Eine Besonderheit im deutschen Zivilrecht ist die Unterscheidung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft. Es handelt sich hierbei um einen enorm wichtigen Teil des juristischen Grundlagenwissens, was gerade in Prüfungsaufgaben oft zur Folge hat, dass bei einem Verstoß gegen diese Prinzipien die Arbeit als nicht ausreichend bewertet wird. Man muss also die Bedeutung schon ganz am Anfang des Studiums verinnerlichen, um einen solchen Kardinalfehler zu vermeiden.
Im Folgenden soll diese Eigenheit erklärt werden.
Das Trennungsprinzip besagt, dass das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft vom sachenrechtlichen Verfügungsgeschäft getrennt werden muss. Bei Geschäften des täglichen Lebens fallen beide Geschäfte zwar regelmäßig zeitlich zusammen, was jedoch für die rechtliche Betrachtung unerheblich ist.Beispiel: Wer
sich in einem Kaufvertrag zur Übereignung eines Pkw verpflichtet, muss dem
Käufer das Eigentum daran verschaffen, während der Käufer das Geld für die
Sache übereignen muss. Das Verpflichtungsgeschäft (Kaufvertrag) wird dann
durch weitere Übereignungsverträge nach §§ 929 ff. BGB mit einer Übereignung
des Pkw auf der einen Seite und der Übereignung des Gelds auf der anderen Seite
erfüllt (Verfügungsgeschäft).
Das Abstraktionsprinzip hingegen
besagt, dass die Wirksamkeit beider Geschäfte voneinander unabhängig zu
beurteilen ist. Ein dinglicher Vertrag kann somit durchaus wirksam sein,
selbst wenn der zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag nichtig ist.
Das dingliche Geschäft bedarf keines Zwecks und ist damit inhaltlich
abstrakt. Zudem ist ein wirksames Verpflichtungsgeschäft nicht
erforderlich, sodass es auch äußerlich abstrakt ist.
Durch ein
Verpflichtungsgeschäft wird lediglich die Pflicht einer Partei begründet, auf
eine Änderung der Rechtslage hinzuwirken, die Rechtslage wird dadurch noch
nicht geändert. Verfügungsgeschäfte sind Geschäfte, die unmittelbar die
Rechtslage verändern, indem sie das Recht aufheben, übertragen, belasten oder
inhaltlich ändern (BGHZ 1, 294, 304). Verfügungsgeschäfte dienen in der
Regel der Erfüllung der Pflicht aus dem Verpflichtungsgeschäft, wobei Letzteres
den Rechtsgrund für die Verfügung darstellt. Deshalb bedarf es des
Bereicherungsrechts nach §§ 812 ff. BGB, um etwa eine rechtsgrundlos
herbeigeführte Verfügung wieder rückgängig zu machen.
Beispiel: Wenn
der im vorigen Fall geschilderte Kaufvertrag etwa wegen einer Anfechtung
unwirksam wäre, könnte der Käufer den bereits gezahlten Kaufpreis nun nach §
812 I 1 1. Alt. BGB vom Verkäufer zurückverlangen, da eben kein wirksamer
Kaufvertrag als Grundlage für seine Zahlung existiert. Die
Eigentumsübertragung als Verfügungsgeschäft bleibt nämlich wirksam. Der
Verkäufer müsste dann einen weiteren Übereignungsvertrag mit dem Käufer
schließen, um diesem das Eigentum an dem Geld wieder zu verschaffen. Gleiches
gilt dann für die Rückgabe des Pkw.
Aus dem Vorstehenden wird
deutlich, dass der Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts noch nicht zu
einer Änderung der dinglichen Rechtslage führt. Wer also in der Klausur
schreibt, der Käufer habe durch den Abschluss des Kaufvertrags das Eigentum an
der Kaufsache erlangt, wird wohl nicht mehr bestehen können, selbst wenn die
restlichen Ausführungen ordentlich sind.
Nun sind wir Juristen aber
sehr begeistert von dem Satz: Keine Regel ohne Ausnahme. Deshalb soll
noch kurz dargestellt werden, ob es nicht auch Ausnahmen zu beiden
Prinzipien gibt.
In einer älteren
Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof einmal das Trennungsprinzip
durchbrochen (BGHZ 78, 28, 35). Dabei ging es um die Schenkung von
Wohnungseigentum vom Vater an den Sohn. Hier hatte das Gericht
entschieden, dass im Rahmen der dinglichen Einigung (Auflassung), bei welcher
der Vater den Sohn vertreten hatte, der Vater zwar nach § 181 BGB in Erfüllung
des wirksamen Schenkungsversprechens gehandelt habe, sodass er eigentlich den
Sohn wirksam habe vertreten können. Es müssten bei der Betrachtung der
Schenkung aber beide Geschäfte berücksichtigt werden, sodass schon die
Schenkung als rechtlich nachteilig anzusehen sei und damit bei der dinglichen
Einigung keine Erfüllung einer Verbindlichkeit iSd. § 181 BGB mehr
vorlag. Mittlerweile hat der Bundesgerichtshof jedoch entschieden, dass
eine Gesamtbetrachtung jedenfalls dann nicht veranlasst ist, wenn das
Grundgeschäft bereits bei isolierter Betrachtung mit Rechtsnachteilen für den
Minderjährigen verbunden und deshalb gemäß §§ 107, 108 I BGB schwebend
unwirksam ist (BGH NJW 2005, 1430, 1431). In einer weiteren Entscheidung
spricht das Gericht sogar von einer mittlerweile aufgegebenen Rechtsprechung
(BGH NJW 2010, 3643, Rn. 6).
Zum Abstraktionsprinzip gibt
es mehrere Ausnahmen. Von besonderer Bedeutung ist hier die sogenannte
Fehleridentität, die vorliegt, wenn das Grund- und Verfügungsgeschäft an
demselben Fehler leiden, welcher beide Geschäfte unwirksam macht (Petersen Jura
2004, 98, 99). Gerade bei einer Anfechtung nach § 123 BGB wegen einer
widerrechtlichen Drohung oder arglistigen Täuschung kann der Anfechtende somit
auch das dingliche Geschäft anfechten. Der Anfechtungsgrund schlägt
sozusagen vom Verpflichtungs- auf das Verfügungsgeschäft durch, wobei zur
Begründung auf eine geringere Schutzwürdigkeit des Anfechtungsgegners
abgestellt wird. Ebenso liegt eine Fehleridentität bei
Geschäftsunfähigkeit gem. § 104 BGB vor.
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