Nicht selten stellt sich in der universitären Ausbildung das Problem, dass eine Partei von der anderen Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung verlangt, wobei es entscheidend darauf ankommt, ob dem Schuldner der Vorwurf des Vertretenmüssens gemacht werden kann.
Wenn etwa ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 I BGB zu prüfen ist, wäre regelmäßig anzusprechen, ob dem Schuldner Fahrlässigkeit (am Vorsatz wird es häufig fehlen) hinsichtlich der Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Fahrlässig handelt dabei, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, § 276 II BGB.
Wie sieht es dann bei einem Rechtsirrtum aus?
Haftungsverschärfungen/Haftungsmilderungen
Nun gibt es im Rahmen des Vertretenmüssens Haftungsverschärfungen, wie etwa die Übernahme einer Garantie oder des Beschaffungsrisikos, § 276 I BGB, oder wie z.B. die Haftung für die finanzielle Leistungsfähigkeit, die aus der Existenz des Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts abgeleitet wird, sodass eine verschuldensunabhängige Einstandspflicht für das finanzielle Leistungsvermögen besteht („Geld hat man zu haben“).
Andererseits bestehen auch Haftungsmilderungen, siehe §§ 300 I, 521, 599, 680 BGB.
Außerhalb dieser Abänderungen des Haftungsmaßstabs geht es in Prüfungsarbeiten doch weit überwiegend um eine einfache Fahrlässigkeit. In diesem Zusammenhang stellt sich dann gelegentlich die Frage, ob der Schuldner einem verschuldeten oder unverschuldeten Rechtsirrtum unterlag.
Verschuldeter/unverschuldeter Rechtsirrtum
Dazu hat der
Bundesgerichtshof in einer Entscheidung Stellung genommen. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 - II ZR
23/14, Rn. 37 f.:
„Nach
§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegt es dem Schuldner, also hier dem Beklagten,
darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, dass er seine Pflichtverletzung nicht
zu vertreten hat. Die Voraussetzungen eines unverschuldeten Rechtsirrtums hat
der Beklagte nicht dargelegt. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs fordert der Geltungsanspruch des Rechts, dass der
Verpflichtete grundsätzlich das Risiko eines Irrtums über die Rechtslage selbst
trägt. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt daher regelmäßig nur dann vor,
wenn er die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung sorgfältig geprüft hat und bei Anwendung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt auch mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte
nicht zu rechnen brauchte. Ein solcher Ausnahmefall ist etwa dann anzunehmen,
wenn der Schuldner eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung für seine
Auffassung in Anspruch nehmen konnte und eine spätere Änderung derselben nicht
zu befürchten brauchte (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2014 - VIII
ZR 103/13, BGHZ 201, 91 Rn. 23 ff.; Urteil vom 11. Juni 2014 - VIII ZR 349/13,
NJW 2014, 2727 Rn. 34 ff. mwN).
Musste
er dagegen mit der Möglichkeit rechnen, dass das zuständige Gericht einen
anderen Rechtsstandpunkt einnehmen würde als er, ist ihm regelmäßig ein
Verschulden anzulasten. Der Schuldner darf das Risiko einer zweifelhaften
Rechtslage nicht dem Gläubiger zuschieben. Entscheidet er sich bei einer
unsicheren Rechtslage dafür, die von ihm geforderte Leistung nicht zu
erbringen, geht er - von besonderen Sachlagen abgesehen - das Risiko, dass sich
seine Einschätzung später als falsch erweist, zumindest fahrlässig ein und hat
deshalb seine Nichtleistung zu vertreten, wenn er - wie in einem späteren
Rechtsstreit festgestellt wird - zur Leistung verpflichtet war (BGH, Urteil vom
11. Juni 2014 - VIII ZR 349/13, NJW 2014, 2727 Rn. 36 ff.).“
Wenn also der Schuldner als
juristischer Laie die Rechtslage nicht verlässlich einschätzen kann, ist er
gehalten, sich Rechtsrat einzuholen.
Sollte dann etwa ein Rechtsanwalt die Situation falsch beurteilen, muss
sich der Schuldner dies nach § 278 BGB zurechnen lassen und haftet dennoch (BGH
NJW 2014, 2720, Rn. 25).
Hier sind weitere Artikel zum Schadensrecht zu finden
Mitverschulden
bei der Haftungsausfüllung, § 254 II 1 BGB
Dieselskandal
und Schadensrecht
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bei Verletzung des Anwartschaftsrechts
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