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Dienstag, 16. Juli 2024

Das Trennungs- und Abstraktionsprinzip in der juristischen Ausbildung

Eine Besonderheit im deutschen Zivilrecht ist die Unterscheidung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft.  Es handelt sich hierbei um einen enorm wichtigen Teil des juristischen Grundlagenwissens, was gerade in Prüfungsaufgaben oft zur Folge hat, dass bei einem Verstoß gegen diese Prinzipien die Arbeit als nicht ausreichend bewertet wird.  Man muss also die Bedeutung schon ganz am Anfang des Studiums verinnerlichen, um einen solchen Kardinalfehler zu vermeiden.

Im Folgenden soll diese Eigenheit erklärt werden.

Das Trennungsprinzip besagt, dass das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft vom sachenrechtlichen Verfügungsgeschäft getrennt werden muss.  Bei Geschäften des täglichen Lebens fallen beide Geschäfte zwar regelmäßig zeitlich zusammen, was jedoch für die rechtliche Betrachtung unerheblich ist.

 

Beispiel: Wer sich in einem Kaufvertrag zur Übereignung eines Pkw verpflichtet, muss dem Käufer das Eigentum daran verschaffen, während der Käufer das Geld für die Sache übereignen muss.  Das Verpflichtungsgeschäft (Kaufvertrag) wird dann durch weitere Übereignungsverträge nach §§ 929 ff. BGB mit einer Übereignung des Pkw auf der einen Seite und der Übereignung des Gelds auf der anderen Seite erfüllt (Verfügungsgeschäft).

 

Das Abstraktionsprinzip hingegen besagt, dass die Wirksamkeit beider Geschäfte voneinander unabhängig zu beurteilen ist.  Ein dinglicher Vertrag kann somit durchaus wirksam sein, selbst wenn der zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag nichtig ist.  Das dingliche Geschäft bedarf keines Zwecks und ist damit inhaltlich abstrakt.  Zudem ist ein wirksames Verpflichtungsgeschäft nicht erforderlich, sodass es auch äußerlich abstrakt ist.

 

Durch ein Verpflichtungsgeschäft wird lediglich die Pflicht einer Partei begründet, auf eine Änderung der Rechtslage hinzuwirken, die Rechtslage wird dadurch noch nicht geändert.  Verfügungsgeschäfte sind Geschäfte, die unmittelbar die Rechtslage verändern, indem sie das Recht aufheben, übertragen, belasten oder inhaltlich ändern (BGHZ 1, 294, 304).  Verfügungsgeschäfte dienen in der Regel der Erfüllung der Pflicht aus dem Verpflichtungsgeschäft, wobei Letzteres den Rechtsgrund für die Verfügung darstellt.  Deshalb bedarf es des Bereicherungsrechts nach §§ 812 ff. BGB, um etwa eine rechtsgrundlos herbeigeführte Verfügung wieder rückgängig zu machen.

 

Beispiel: Wenn der im vorigen Fall geschilderte Kaufvertrag etwa wegen einer Anfechtung unwirksam wäre, könnte der Käufer den bereits gezahlten Kaufpreis nun nach § 812 I 1 1. Alt. BGB vom Verkäufer zurückverlangen, da eben kein wirksamer Kaufvertrag als Grundlage für seine Zahlung existiert.  Die Eigentumsübertragung als Verfügungsgeschäft bleibt nämlich wirksam.  Der Verkäufer müsste dann einen weiteren Übereignungsvertrag mit dem Käufer schließen, um diesem das Eigentum an dem Geld wieder zu verschaffen.  Gleiches gilt dann für die Rückgabe des Pkw.

 

Aus dem Vorstehenden wird deutlich, dass der Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts noch nicht zu einer Änderung der dinglichen Rechtslage führt.  Wer also in der Klausur schreibt, der Käufer habe durch den Abschluss des Kaufvertrags das Eigentum an der Kaufsache erlangt, wird wohl nicht mehr bestehen können, selbst wenn die restlichen Ausführungen ordentlich sind.

 

Nun sind wir Juristen aber sehr begeistert von dem Satz: Keine Regel ohne Ausnahme.  Deshalb soll noch kurz dargestellt werden, ob es nicht auch Ausnahmen zu beiden Prinzipien gibt.

 

In einer älteren Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof einmal das Trennungsprinzip durchbrochen (BGHZ 78, 28, 35).  Dabei ging es um die Schenkung von Wohnungseigentum vom Vater an den Sohn.  Hier hatte das Gericht entschieden, dass im Rahmen der dinglichen Einigung (Auflassung), bei welcher der Vater den Sohn vertreten hatte, der Vater zwar nach § 181 BGB in Erfüllung des wirksamen Schenkungsversprechens gehandelt habe, sodass er eigentlich den Sohn wirksam habe vertreten können.  Es müssten bei der Betrachtung der Schenkung aber beide Geschäfte berücksichtigt werden, sodass schon die Schenkung als rechtlich nachteilig anzusehen sei und damit bei der dinglichen Einigung keine Erfüllung einer Verbindlichkeit iSd. § 181 BGB mehr vorlag.  Mittlerweile hat der Bundesgerichtshof jedoch entschieden, dass  eine Gesamtbetrachtung jedenfalls dann nicht veranlasst ist, wenn das Grundgeschäft bereits bei isolierter Betrachtung mit Rechtsnachteilen für den Minderjährigen verbunden und deshalb gemäß §§ 107, 108 I BGB schwebend unwirksam ist (BGH NJW 2005, 1430, 1431).  In einer weiteren Entscheidung spricht das Gericht sogar von einer mittlerweile aufgegebenen Rechtsprechung (BGH NJW 2010, 3643, Rn. 6).

 

Zum Abstraktionsprinzip gibt es mehrere Ausnahmen.  Von besonderer Bedeutung ist hier die sogenannte Fehleridentität, die vorliegt, wenn das Grund- und Verfügungsgeschäft an demselben Fehler leiden, welcher beide Geschäfte unwirksam macht (Petersen Jura 2004, 98, 99).  Gerade bei einer Anfechtung nach § 123 BGB wegen einer widerrechtlichen Drohung oder arglistigen Täuschung kann der Anfechtende somit auch das dingliche Geschäft  anfechten.  Der Anfechtungsgrund schlägt sozusagen vom Verpflichtungs- auf das Verfügungsgeschäft durch, wobei zur Begründung auf eine geringere Schutzwürdigkeit des Anfechtungsgegners abgestellt wird.  Ebenso liegt eine Fehleridentität bei Geschäftsunfähigkeit gem. § 104 BGB vor.



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