Ein sehr schönes Beispiel für einen absoluten Randbereich im juristischen Studium ist die Materie des Schuldanerkenntnisses.
Mal Hand aufs Herz: Haben Sie sich jemals schon damit beschäftigt?
Hier kann man kaum jemandem verübeln, wenn er/sie auf Lücke lernt und einfach hofft, dass dieses Thema im Examen nicht geprüft wird. In der gängigen juristischen Ausbildungsliteratur findet sich dazu auch sehr wenig.
Im Folgenden will ich deshalb einen kurzen Überblick geben und die Einordnung im Gutachten erläutern.
1. Theoretische Grundlagen
Zunächst muss man zwischen
drei verschiedenen Arten von Schuldanerkenntnissen unterscheiden. In allen
Fällen muss eine Auslegung der Erklärungen der Parteien erfolgen, um
feststellen zu können, was konkret gewollt war. Dabei gehen die Voraussetzungen
und Rechtsfolgen der verschiedenen Anerkenntnisse teilweise weit auseinander.
Einfaches Schuldanerkenntnis
Dazu findet sich im Gesetz
keine Regelung. Man stellt in einem
solchen Fall fest, dass keine Willenserklärung, sondern nur eine
Wissenserklärung vorliegt. Es handelt sich also nur ein Beweisanzeichen, das in
einem Zivilprozess von Bedeutung sein kann. Auch kann es Bedeutung haben für
den Beginn der Verjährung, siehe § 212 I Nr. 1 BGB, Hier bleibt dem Erklärenden
aber der Gegenbeweis möglich. Der Bundesgerichtshof hat einmal ausgeführt, dass
in diesem Anerkenntnis allenfalls eine Umkehr der Beweislast oder ein Indiz zu
sehen sei. Es liegt also kein Rechtsbindungswille hinsichtlich einer irgendwie gearteten
Schuldschaffung vor. Insofern sind auch keinerlei Formvorschriften zu beachten.
Schuldversprechen, § 780 BGB, Schuldanerkenntnis, § 781 BGB
§
780 Schuldversprechen
Zur
Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung in der Weise versprochen wird,
dass das Versprechen die Verpflichtung selbständig begründen soll
(Schuldversprechen), ist, soweit nicht eine andere Form vorgeschrieben ist,
schriftliche Erteilung des Versprechens erforderlich. Die Erteilung des
Versprechens in elektronischer Form ist ausgeschlossen.
§
781 Schuldanerkenntnis
Zur
Gültigkeit eines Vertrags, durch den das Bestehen eines Schuldverhältnisses
anerkannt wird (Schuldanerkenntnis), ist schriftliche Erteilung der
Anerkennungserklärung erforderlich. Die Erteilung der Anerkennungserklärung in
elektronischer Form ist ausgeschlossen. Ist für die Begründung des
Schuldverhältnisses, dessen Bestehen anerkannt wird, eine andere Form
vorgeschrieben, so bedarf der Anerkennungsvertrag dieser Form.
Zunächst einmal ist
festzuhalten, dass der Unterschied zwischen dem Schuldversprechen und dem
Schuldanerkenntnis nur sprachlicher Natur ist, weshalb es nach weit
überwiegender Ansicht auch in einem Gutachten ausreichend wäre, beide Normen
gemeinsam als einheitliche Anspruchsgrundlage zu zitieren, obgleich vereinzelt
empfohlen wird, sich für eine Norm zu entscheiden und diese Entscheidung zu
begründen. Es handelt sich hier um ein konstitutives (abstraktes)
Schuldanerkenntnis.
Ein etwaiges Versprechen des
Schuldners, das die Voraussetzungen erfüllt, würde dann eine neue
selbstständige Pflicht begründen. Diese wäre also losgelöst von einer etwa
bereits bestehenden Schuld aus einem anderen Vertrag. Wichtig ist dabei, dass
hier ein Vertrag vorliegt, also sind Angebot und Annahme nötig. Damit sind für
diesen einseitig verpflichtenden Vertrag die allgemeinen Vorschriften des
Allgemeinen Teils des BGB über Willenserklärungen und Verträge anzuwenden.
Von ganz besonderer
Bedeutung ist hier die Auslegung nach §§ 133, 157 BGB. Regelmäßig kann man ein
solches Anerkenntnis in der Prüfungsarbeit ablehnen, wenn die Parteien bei
ihren Erklärungen auf ein Kausalverhältnis Bezug nehmen, weil dann ein
abstrakter Schuldvertrag nicht gewollt wird. Generell besteht auch keine
Vermutung für den Abschluss eines solchen Vertrags und man sollte Zurückhaltung
üben. Zu fragen ist deshalb, ob die Parteien dem Gläubiger die Verfolgung
seiner Rechte einfacher machen wollten, sodass er hinsichtlich des ursprünglich
bestehenden Anspruchs nicht mehr darlegungs- und beweisbelastet sein sollte.
Jede Leistung kann
Gegenstand des abstrakten Schuldvertrages sein, die auch in irgendeinem
Schuldverhältnisses gem. § 241 I BGB vereinbart werden kann.
Eine Besonderheit dieses
Anerkenntnisses ist, dass man die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform
beachten muss, § 126 BGB. Allerdings ist davon nur die Erklärung des Schuldners
umfasst, nicht aber diejenige des Gläubigers. Eine Ausnahme gilt gem. § 350 HGB
für die Erklärung durch einen Kaufmann im Rahmen seines Handelsgeschäfts.
Komplizierter wird es, wenn der abstrakte Schuldvertrag die Übereignung eines
Grundstücks beinhaltet, weil dann nach § 311 b I BGB die Form der notariellen
Beurkundung gilt und sich die Formbedürftigkeit auf beide Erklärungen von
Schuldner und Gläubiger erstreckt.
Aus dem Vorstehenden ergibt
sich, dass der Schuldvertrag an Unwirksamkeitsgründen leiden und damit nichtig
sein kann. Aber in begrenztem Umfang kann auch ein etwa zugrunde liegender
unwirksamer Kausalvertrag auf das Anerkenntnis Auswirkungen haben. Dem
Grundsatz nach ist das Anerkenntnis vom Kausalvertrag losgelöst. Allerdings
streitet man sich, ob davon nicht eine Ausnahme zu machen ist, wenn der
Kausalvertrag wegen eines Gesetzesverstoßes nach § 134 BGB oder einer
Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB nichtig ist. Insbesondere das Reichsgericht und
der Bundesgerichtshof haben eine Nichtigkeit des Schuldvertrags in solchen
Fällen abgelehnt, was der heute weit verbreiteten Literaturmeinung
widerspricht. Letztlich kann aber auch nach der restriktiven Ansicht eine
Rückforderung des Anerkenntnisses nach Bereicherungsrecht erfolgen, da in der
Vorschrift des § 812 II BGB ausdrücklich erwähnt ist, dass auch das
Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis als eine Leistung zu sehen sind, die
nach dem Kondiktionsrecht zurückgefordert werden kann. So wäre es z.B. denkbar,
dass der Schuldner die Einrede des §§ 821, 812 II BGB erhebt, wenn ein
Rechtsgrund für die Abgabe des Schuldversprechens nicht gegeben ist.
Wenn man einmal ein
wirksames Schuldversprechen festgestellt hat, stellt sich die Frage, wie dieses
zu der Forderung aus einem etwaigen Kausalvertrag steht. Das Schuldanerkenntnis
wird regelmäßig nach § 364 II BGB nur erfüllungshalber erklärt, sodass nunmehr
zwei Forderungen für den Gläubiger existieren. Natürlich kann er die Leistung
jetzt nicht zweimal verlangen, sondern mit Zahlung auf die eine Schuld erlischt
auch die andere. Die Parteien können aber auch vereinbaren, dass die Forderung
aus dem Kausalverhältnis durch die nunmehr neu begründete Forderung ersetzt
werden soll, also eine Novation erfolgt und nur eine Forderung besteht, § 364 I
BGB.
Deklaratorisches Schuldanerkenntnis
Auch dieses
Schuldanerkenntnis ist wie das einfache Anerkenntnis gesetzlich nicht geregelt.
Hierdurch wird ein bereits bestehendes Schuldverhältnis bekräftigt. Es erfolgt also keine Begründung eines neuen,
eigenständigen Anspruchs, sondern die Parteien wollen damit nur Klarheit über
ein bereits bestehendes Schuldverhältnis schaffen, dessen Grund oder Umfang
unstreitig gestellt wird. Somit werden in diesen Fällen Einwendungen gegen die
Forderung ausgeschlossen, was allerdings für den Erklärenden sehr gefährlich
ist. Denn dieses Anerkenntnis kann auch durch das Bereicherungsrecht nicht mehr
beseitigt werden.
Auch für dieses kausale
Schuldanerkenntnis ist ein Vertragsschluss erforderlich, wobei allerdings nach
herrschender Ansicht keine besondere Form zu beachten ist. Falls ein
Schuldverhältnis gar nicht besteht, dessen Grund oder Umfang streitig ist, hat
das kausale Schuldanerkenntnis keine konstitutiven Wirkungen und führt auch
nicht zum Entstehen einer neuen Schuld. Wie bereits vorstehend beschrieben,
wird regelmäßig ein deklaratorisches und kein abstraktes Anerkenntnis
vorliegen, wenn die Erklärung des Schuldners den Schuldgrund erwähnt.
Die Wirkung des
Anerkenntnisses zeigt sich darin, dass der Schuldner auf diejenigen
Einwendungen und Einreden verzichtet, die ihm bei Abgabe seiner Erklärung
bekannt sind oder mit denen er zumindest hätte rechnen müssen.
Für die Ausbildung sind
insbesondere die Erklärungen am Unfallort als Musterbeispiel heranzuziehen. In
solchen Fällen erklärt ein Unfallbeteiligter noch an der Unfallstelle, dass er
die Schuld an dem Unfall trage. Hier muss in einer Prüfungsarbeit abgegrenzt
werden, was konkret mit der Erklärung gewollt war. Oft wird es dann an einem
Rechtsbindungswillen fehlen, weshalb nur das einfache Anerkenntnis mit der
Beweislastumkehr oder einem bloßen Indiz (siehe ganz oben) gegeben ist. Wenn
aber mehr als nur eine spontane Äußerung vorliegt und die Parteien über die
Ersatzpflicht ausgiebig verhandeln, kann durchaus ein deklaratorisches
Anerkenntnis angenommen werden.
2. Einordnung im Gutachten
Nun darf man die
vorstehenden Kenntnisse in einem Gutachten nicht einfach ungeordnet niederschreiben.
Vielmehr sind die jeweiligen Arten des Schuldanerkenntnisses an verschiedenen
Stellen im Aufbau anzusprechen.
Hinsichtlich des abstrakten
Schuldanerkenntnisses ist bei einem Anspruch aus diesem Vertrag die
Anspruchsgrundlage der §§ 780, 781, 311 I, 241 I BGB zu nennen, wenn ein
Anspruch auf Zahlung geltend gemacht wird. Denn hier wurde ja eine neue Schuld
durch einen Vertrag geschaffen, auf den sich der Gläubiger nunmehr berufen
kann.
Denkbar wäre eine
Konstellation in einer Prüfungsarbeit, in der z.B. der Käufer hinsichtlich
seiner Kaufpreisschuld ein abstraktes Schuldanerkenntnis abgibt. Wenn der
Verkäufer nun nach einer Irrtumsanfechtung seitens des Käufers gegen diesen aus
dem Kaufvertrag auf Zahlung vorgeht, müsste hier die Wirksamkeit der Anfechtung
geprüft werden. Aber auch wenn der Verkäufer aus dem Schuldanerkenntnis
Leistung verlangt, könnte der Käufer ein Leistungsverweigerungsrecht haben aus
§ 821 BGB, wenn der Kaufvertrag wegen einer Anfechtung unwirksam wäre.
Die Situation ist in den
anderen beiden Fällen allerdings ganz anders. Hier kann man das Anerkenntnis
selbst nicht als Anspruchsgrundlage heranziehen. Vielmehr wäre bei einem
einfachen Anerkenntnis nur eine Beeinflussung der Beweislast in einem
Zivilprozess gegeben, was sich natürlich für die Ausbildung an der Universität
nicht besonders eignet, denn dort geht es regelmäßig nicht um Beweisfragen.
Das deklaratorische
Anerkenntnis stellt ebenso keine Anspruchsgrundlage dar. Nachdem der Schuldner
aber auf Einwendungen und Einreden aus einem bereits bestehenden
Schuldverhältnis verzichtet, wäre ein Anspruch auf Leistung aus diesem
ursprünglichen Verhältnis zu prüfen. Erst dann, wenn der Schuldner gegen den
Anspruch auf Leistung Einwendungen erhebt, wäre im Gutachten das
deklaratorische Anerkenntnis anzusprechen, weshalb ihm der Einwand
abgeschnitten sein könnte. Dazu ein Beispiel:
An einem Abend in der Disco
rempelt der S den G versehentlich an, wodurch dieser seinen Whiskey über seine
Hose schüttet, die folglich professionell gereinigt werden musste. Sogleich
fordert der G den S auf, die Schuld an dem Verschütten infolge des Anrempelns
schriftlich auf einem Bierdeckel zu erklären, was dieser auch spontan tut. Der
G verlangt in der Folge die Reinigungskosten vom S, der sich nun darauf beruft,
dass der G eine Mitschuld trage, da er zur Zeit des Zusammenstoßes den Weg zum
Ausgang behindert habe.
Die Anspruchsgrundlage für
den Schadensersatz des G könnte man zunächst in §§ 780, 781, 311 I, 241 I BGB
sehen. Jedenfalls wäre die Schriftform beachtet. Allerdings ist nach Auslegung
des Verhaltens der Parteien nicht davon auszugehen, dass eine neue Schuld
geschaffen werden sollte, denn sie hatten bei Abgabe des Anerkenntnisses auf
das Anrempeln und damit auf diesen Schuldgrund Bezug genommen.
Richtigerweise ergibt sich
ein Anspruch auf Schadensersatz hier aus § 823 I BGB. Die Voraussetzungen der
Norm sind gegeben, da der S laut Sachverhalt insbesondere fahrlässig handelte.
Nun hat der S aber eingewendet, den G treffe eine Mitschuld an dem Schaden.
Diese wäre gem. § 254 I BGB beim Anspruch auf Schadensersatz anspruchsmindernd
zu berücksichtigen. An dieser Stelle im Gutachten muss daher abgegrenzt werden,
ob ein einfaches oder ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis vorlag.
Wenn ein deklaratorisches
Schuldanerkenntnis vorläge, könnte der S sich nicht mehr auf das Mitverschulden
berufen, denn dieser Einwand wäre ihm dann verwehrt. Sofern ein einfaches
Anerkenntnis vorläge, könnte der G immerhin noch den Beweis des Mitverschuldens
im Prozess führen. Die Abgrenzung erfolgt wiederum im Wege der Auslegung, bei
der man sich mit guter Begründung in die eine oder andere Richtung entscheiden
kann. Zwar hat der S bei dem Schreiben auf dem Bierdeckel auf den Schuldgrund
Bezug genommen, was für ein deklaratorisches Anerkenntnis spricht. Dennoch
scheint es eher um ein einfaches Anerkenntnis zu gehen, da die Erklärung
spontan und ohne jegliche Diskussion über die Ersatzpflicht und die Umständen
der Verletzung erfolgte.
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