Ein neueres Urteil des Bundesgerichtshofs gibt Anlass, sich einmal mit der deliktischen Produzentenhaftung auseinanderzusetzen. Diese Thematik ist sehr von der Rechtsprechung geprägt, sodass es sich anbietet, die Grundzüge in einem Lehrbuch durchzuarbeiten.
Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über eine solche Fallgestaltung gegeben werden.
Etwas vereinfacht lag folgender Sachverhalt zugrunde
Wie der Titel bereits sagt, geht es um ein Düngemittel,
das ein Landwirt erworben hatte, um seinen Acker damit zu düngen. Dieses war mit
Herbiziden verunreinigt, sodass die Pflanzen nicht mehr wuchsen. Die als
Fachbetrieb für Abfallentsorgung tätige Beklagte hatte diese Flüssigkeit von einem
Dritten übernommen. Die Beklagte bezeichnete die Flüssigkeit als
"EG-Düngemittel für Ackerbau" und erstellte eine Produktinformation.
Der Landwirt als Kläger macht nun Schadensersatz gegen
die Beklagte als Herstellerin geltend.
Die Lösung in groben Zügen
Zunächst kommen keine vertraglichen Ansprüche gegen die
Beklagte in Betracht, da sie nur der Hersteller des Mittels war und keinen
Vertrag mit dem Landwirt geschlossen hatte.
Wer schon etwas weiter fortgeschritten ist im
Jurastudium, wird wissen, dass es auch ein Produkthaftungsgesetz gibt, das man
im Rahmen des Deliktsrechts kennen sollte. Ein Schadensersatzanspruch gem. § 1 I 1 ProdHaftG lag hier allerdings
nicht vor.
Im Fall der Sachbeschädigung besteht ein solcher
Schadensersatzanspruch nur, wenn eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt
beschädigt wird und diese andere Sache ihrer Art nach gewöhnlich für den
privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von dem Geschädigten hauptsächlich
verwendet worden ist, § 1 I 2 ProdHaftG. Dabei ist nicht entscheidend, ob das
fehlerhafte Produkt, hier das Düngemittel, für den privaten Ge- oder Verbrauch
bestimmt war. Maßgeblich ist vielmehr die Zweckbestimmung der von dem
fehlerhaften Produkt beschädigten Sache, hier also der Rapspflanzen. Diese
Pflanzen waren aber zu beruflichen Zwecken verwendet worden, weshalb kein Anspruch
besteht.
Sodann kommt ein Schadensersatz
nach § 823 I BGB in Betracht.
Das dem Kläger gelieferte Düngemittel war mit Herbiziden
verunreinigt, wodurch das Eigentum des Klägers an den gedüngten Pflanzen
verletzt wurde.
Es müsste weiter eine Verletzungshandlung gegeben sein.
Hier könnte eine unterlassene Prüfung des gelieferten Mittels auf Herbizide und
damit eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht als Anknüpfungspunkt
gesehen werden. Insofern wäre eine Rechtspflicht zum Handeln erforderlich
gewesen.
Dazu der BGH:
„Nach
ständiger Senatsrechtsprechung ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich
welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und
zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu
verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen,
die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger
Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren…
Den
Hersteller trifft grundsätzlich die weitestgehende (umfassende) Verantwortung
für einen in seinem Tätigkeits- und Wissensbereich entstandenen Produktfehler…
Die
Beklagte zu 2 traf nicht lediglich die eingeschränkte Verantwortlichkeit eines
Vertriebshändlers, vielmehr haftet sie für die Sicherheit der von ihr als
Düngemittel für den Ackerbau in den Verkehr gebrachten Flüssigkeit wie ein
Hersteller…“
Kausalität des Unterlassens und Rechtswidrigkeit liegen
vor. Beim Verschulden muss man wissen, dass der Bundesgerichtshof im Rahmen der
Produzentenhaftung eine Beweislastumkehr vornimmt. Damit sind die Voraussetzungen
eines Anspruchs auf Schadensersatz für den Landwirt gegeben.
Dazu noch ein kurzes Video
Weiterführende Literatur
Der Fall zeigt einige Besonderheiten der Produzentenhaftung im Vergleich zu normalen Ansprüchen aus dem Deliktsrecht auf. Deshalb empfiehlt es sich, einige Fälle zu dieser Thematik durchzuarbeiten. Dazu bietet sich mein eBook* „Juristische Übungsfälle zum Deliktsrecht an, das hier zu finden ist:
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Gefährdungshaftung des Tierhalters gem. § 833 S. 1 BGB
Änderung der
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