1. Grundsatz
Teilweise wird in der
Literatur die Ansicht vertreten, dass das Auslegen der Waren auf den Regalen
einen Antrag an die Allgemeinheit (offerte ad incertas personas) darstelle,
wobei der einkaufende Kunde dieses Angebot durch das Vorlegen der Ware an der
Kasse annehme und somit einen Kaufvertrag zustande bringe. Nachdem die essentialia negotii feststünden,
also insbesondere der konkrete Kaufgegenstand und sein Preis, sei somit auch
von einem Rechtsbindungswillen des Betreibers des Supermarktes beim Ausstellen
der Ware auszugehen.
Demgegenüber wird
überwiegend angenommen, dass das Auslegen der Ware lediglich eine invitatio ad
offerendum sei, also nur die Aufforderung an den Kunden, ein Angebot
abzugeben. Diesen Antrag mache der
Kunde, wenn er die Ware an der Kasse vorlege, sodass ein Kassierer den Preis
eintippen oder scannen könne und damit das Angebot annehme.
Vom Grundsatz her erscheint die letztere Meinung überzeugend zu sein. Ob der Betreiber des Supermarktes einen Rechtsbindungswillen hinsichtlich der ausgelegten Ware hat, ist vom objektiven Empfängerhorizont nach §§ 133, 157 BGB zu beurteilen.
Jedem dürfte in diesem Zusammenhang verständlich sein, dass der
Betreiber etwa einem Kunden, der bereits ein Hausverbot erhalten hat, kein
Angebot machen will. Ebenso leuchtet
ein, dass sich der Verkäufer bei einer Falschauszeichnung noch an der Kasse
gegen den Abschluss des Kaufvertrags wenden kann und nicht erst im Nachhinein
eine Anfechtung wegen Irrtums erklären muss, die dann einen
Schadensersatzanspruch nach sich ziehen kann.
Zudem ist nachvollziehbar, dass der Betreiber etwa den massenhaften
Einkauf seines Sonderangebots durch einen Konkurrenten verhindern will.
2. Ausnahme
Es wäre allerdings zu kurz gegriffen, würde man diesen Grundsatz blind in jedem Fall anwenden. Vielmehr gilt es, die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Eine solche Ausnahmesituation stellen die im Supermarkt regelmäßig im hinteren Teil aufzufindenden Bäckereien oder Metzgereien dar. Dort wird der Kunde individuell durch einen Angestellten bedient und erhält die gewünschte Ware ausgehändigt.
Hier sprechen gewichtige
Gründe dafür, den Kaufvertrag schon an der Theke und nicht erst am Ausgang des
Supermarktes an der Kasse anzunehmen, wie vorstehend dargestellt. Das Angebot ist in dem Wunsch des Kunden zu
sehen, eine bestimmte Menge der gewünschten Ware zu erhalten, die dann nach
dessen individuellen Bedürfnissen zusammengestellt wird, wie etwa beim
Aufschneiden von 100 g Wurst einer bestimmten Sorte. Den Antrag des Kunden nimmt der Bedienstete
hinter der Theke in der Regel konkludent durch das Zusammenstellen, Verpacken
und Aushändigen der Ware an.
Wie man nicht oft genug
wiederholen kann, kommt es in der Juristerei auf die Argumentation an, d.h.,
man muss im Wege der Auslegung des Verhaltens der Parteien ein vertretbares
Ergebnis erzielen. Wer sich also in
einer Prüfungsaufgabe mit diesem Problem konfrontiert sieht, muss
schlagkräftige Argumente für oder gegen den Vertragsschluss an der Theke
finden.
Meiner Ansicht nach sollte man hier den Vertrag wegen des objektiven Erklärungswertes bereits als geschlossen ansehen und nicht auf das Vorlegen und Eintippen an der Kasse abstellen.
Zum einen liegt die Situation an der Theke des Bäckers oder Metzgers anders, weil hier nicht nur eine Auslage einer bereits verpackten Ware auf einem Regal stattfindet, sondern eine individuelle Bedienung durch eine Person erfolgt.
Zum anderen wird die verderbliche Ware auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten und kann in der Regel aus lebensmittelrechtlichen Gründen nicht mehr zurückgenommen und anderweitig verkauft werden.
Das stellt einen gravierenden Unterschied etwa zu einer Dose Bohnen dar, die man ohne weiteres wieder auf das Regal zurückstellen kann, ohne dass die anderweitige Absetzbarkeit beeinträchtigt wäre. Allein diese Betrachtung dürfte dem Interesse des Supermarktbetreibers entsprechen und somit für jeden erkennbar zu der Schlussfolgerung führen, dass die Aushändigung der Ware mit einem Rechtsbindungswillen zum Abschluss eines Kaufvertrags erfolgt.
Für das Einfüllen
des Benzins an der Selbstbedienungstankstelle hat der Bundesgerichtshof
entschieden, dass der Vertragsschluss nicht erst an der Kasse, sondern an der
Zapfsäule erfolgt, da ein praktisch unumkehrbarer Zustand geschaffen werde,
sodass nur dies dem Interesse beider Parteien entspreche (BGH NJW 2011, 2871
Rn. 16). Diese Grundsätze sind
richtigerweise wegen ihrer Vergleichbarkeit beim Verkauf an der Theke des
Bäckers oder Metzgers im Supermarkt entsprechend anzuwenden.
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