungen, also bei Verantwortlichkeit für das Wohl und Wehe des Dritten, gilt sehr wohl heute noch, wenn sich eine solche Situation im Fall ergibt.

Allerdings hat die neuere Rechtsprechung dieses Kriterium erweitert. Danach kann ein Drittschutz auch dann gegeben sein, wenn der Gläubiger an der Einbeziehung des Dritten ein besonderes Interesse hat.

Man muss dabei den Vertrag so ausgelegen können, dass der Vertragsschutz auf den Dritten erweitert werden soll, wobei der Parteiwille maßgeblich ist. Also kommt es darauf an, ob der Dritte nach dem Willen der Parteien bestimmungsgemäß mit der Leistung in Kontakt kommen soll.


3. Erkennbarkeit für den Schuldner zur Zeit des Vertragsschlusses



Die Erkennbarkeit der Leistungsnähe und des Einbeziehungsinteresses muss des Weiteren für einen Anspruch gegeben sein. Der Kreis der Dritten, die in den vertraglichen oder vorvertraglichen Schutzbereich einbezogen sind, muss für den Schuldner objektiv erkennbar und eingrenzbar sein, wobei es darum geht, dass der Kreis der Dritten abstrakt überschaubar ist. Auf die konkrete Person des Dritten und die Anzahl der so zu schützenden Dritten kommt es nicht an.


4. Schutzbedürftigkeit des Dritten



Als letzte Voraussetzung bedarf es einer Schutzbedürftigkeit des Dritten. Eine solche liegt dann vor, wenn dem Dritten keine eigenen vertraglichen bzw. vorvertraglichen Ansprüche gegen den Schädiger oder den Gläubiger zustehen, die den gleichen oder zumindest einen gleichwertigen Inhalt haben wie der Anspruch, der über die Einbeziehung entstehen würde.

Nicht ausreichend ist hingegen ein deliktischer Anspruch, denn die Schwäche des Deliktsrechts soll ja gerade hier ausgeglichen werden.

Ob der Anspruch mangels finanzieller Leistungsfähigkeit des Verpflichteten möglicherweise von Anfang an nicht durchsetzbar war, ist nach der Rechtsprechung übrigens rechtlich unerheblich.  

An dieser Stelle ist sodann eine neuere Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2018, 1537) zu erörtern. Dort hat das Gericht entschieden, wie bei einer Einbeziehung des Dritten in zwei Schutzbereiche zu verfahren ist.

Im Wesentlichen lag ein Sachverhalt zugrunde, in welchem ein Arbeiter A eines Bauunternehmers U verletzt wurde, als er Abrissarbeiten vornahm. Der U wurde vom Besteller B mit den Arbeiten beauftragt, wobei der B vorher durch den Gutachter G das abzureißende Haus auf etwaige Gefahren prüfen ließ. Infolge eines Versehens untersuchte der G einen Raum nicht, in dem sich eine Flüssigkeit befand, die den A bei den Arbeiten verletzte. Die Frage war dann, ob der A vom G Schadensersatz verlangen konnte.

Um das Ergebnis vorwegzunehmen, soll der Leitsatz zitiert werden:


„Steht den Arbeitnehmern eines Unternehmers nach den Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ein Schadensersatzanspruch gegen den Besteller einer Werkleistung zu, weil sie bei Ausführung der Arbeiten aufgrund einer schuldhaften Verletzung auch ihnen gegenüber bestehender vertraglicher Schutzpflichten durch den Besteller einen Schaden erleiden, scheidet ein weiterer Schadensersatzanspruch nach den Grund-sätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gegen einen vom Besteller beauftragten Dritten, der für die Schädigung mitverantwortlich ist und dessen Verschulden sich der Besteller nach § 278 BGB zurechnen lassen muss, grundsätzlich aus.“


Wie man sieht, geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass der A bereits einen Anspruch gegen den Auftraggeber B aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aus dem Verhältnis zwischen dem U und dem B hat, sodass er im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch gegen den G nicht mehr schutzbedürftig ist. Der A kann also nicht frei wählen, auf welchen Schutzbereich er seinen Anspruch stützen will.

Allerdings müsste man in einem Gutachten zunächst einmal prüfen, ob der A nicht gegen seinen Arbeitgeber U vorgehen könnte, bevor man sich auf das soeben genannte Ergebnis stürzt. Der U war dem A aus dem Arbeitsverhältnis zur sorgfältigen Behandlung verpflichtet.

Ein Schadensersatz gem. § 280 I BGB wäre insofern denkbar, als der U seine Sorgfaltspflicht verletzt haben könnte. Worin aber soll diese Verletzung liegen?

Man wird ihm angesichts der Einholung eines Gutachtens seitens des Bestellers nicht abverlangen können, noch einmal das Gebäude auf Gefahren hin zu untersuchen. Damit fehlt es an einem eigenen Verschulden, und eine Zurechnung des Verhaltens von B oder G gem. § 278 S. 1 BGB kommt ebenso wenig in Betracht.

Erst nachdem man dies festgestellt hat, kommt man zur Prüfung des Schutzbereichs aus dem Verhältnis zwischen U und B. Dann kann man mit der Rechtsprechung den Anspruch des A gegen den B (der sich das Verhalten des G nach § 278 S. 1 BGB zurechnen lassen muss) bejahen und gegen den G letztlich wegen fehlender Schutzbedürftigkeit ablehnen.

Um den Kreis zu schließen, könnte der B am Ende gegen den G aus dem Werkvertrag zur Erstellung des Gutachtens wegen Fehlerhaftigkeit auf Schadensersatz (Mangelfolgeschaden) vorgehen, sodass der G als eigentlich Verantwortlicher den Schaden tragen muss. Überdies wird man aber wohl einen deliktischen Anspruch des A gegen den G direkt zusprechen müssen, obgleich das vom Bundesgerichtshof nicht entschieden werden musste, denn die Sache wurde zu dieser Prüfung zurückverwiesen.


Weiterführende Literatur



Auch diese unbeliebte Materie kann man meistern.  Wer einen ausführlichen Überblick über die beiden eingangs genannten Rechtsinstitute haben will, kann sich diesen in meinem eBook* „Schutzwirkung für Dritte: Grundwissen für das juristische Staatsexamen“ verschaffen.



















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