Wer ein Jurastudium beginnt, muss sich darüber Gedanken machen, welches die beste Lernstrategie ist, denn die Situation an der Universität ist mit dem Lernen an der Schule nicht zu vergleichen. Um Erfolg zu haben und gute Noten zu bekommen, sollte man sich hauptsächlich auf das Lösen von Fällen konzentrieren.
Warum das so ist, will ich im Folgenden kurz aufzeigen.
1. Der Gutachtenstil als wichtigstes Kriterium
Im ersten juristischen Staatsexamen sind von den Prüflingen Klausuren zu schreiben. Dabei geht es beinahe ausschließlich darum, Sachverhalte gutachterlich zu prüfen und einer rechtlichen Lösung zuzuführen. Somit kommt es also nicht darauf an, möglichst viel theoretisches Wissen niederzuschreiben, sondern man muss tatsächlich wissen, wie die Prüfung von Ansprüchen aufgebaut wird und wie die Lösung formuliert werden muss. Dazu muss man den Gutachtenstil beherrschen.
Natürlich ist es hilfreich,
wenn man viele kleine Detailprobleme zu einem bestimmten Thema kennt. Wenn man
aber nicht weiß, an welcher Stelle diese im Gutachten zu verorten sind, bringt
einem das Wissen nichts. Es ist also sicherlich interessant, wenn man ein Großlehrbuch
durcharbeitet und viele Hintergründe lernt, in einer Klausur kann man damit
aber nur sehr wenig anfangen.
Wer sich schon von Anfang des
Studiums an konsequent mit Fällen auseinandersetzt, übt genau diesen
Gutachtenstil. Mit der Zeit wird dies verinnerlicht, sodass man gar nicht mehr
bewusst darüber nachdenken muss.
Nach einer gewissen Zeit wird
man sich dann auch viele Formulierungen und Definitionen einprägen, die bei der
Korrektur der Arbeit einen guten Eindruck machen. Insbesondere muss man lernen,
den Urteilsstil auf ein Minimum zu reduzieren und nicht gleich das Ergebnis
vorneweg aufzuzeigen.
2. Probleme werden erkannt
Jede Klausur wird einige Problempunkte enthalten, um die sich die Lösung hauptsächlich dreht. Für die guten Punktzahlen muss man in der Lage sein zu erkennen, welche konkreten Probleme vorliegen und wie sie zu gewichten sind. Das wird den Schwerpunkt der Lösung ausmachen.
Ein solches Problembewusstsein
kann man aber nur entwickeln, wenn man hinreichend viele Fälle durchgearbeitet
hat und damit ein Gespür für die Schwerpunkte und die Ausführlichkeit der Erörterung
bekommt. Immer wieder sieht man, wie Studierende völlig unproblematische Punkte
ausführlich erörtern, da sie es so in einem Lehrbuch gelesen oder in der
Vorlesung gehört haben. Dann geht die Lösung oft am Schwerpunkt vorbei.
Wer z.B. eine Stellvertretung
zu prüfen hat und sich dann lange mit der Zulässigkeit, der eigenen Willenserklärung
und dem Offenkundigkeitsprinzip auseinandersetzt, obwohl das Problem im Rahmen
des Umfangs der Vertretungsmacht liegt, wird keine guten Noten erhalten. Das
Auswendiglernen von Schemata kann eben auch nur begrenzt Hilfe leisten, wenn
man den Schwerpunkt falsch setzt.
3. Aktives Lernen
Letztlich hat das Lösen von Fällen auch den Vorteil, dass es sich um eine aktive Art des Lernens handelt. Man muss also aktiv Wissen anwenden, wodurch es sich viel leichter ins Langzeitgedächtnis überführen lässt. Im Gegensatz dazu ist das bloße Zuhören bei einer Vorlesung ein passives Lernen, bei welchem die Kenntnisse kurz danach schnell wieder verblassen.
Eine sehr gute Art, Wissen
wirklich im Gedächtnis zu behalten, ist es zudem, wenn man einer anderen Person
die Problematik erklärt. Oft liest man etwas und glaubt, es verstanden zu
haben, nur um dann festzustellen, dass man es gar nicht richtig erklären kann.
Hier kann man Fortschritten machen, wenn man etwa Fälle in einer kleinen
Arbeitsgemeinschaft bespricht. Natürlich sollten alle Teilnehmer einen ähnlichen
Kenntnisstand haben.
Praktische Herangehensweise
Die Frage ist nun, wie man die
Fallbearbeitung in der Praxis durchführt. Abwegig ist es sicherlich, wenn man
sich gleich von Anfang des Studiums an lange Sachverhalte heranwagt, die eine
umfangreiche und komplizierte Lösung nach sich ziehen. Dadurch wird man sehr
schnell entmutigt und verzweifelt an den Anforderungen.
Vielmehr reicht es aus, wenn
man sich kleinere Fälle ansieht, die nur wenige Schwerpunkte haben, um nicht überfordert
zu werden. Diese kleineren „Module“ kann man dann sehr schnell in eine lange Lösung
einer Examensklausur umsetzten. Denn auch dort findet sich häufig nur einen
Aneinanderreihung von einzelnen Problempunkten.
Des Weiteren rate ich auch
davon ab, dass man jeden Fall klausurmäßig ausformuliert. Das braucht viel zu
viel Zeit, sodass man nur ein kleines Pensum erledigen kann. Für ein solches
Training besteht ausreichend Gelegenheit an der Universität, an der man übrigens
auch zu Übungszwecken Klausuren schreiben kann, obwohl man den Schein schon in
der Tasche hat.
Es ist ausreichend, wenn man
sich nach dem Durchlesen des Sachverhalts eine stichwortartige Lösungsskizze
aufschreibt und die Lösung gedanklich durchgeht. Damit spart man Zeit und hat
dennoch den vollen Lerneffekt.
Bei der Auswahl der richtigen
Literatur ist allerdings darauf zu achten, dass die Lösungen strikt im Stil des
Gutachtens gehalten sind. Immer wieder sehe ich Fallbücher, in denen man nicht weiß,
wo das Gutachten aufhört und die lehrbuchmäßigen Ausführungen anfangen. Das ist
leider sehr weit verbreitet.
Weiterführende Literatur
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