Ein ganz neuer Beschluss des Bundesgerichtshofs zeigt auf, wie gefährlich es für ein Gericht ist, sich auf eine Verspätung des Vorbringens im Zivilprozess zu berufen. Wer hier nämlich Fehler macht, wird die Akte bald wieder zur erneuten Bearbeitung auf dem Schreibtisch haben.
Die Materie ist für das erste juristische Staatsexamen nicht relevant, aber sie ist dennoch interessant für diejenigen, die einmal an einem Gericht arbeiten wollen.
Sachverhalt
Die Klägerin nimmt den Beklagten, einen Tierarzt, nach
einer als fehlerhaft beanstandeten Ankaufuntersuchung auf Schadensersatz in
Anspruch.
Vor Abschluss des Kaufvertrags beauftragte die Klägerin
den Beklagten, eine Ankaufuntersuchung des Pferdes durchzuführen. Bestandteil
dieser Untersuchung waren unter anderem Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule
und des Genicks, die die Klägerin erbat, weil sie zuvor Probleme mit einem Pferd
aufgrund von Befunden in diesem Bereich gehabt hatte. Nach der Untersuchung
teilte der Beklagte der Klägerin mündlich mit, es hätten sich keine erheblichen
Befunde ergeben.
Unter Bezugnahme auf die Röntgenaufnahmen des im Prozess
eingeholten Sachverständigengutachtens trug die Klägerin vor, der Beklagte sei
verpflichtet gewesen, sie über die von dem Gerichtssachverständigen neu
benannten Befunde aufzuklären. In diesem Fall hätte sie den Vertrag mit dem
Verkäufer nicht geschlossen. Das begründe eine Schadensersatzverpflichtung des
Beklagten.
Entscheidung des Landgerichts
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klage sei
unbegründet. Der Klägerin stünde kein Schadensersatzanspruch zu. Auf der
Grundlage ihres Vortrags sei schon kein Schaden feststellbar.
Entscheidung des Berufungsgerichts
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.
Das Berufungsgericht hat unter Abweisung der Klage im Übrigen den Beklagten
verurteilt, wobei es den Vortrag des Beklagten zur Kausalität zwischen einer
Pflichtverletzung im Rahmen der Ankaufuntersuchung und dem Kauf des Pferdes in
der Berufungserwiderung für verspätet hielt.
Dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof aufgehoben
„Zu
Unrecht hat das Berufungsgericht in offenkundig fehlerhafter Anwendung von §
531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO das Vorbringen des Beklagten zur Kausalität
zwischen einer Pflichtverletzung im Rahmen der Ankaufuntersuchung und dem Kauf
des Pferdes in der Berufungserwiderung mit der Folge nicht berücksichtigt, dass
es das Vorbringen der Klägerin zur Kausalität als unstreitig angesehen hat.
Nach
§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel
zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten
Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist...
Für
das Landgericht V. war allein entscheidungserheblich, ob das Pferd über Mängel
verfügte, die seine Eignung als Dressurpferd beeinträchtigten. Damit hat es
ersichtlich auf Umstände abgestellt, die für auf dem Kaufvertrag zwischen der
Klägerin und J. B. beruhende Mängelansprüche von Bedeutung waren. Demgegenüber
war es für das Landgericht irrelevant, ob der Beklagte jenseits von
kaufvertraglich relevanten Mängeln eine Pflicht aus der Ankaufuntersuchung
verletzt hat und diese Pflichtverletzung für den Vertragsschluss der Klägerin
mit J. B. kausal geworden ist. Der in der Berufungsinstanz gehaltene Vortrag
des Beklagten zur Kausalität betraf deshalb einen Gesichtspunkt, der für das
Landgericht V. unerheblich war…
Das
Berufungsurteil beruht, soweit es den Beklagten zur Zahlung von 44.886,81 €
nebst Zinsen verurteilt hat, auf der Verletzung des Anspruchs des Beklagten auf
rechtliches Gehör. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das
Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten die Klage
insgesamt abgewiesen hätte.“
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