Juristische E-Bücher auf "Buy me a coffee" unter "Extras" billiger zu finden

Buy Me A Coffee

Willkommen zu "Zivilrecht Verstehen"

Hier finden Sie zahlreiche Beiträge zum Zivilrecht, Zivilprozessrecht und gelegentlich zum Strafrecht. Viel Spaß beim Lesen!

Freitag, 2. August 2024

Die verschiedenen Arten des Schuldanerkenntnisses

Arten von Schuldanerkenntnissen


Ein sehr schönes Beispiel für einen absoluten Randbereich im juristischen Studium ist die Materie des Schuldanerkenntnisses.

Mal Hand aufs Herz: Haben Sie sich jemals schon damit beschäftigt?

Hier kann man kaum jemandem verübeln, wenn er/sie auf Lücke lernt und einfach hofft, dass dieses Thema im Examen nicht geprüft wird. In der gängigen juristischen Ausbildungsliteratur findet sich dazu auch sehr wenig.

Im Folgenden will ich deshalb einen kurzen Überblick geben und die Einordnung im Gutachten erläutern.


1. Theoretische Grundlagen

 

Zunächst muss man zwischen drei verschiedenen Arten von Schuldanerkenntnissen unterscheiden. In allen Fällen muss eine Auslegung der Erklärungen der Parteien erfolgen, um feststellen zu können, was konkret gewollt war. Dabei gehen die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der verschiedenen Anerkenntnisse teilweise weit auseinander.

 

Einfaches Schuldanerkenntnis

 

Dazu findet sich im Gesetz keine Regelung.  Man stellt in einem solchen Fall fest, dass keine Willenserklärung, sondern nur eine Wissenserklärung vorliegt. Es handelt sich also nur ein Beweisanzeichen, das in einem Zivilprozess von Bedeutung sein kann. Auch kann es Bedeutung haben für den Beginn der Verjährung, siehe § 212 I Nr. 1 BGB, Hier bleibt dem Erklärenden aber der Gegenbeweis möglich. Der Bundesgerichtshof hat einmal ausgeführt, dass in diesem Anerkenntnis allenfalls eine Umkehr der Beweislast oder ein Indiz zu sehen sei. Es liegt also kein Rechtsbindungswille hinsichtlich einer irgendwie gearteten Schuldschaffung vor. Insofern sind auch keinerlei Formvorschriften zu beachten.

 

Schuldversprechen, § 780 BGB, Schuldanerkenntnis, § 781 BGB

 

§ 780 Schuldversprechen

Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung in der Weise versprochen wird, dass das Versprechen die Verpflichtung selbständig begründen soll (Schuldversprechen), ist, soweit nicht eine andere Form vorgeschrieben ist, schriftliche Erteilung des Versprechens erforderlich. Die Erteilung des Versprechens in elektronischer Form ist ausgeschlossen.

 

§ 781 Schuldanerkenntnis

Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den das Bestehen eines Schuldverhältnisses anerkannt wird (Schuldanerkenntnis), ist schriftliche Erteilung der Anerkennungserklärung erforderlich. Die Erteilung der Anerkennungserklärung in elektronischer Form ist ausgeschlossen. Ist für die Begründung des Schuldverhältnisses, dessen Bestehen anerkannt wird, eine andere Form vorgeschrieben, so bedarf der Anerkennungsvertrag dieser Form.

 

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass der Unterschied zwischen dem Schuldversprechen und dem Schuldanerkenntnis nur sprachlicher Natur ist, weshalb es nach weit überwiegender Ansicht auch in einem Gutachten ausreichend wäre, beide Normen gemeinsam als einheitliche Anspruchsgrundlage zu zitieren, obgleich vereinzelt empfohlen wird, sich für eine Norm zu entscheiden und diese Entscheidung zu begründen. Es handelt sich hier um ein konstitutives (abstraktes) Schuldanerkenntnis.

 

Ein etwaiges Versprechen des Schuldners, das die Voraussetzungen erfüllt, würde dann eine neue selbstständige Pflicht begründen. Diese wäre also losgelöst von einer etwa bereits bestehenden Schuld aus einem anderen Vertrag. Wichtig ist dabei, dass hier ein Vertrag vorliegt, also sind Angebot und Annahme nötig. Damit sind für diesen einseitig verpflichtenden Vertrag die allgemeinen Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB über Willenserklärungen und Verträge anzuwenden.

 

Von ganz besonderer Bedeutung ist hier die Auslegung nach §§ 133, 157 BGB. Regelmäßig kann man ein solches Anerkenntnis in der Prüfungsarbeit ablehnen, wenn die Parteien bei ihren Erklärungen auf ein Kausalverhältnis Bezug nehmen, weil dann ein abstrakter Schuldvertrag nicht gewollt wird. Generell besteht auch keine Vermutung für den Abschluss eines solchen Vertrags und man sollte Zurückhaltung üben. Zu fragen ist deshalb, ob die Parteien dem Gläubiger die Verfolgung seiner Rechte einfacher machen wollten, sodass er hinsichtlich des ursprünglich bestehenden Anspruchs nicht mehr darlegungs- und beweisbelastet sein sollte.

 

Jede Leistung kann Gegenstand des abstrakten Schuldvertrages sein, die auch in irgendeinem Schuldverhältnisses gem. § 241 I BGB vereinbart werden kann.

 

Eine Besonderheit dieses Anerkenntnisses ist, dass man die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform beachten muss, § 126 BGB. Allerdings ist davon nur die Erklärung des Schuldners umfasst, nicht aber diejenige des Gläubigers. Eine Ausnahme gilt gem. § 350 HGB für die Erklärung durch einen Kaufmann im Rahmen seines Handelsgeschäfts. Komplizierter wird es, wenn der abstrakte Schuldvertrag die Übereignung eines Grundstücks beinhaltet, weil dann nach § 311 b I BGB die Form der notariellen Beurkundung gilt und sich die Formbedürftigkeit auf beide Erklärungen von Schuldner und Gläubiger erstreckt.

 

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Schuldvertrag an Unwirksamkeitsgründen leiden und damit nichtig sein kann. Aber in begrenztem Umfang kann auch ein etwa zugrunde liegender unwirksamer Kausalvertrag auf das Anerkenntnis Auswirkungen haben. Dem Grundsatz nach ist das Anerkenntnis vom Kausalvertrag losgelöst. Allerdings streitet man sich, ob davon nicht eine Ausnahme zu machen ist, wenn der Kausalvertrag wegen eines Gesetzesverstoßes nach § 134 BGB oder einer Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB nichtig ist. Insbesondere das Reichsgericht und der Bundesgerichtshof haben eine Nichtigkeit des Schuldvertrags in solchen Fällen abgelehnt, was der heute weit verbreiteten Literaturmeinung widerspricht. Letztlich kann aber auch nach der restriktiven Ansicht eine Rückforderung des Anerkenntnisses nach Bereicherungsrecht erfolgen, da in der Vorschrift des § 812 II BGB ausdrücklich erwähnt ist, dass auch das Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis als eine Leistung zu sehen sind, die nach dem Kondiktionsrecht zurückgefordert werden kann. So wäre es z.B. denkbar, dass der Schuldner die Einrede des §§ 821, 812 II BGB erhebt, wenn ein Rechtsgrund für die Abgabe des Schuldversprechens nicht gegeben ist.

 

Wenn man einmal ein wirksames Schuldversprechen festgestellt hat, stellt sich die Frage, wie dieses zu der Forderung aus einem etwaigen Kausalvertrag steht. Das Schuldanerkenntnis wird regelmäßig nach § 364 II BGB nur erfüllungshalber erklärt, sodass nunmehr zwei Forderungen für den Gläubiger existieren. Natürlich kann er die Leistung jetzt nicht zweimal verlangen, sondern mit Zahlung auf die eine Schuld erlischt auch die andere. Die Parteien können aber auch vereinbaren, dass die Forderung aus dem Kausalverhältnis durch die nunmehr neu begründete Forderung ersetzt werden soll, also eine Novation erfolgt und nur eine Forderung besteht, § 364 I BGB.

 

Deklaratorisches Schuldanerkenntnis

 

Auch dieses Schuldanerkenntnis ist wie das einfache Anerkenntnis gesetzlich nicht geregelt. Hierdurch wird ein bereits bestehendes Schuldverhältnis bekräftigt.  Es erfolgt also keine Begründung eines neuen, eigenständigen Anspruchs, sondern die Parteien wollen damit nur Klarheit über ein bereits bestehendes Schuldverhältnis schaffen, dessen Grund oder Umfang unstreitig gestellt wird. Somit werden in diesen Fällen Einwendungen gegen die Forderung ausgeschlossen, was allerdings für den Erklärenden sehr gefährlich ist. Denn dieses Anerkenntnis kann auch durch das Bereicherungsrecht nicht mehr beseitigt werden.

 

Auch für dieses kausale Schuldanerkenntnis ist ein Vertragsschluss erforderlich, wobei allerdings nach herrschender Ansicht keine besondere Form zu beachten ist. Falls ein Schuldverhältnis gar nicht besteht, dessen Grund oder Umfang streitig ist, hat das kausale Schuldanerkenntnis keine konstitutiven Wirkungen und führt auch nicht zum Entstehen einer neuen Schuld. Wie bereits vorstehend beschrieben, wird regelmäßig ein deklaratorisches und kein abstraktes Anerkenntnis vorliegen, wenn die Erklärung des Schuldners den Schuldgrund erwähnt.

 

Die Wirkung des Anerkenntnisses zeigt sich darin, dass der Schuldner auf diejenigen Einwendungen und Einreden verzichtet, die ihm bei Abgabe seiner Erklärung bekannt sind oder mit denen er zumindest hätte rechnen müssen.

 

Für die Ausbildung sind insbesondere die Erklärungen am Unfallort als Musterbeispiel heranzuziehen. In solchen Fällen erklärt ein Unfallbeteiligter noch an der Unfallstelle, dass er die Schuld an dem Unfall trage. Hier muss in einer Prüfungsarbeit abgegrenzt werden, was konkret mit der Erklärung gewollt war. Oft wird es dann an einem Rechtsbindungswillen fehlen, weshalb nur das einfache Anerkenntnis mit der Beweislastumkehr oder einem bloßen Indiz (siehe ganz oben) gegeben ist. Wenn aber mehr als nur eine spontane Äußerung vorliegt und die Parteien über die Ersatzpflicht ausgiebig verhandeln, kann durchaus ein deklaratorisches Anerkenntnis angenommen werden.

 

2. Einordnung im Gutachten

 

Nun darf man die vorstehenden Kenntnisse in einem Gutachten nicht einfach ungeordnet niederschreiben. Vielmehr sind die jeweiligen Arten des Schuldanerkenntnisses an verschiedenen Stellen im Aufbau anzusprechen.

 

Hinsichtlich des abstrakten Schuldanerkenntnisses ist bei einem Anspruch aus diesem Vertrag die Anspruchsgrundlage der §§ 780, 781, 311 I, 241 I BGB zu nennen, wenn ein Anspruch auf Zahlung geltend gemacht wird. Denn hier wurde ja eine neue Schuld durch einen Vertrag geschaffen, auf den sich der Gläubiger nunmehr berufen kann.

 

Denkbar wäre eine Konstellation in einer Prüfungsarbeit, in der z.B. der Käufer hinsichtlich seiner Kaufpreisschuld ein abstraktes Schuldanerkenntnis abgibt. Wenn der Verkäufer nun nach einer Irrtumsanfechtung seitens des Käufers gegen diesen aus dem Kaufvertrag auf Zahlung vorgeht, müsste hier die Wirksamkeit der Anfechtung geprüft werden. Aber auch wenn der Verkäufer aus dem Schuldanerkenntnis Leistung verlangt, könnte der Käufer ein Leistungsverweigerungsrecht haben aus § 821 BGB, wenn der Kaufvertrag wegen einer Anfechtung unwirksam wäre.

 

Die Situation ist in den anderen beiden Fällen allerdings ganz anders. Hier kann man das Anerkenntnis selbst nicht als Anspruchsgrundlage heranziehen. Vielmehr wäre bei einem einfachen Anerkenntnis nur eine Beeinflussung der Beweislast in einem Zivilprozess gegeben, was sich natürlich für die Ausbildung an der Universität nicht besonders eignet, denn dort geht es regelmäßig nicht um Beweisfragen.

 

Das deklaratorische Anerkenntnis stellt ebenso keine Anspruchsgrundlage dar. Nachdem der Schuldner aber auf Einwendungen und Einreden aus einem bereits bestehenden Schuldverhältnis verzichtet, wäre ein Anspruch auf Leistung aus diesem ursprünglichen Verhältnis zu prüfen. Erst dann, wenn der Schuldner gegen den Anspruch auf Leistung Einwendungen erhebt, wäre im Gutachten das deklaratorische Anerkenntnis anzusprechen, weshalb ihm der Einwand abgeschnitten sein könnte. Dazu ein Beispiel:

 

An einem Abend in der Disco rempelt der S den G versehentlich an, wodurch dieser seinen Whiskey über seine Hose schüttet, die folglich professionell gereinigt werden musste. Sogleich fordert der G den S auf, die Schuld an dem Verschütten infolge des Anrempelns schriftlich auf einem Bierdeckel zu erklären, was dieser auch spontan tut. Der G verlangt in der Folge die Reinigungskosten vom S, der sich nun darauf beruft, dass der G eine Mitschuld trage, da er zur Zeit des Zusammenstoßes den Weg zum Ausgang behindert habe.

 

Die Anspruchsgrundlage für den Schadensersatz des G könnte man zunächst in §§ 780, 781, 311 I, 241 I BGB sehen. Jedenfalls wäre die Schriftform beachtet. Allerdings ist nach Auslegung des Verhaltens der Parteien nicht davon auszugehen, dass eine neue Schuld geschaffen werden sollte, denn sie hatten bei Abgabe des Anerkenntnisses auf das Anrempeln und damit auf diesen Schuldgrund Bezug genommen.

 

Richtigerweise ergibt sich ein Anspruch auf Schadensersatz hier aus § 823 I BGB. Die Voraussetzungen der Norm sind gegeben, da der S laut Sachverhalt insbesondere fahrlässig handelte. Nun hat der S aber eingewendet, den G treffe eine Mitschuld an dem Schaden. Diese wäre gem. § 254 I BGB beim Anspruch auf Schadensersatz anspruchsmindernd zu berücksichtigen. An dieser Stelle im Gutachten muss daher abgegrenzt werden, ob ein einfaches oder ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis vorlag.

 

Wenn ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis vorläge, könnte der S sich nicht mehr auf das Mitverschulden berufen, denn dieser Einwand wäre ihm dann verwehrt. Sofern ein einfaches Anerkenntnis vorläge, könnte der G immerhin noch den Beweis des Mitverschuldens im Prozess führen. Die Abgrenzung erfolgt wiederum im Wege der Auslegung, bei der man sich mit guter Begründung in die eine oder andere Richtung entscheiden kann. Zwar hat der S bei dem Schreiben auf dem Bierdeckel auf den Schuldgrund Bezug genommen, was für ein deklaratorisches Anerkenntnis spricht. Dennoch scheint es eher um ein einfaches Anerkenntnis zu gehen, da die Erklärung spontan und ohne jegliche Diskussion über die Ersatzpflicht und die Umständen der Verletzung erfolgte.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen