Also, da war ich vor einigen Tagen in Oregon an einer Tankstelle und sah mit eigenen Augen, dass es nicht möglich ist, seinen Pkw selbst zu betanken, sondern man muss den Vorgang einem Tankwart überlassen.
Das war mir neu und hat mich sogleich zum Nachdenken über die Situation in Deutschland bewegt.
Wie erfolgt denn der Vertragsschluss an der Tankstelle?
Ein willkommener Anlass, sich mit dem Selbsttanken in Deutschland zu beschäftigen. Zum Vertragsschluss gibt es viel Literatur, aber der Teilbereich bei einer Selbstbedienungstankstelle ist von Interesse.Natürlich gibt es auch hier wieder verschiedene Ansichten in der Literatur und Rechtsprechung. Diese unterschiedlichen Meinungen sollte man im ersten juristischen Staatsexamen kennen, zumal der Bundesgerichtshof ausdrücklich dazu Stellung genommen hat.
Mindermeinungen zum Vertragsschluss
Nach einer Mindermeinung sei das Bereitstellen einer Zapfsäule lediglich eine invitatio ad offerendum, also nur eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots. Dieses werde seitens des Kunden durch die Selbstbedienung gemacht und die Annahme sei antizipiert erklärt oder erfolge jedenfalls durch Entgegennahme der Zahlung.
Eine andere Meinung geht
von denselben Prinzipien wie bei anderen Käufen in Geschäften von einem
Vertragsschluss an der Kasse aus, wie das bei der Selbstbedienung generell so
geschehen soll.
Herrschende Meinung zum Vertragsschluss
Dem gegenüber nehmen die herrschende Ansicht und der Bundesgerichtshof (BGH NJW 2011, 2871) einen Vertragsschluss direkt beim Tanken und nicht erst an der Kasse an. Denn bei der Selbstbedienung in einem Geschäft könne die zunächst in den Korb gelegte Ware problemlos wieder zurückgelegt werden, was aber beim Tanken nicht möglich sei, sobald das Benzin in den Tank eingefüllt werde.
Man müsse somit davon ausgehen, dass eine auf die Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft des Kunden beschränkte Offerte an eine unbestimmte Vielzahl an Personen gegeben sei. Hier seien alle für einen Antrag erforderlichen Vertragsbestandteile (also die essentialia negotii) vorhanden.
Der Kunde könne den Preis für jeden Liter Benzin am Aushang des Zapfhahns erkennen. Zwar ist zu dieser Zeit noch nicht klar, wieviel Benzin in das Auto eingefüllt wird. Die genaue Menge sei jedoch nach § 315 BGB als Übertragung des Leistungsbestimmungsrechts auf den Kunden seiner Entscheidung überlassen.
Dieser
Antrag werde durch das Tanken vom Kunden angenommen und der Zugang der Annahme beim
Mineralölunternehmen sei nach § 151 S. 1 BGB entbehrlich.
In einer Klausur wäre es von Vorteil, wenn man schon einmal die jeweiligen Ansichten und Argumente gehört hat, denn es erscheint eher schwierig, sich dies in einer Prüfungssituation irgendwie herzuleiten.
Ebenso bestehen Besonderheiten beim Vertragsschluss im Selbstbedienungsladen und beim Bäcker/Metzger im Supermarkt.
Wer Interessen hat, sich diese näher anzusehen,
kann das in Fall Nr. 9 in meinem eBook* „ Juristische Übungsfälle BGB AT“ nachlesen:
Hier sind weitere Artikel zum Vertragsschluss
Die falsche Preisauszeichnung im Selbstbedienungsladen
Das Schweigen im Rechtsverkehr und das kaufmännische Bestätigungsschreiben
Vertragsschluss
beim Bäcker/Metzger im Supermarkt
Wissenszurechnung nach § 166 BGB
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