Mittlerweile kommt es immer häufiger vor,
dass Kunden im Internet eine Matratze kaufen, diese ausprobieren und dann den
Widerruf erklären, da ihnen die Ware nicht gefällt.Mit einem solchen Fall hat
sich der Bundesgerichtshof kürzlich befasst (BGH, Urt. v. 3.7.2019 – VIII ZR 194/16), dem im Wesentlichen folgender Sachverhalt
zugrunde lag:
Die
Beklagte ist eine Onlinehändlerin, bei welcher der Kläger zu privaten Zwecken
eine Matratze bestellte. Die Allgemeine Geschäftsbedingungen enthielten eine
Widerrufsbelehrung für Verbraucher, in der geschrieben stand, dass das Widerrufsrecht
erlischt bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des
Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn
ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.
Die
Matratze war bei Lieferung an den Kläger mit einer Schutzfolie versehen, die
der Kläger in der Folgezeit entfernte. In einer rechtzeitig abgesandten E-Mail
erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten:
"Sehr
geehrte Damen und Herren, ich muss die Matratze [...] leider an Sie
zurücksenden [...]"
Hat
der Kläger Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises?
Die Lösung konzentriert sich auf zwei
Teilbereiche:
Zum einen war zu ermitteln, ob denn die Erklärung der Rücksendung
überhaupt eine Widerrufserklärung darstellt. Immerhin hatte der Kläger nicht
das Wort Widerruf verwendet. Das muss er aber nach allgemeiner Auffassung auch
nicht tun, wenn nur klar wird, dass er sich von dem Kaufvertrag lösen will.
Allerdings wäre es denkbar, dass die Rücksendung nur zur Mangelüberprüfung
erfolgte, sodass kein Widerruf vorläge. Dafür fehlen jedoch Anhaltspunkte, denn
der Kläger hatte zu keiner Zeit einen Mangel beanstandet. Vielmehr war ein weiterer
Anlass, die Matratze zurückzusenden, nicht ersichtlich, weshalb die relativ
geringe Hürde der Widerrufserklärung genommen ist.
Sodann stellt sich die Frage, ob das
Widerrufsrecht bei diesem Fernabsatzvertrag gem. § 312g II Nr. 3 BGB
ausgeschlossen war, da es sich um einen Hygieneartikel handelte, bei welchem
die Schutzfolie entfernt wurde. Hier muss eine richtlinienkonforme Auslegung
von § 312g II Nr. 3 BGB erfolgen.
Dazu hat der EuGH bereits entschieden (Urteil vom 27. März 2019, C-681/17, NJW 2019,
1507):
"Art.
16 Buchst. e der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der
Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des
Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist
dahin auszulegen, dass eine Ware wie eine Matratze, deren Schutzfolie vom
Verbraucher nach der Lieferung entfernt wurde, nicht unter den Begriff
"versiegelte Waren ..., die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus
Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der
Lieferung entfernt wurde" im Sinne dieser Vorschrift fällt."
An dieser Auslegung der Vorschrift hat sich
der Bundesgerichtshof gebunden gefühlt und im Ergebnis entschieden, dass das
Entfernen der Schutzfolie nicht unter den Ausnahmetatbestand fällt. Der Kläger
konnte daher seine Vertragserklärung widerrufen.
Das Vorstehende stellt das theoretische
Wissen dar, über das man zur Vorbereitung auf das Examen verfügen sollte.
Wer
Interesse daran hat, wie man eine gutachterliche Prüfung des Widerrufs und des
Ausschlusses bei Hygieneartikeln im Gutachten vorzunehmen hat, kann sich dies
in Fall Nr. 35 (anhand des Kaufs eines Unterhemds) in meinem eBook „Juristische
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