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Dienstag, 1. März 2016

Vertragsschluss beim Bäcker/Metzger im Supermarkt

Vertragsschluss beim Bäcker/Metzger im Supermarkt


Ein sehr umstrittenes Problem der Rechtsgeschäftslehre ist die Frage, wann ein Vertragsschluss beim Bäcker/Metzger im Supermarkt erfolgt.

Nachdem der Tante-Emma-Laden mit persönlicher Bedienung heutzutage so gut wie ausgestorben ist und regelmäßig riesige Supermärkte ihre Waren auf Regalen zum selbstständigen Entnehmen auslegen, haben sich verschiedene Ansichten dazu entwickelt, wann ein Kaufvertrag zustande kommt und wer in dieser Situation konkret das Angebot abgibt und wer die Annahme erklärt.


1. Grundsatz


Teilweise wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dass das Auslegen der Waren auf den Regalen einen Antrag an die Allgemeinheit (offerte ad incertas personas) darstelle, wobei der einkaufende Kunde dieses Angebot durch das Vorlegen der Ware an der Kasse annehme und somit einen Kaufvertrag zustande bringe.  Nachdem die essentialia negotii feststünden, also insbesondere der konkrete Kaufgegenstand und sein Preis, sei somit auch von einem Rechtsbindungswillen des Betreibers des Supermarktes beim Ausstellen der Ware auszugehen.

 

Demgegenüber wird überwiegend angenommen, dass das Auslegen der Ware lediglich eine invitatio ad offerendum sei, also nur die Aufforderung an den Kunden, ein Angebot abzugeben.  Diesen Antrag mache der Kunde, wenn er die Ware an der Kasse vorlege, sodass ein Kassierer den Preis eintippen oder scannen könne und damit das Angebot annehme.

 

Vom Grundsatz her erscheint die letztere Meinung überzeugend zu sein.  Ob der Betreiber des Supermarktes einen Rechtsbindungswillen hinsichtlich der ausgelegten Ware hat, ist vom objektiven Empfängerhorizont nach §§ 133, 157 BGB zu beurteilen.

Jedem dürfte in diesem Zusammenhang verständlich sein, dass der Betreiber etwa einem Kunden, der bereits ein Hausverbot erhalten hat, kein Angebot machen will.  Ebenso leuchtet ein, dass sich der Verkäufer bei einer Falschauszeichnung noch an der Kasse gegen den Abschluss des Kaufvertrags wenden kann und nicht erst im Nachhinein eine Anfechtung wegen Irrtums erklären muss, die dann einen Schadensersatzanspruch nach sich ziehen kann.  Zudem ist nachvollziehbar, dass der Betreiber etwa den massenhaften Einkauf seines Sonderangebots durch einen Konkurrenten verhindern will.

 

2. Ausnahme


Es wäre allerdings zu kurz gegriffen, würde man diesen Grundsatz blind in jedem Fall anwenden.  Vielmehr gilt es, die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen.

Eine solche Ausnahmesituation stellen die im Supermarkt regelmäßig im hinteren Teil aufzufindenden Bäckereien oder Metzgereien dar.  Dort wird der Kunde individuell durch einen Angestellten bedient und erhält die gewünschte Ware ausgehändigt.

Hier sprechen gewichtige Gründe dafür, den Kaufvertrag schon an der Theke und nicht erst am Ausgang des Supermarktes an der Kasse anzunehmen, wie vorstehend dargestellt.  Das Angebot ist in dem Wunsch des Kunden zu sehen, eine bestimmte Menge der gewünschten Ware zu erhalten, die dann nach dessen individuellen Bedürfnissen zusammengestellt wird, wie etwa beim Aufschneiden von 100 g Wurst einer bestimmten Sorte.  Den Antrag des Kunden nimmt der Bedienstete hinter der Theke in der Regel konkludent durch das Zusammenstellen, Verpacken und Aushändigen der Ware an.

 

Wie man nicht oft genug wiederholen kann, kommt es in der Juristerei auf die Argumentation an, d.h., man muss im Wege der Auslegung des Verhaltens der Parteien ein vertretbares Ergebnis erzielen.  Wer sich also in einer Prüfungsaufgabe mit diesem Problem konfrontiert sieht, muss schlagkräftige Argumente für oder gegen den Vertragsschluss an der Theke finden.

 

Meiner Ansicht nach sollte man hier den Vertrag wegen des objektiven Erklärungswertes bereits als geschlossen ansehen und nicht auf das Vorlegen und Eintippen an der Kasse abstellen.

Zum einen liegt die Situation an der Theke des Bäckers oder Metzgers anders, weil hier nicht nur eine Auslage einer bereits verpackten Ware auf einem Regal stattfindet, sondern eine individuelle Bedienung durch eine Person erfolgt.

Zum anderen wird die verderbliche Ware auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten und kann in der Regel aus lebensmittelrechtlichen Gründen nicht mehr zurückgenommen und anderweitig verkauft werden.

Das stellt einen gravierenden Unterschied etwa zu einer Dose Bohnen dar, die man ohne weiteres wieder auf das Regal zurückstellen kann, ohne dass die anderweitige Absetzbarkeit beeinträchtigt wäre.  Allein diese Betrachtung dürfte dem Interesse des Supermarktbetreibers entsprechen und somit für jeden erkennbar zu der Schlussfolgerung führen, dass die Aushändigung der Ware mit einem Rechtsbindungswillen zum Abschluss eines Kaufvertrags erfolgt.

Für das Einfüllen des Benzins an der Selbstbedienungstankstelle hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Vertragsschluss nicht erst an der Kasse, sondern an der Zapfsäule erfolgt, da ein praktisch unumkehrbarer Zustand geschaffen werde, sodass nur dies dem Interesse beider Parteien entspreche (BGH NJW 2011, 2871 Rn. 16).  Diese Grundsätze sind richtigerweise wegen ihrer Vergleichbarkeit beim Verkauf an der Theke des Bäckers oder Metzgers im Supermarkt entsprechend anzuwenden.








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