Juristische E-Bücher auf "Buy me a coffee" unter "Extras" billiger zu finden

Buy Me A Coffee

Willkommen zu "Zivilrecht Verstehen"

Hier finden Sie zahlreiche Beiträge zum Zivilrecht, Zivilprozessrecht und gelegentlich zum Strafrecht. Viel Spaß beim Lesen!

Montag, 11. Dezember 2023

Der ultimative Leitfaden für die Behandlung der Untervertretung im juristischen Gutachten

Der ultimative Leitfaden für die Behandlung der Untervertretung im juristischen GutachtenIn der juristischen Ausbildung nimmt das Stellvertretungsrecht einen wichtigen Platz ein.  Insbesondere in Klausuren oder Hausarbeiten für Anfänger finden sich häufig Probleme aus diesem Bereich.

Für die Prüfer/innen bietet sich die Materie unter anderem gerade deshalb an, weil man leicht feststellen kann, ob die Bearbeiter/innen die Trennung zwischen der rechtsgeschäftlichen Vollmacht und dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis (wie etwa einem Auftrag oder gar nur einer Gefälligkeit) verstanden haben.

Auch die Erweiterung des eher durchschaubaren Zwei-Personen-Verhältnisses um einen Dritten führt zu zusätzlichen Schwierigkeiten. Um die Verwirrung perfekt zu machen, kann man sogar noch eine vierte Person einschalten, nämlich den Untervertreter.

Diese undurchsichtige Konstellation soll im Folgenden anhand eines ultimativen Leitfadens für die Behandlung im juristischen Gutachten näher untersucht werden.


Ausgangsbeispiel zur Untervertretung


Als Ausgangsbeispiel soll dabei von dieser Situation ausgegangen werden:


Der Geschäftsherr G ist ein Unternehmer, der seinem Angestellten A den Auftrag erteilt, einen bestimmten Vertrag mit einem vom A auszuwählenden Dritten D abzuschließen. Der A will aber wegen Zeitnot nicht selbst tätig werden, sondern erteilt ohne Wissen des G einem Praktikanten P eine Untervollmacht zum Abschluss des Vertrags. Letzterer tritt sodann allein im Namen des G als dessen Vertreter auf und schließt den Vertrag. Als der D vom G die Zahlung aus dem Vertrag verlangt, verweigert dieser die Genehmigung der Stellvertretung.

 

In einer Prüfung ist dann regelmäßig gefragt, ob der D vom G Zahlung oder von A oder P wenigstens Schadensersatz verlangen kann.

Hier meine (wunderschöne) Skizze:


Untervertretung Sizze


 

1. Anspruch gegen den G


Zunächst ist deshalb der Zahlungsanspruch gegen den G aus dem Vertrag zu prüfen.

Dieser würde aber nur bestehen, wenn der G wirksam vertreten worden wäre.  Deshalb muss erörtert werden, ob der P als Vertreter den G nach § 164 I 1 III BGB verpflichten konnte.

Da der G dem P jedoch keine Vollmacht erteilt hat, ist entscheidend, ob der A als Hauptvertreter dies wirksam vorgenommen hat.

Die Frage, ob der Hauptvertreter eine Untervollmacht erteilen darf, ist im Wege der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Nachdem keine ausdrückliche Erklärung des G vorliegt, ist die Erlaubnis zur Erteilung regelmäßig anzunehmen, wenn der Geschäftsherr kein erkennbares Interesse an der persönlichen Wahrnehmung der Vertretungsmacht durch den Hauptbevollmächtigten hat (BGH WM 1959, 377, 378). Bei der Erteilung einer Spezialvollmacht wird man im Gegensatz zur Generalvollmacht eher nicht von einer Erlaubnis ausgehen können.

 

Wenn man nun unterstellt, dass der A keine Untervollmacht erteilen durfte (zumal er als Angestellter nach § 613 S. 1 BGB im Zweifel die Dienste persönlich zu erbringen hat), handelte er selbst ohne Vertretungsmacht, weshalb die Erteilung der Untervollmacht als einseitiges Rechtsgeschäft unwirksam ist, § 180 S. 1 BGB. Bei fehlender Hauptvollmacht ist also auch die Untervollmacht immer unwirksam, sofern kein Fortbestehen der Untervollmacht kraft Rechtsschein vorliegt.

Somit trat der P als Vertreter ohne Vertretungsmacht auf. Die Verweigerung der Genehmigung durch den G führt deshalb dazu, dass der Schwebezustand beendet wird und der D endgültig keine vertraglichen Ansprüche gegen den G hat.

 

2. Anspruch gegen den P


Fraglich ist nun, ob der D dann gegen den Untervertreter P vorgehen kann.

Als Anspruchsgrundlage könnte hier die Vorschrift über den Ersatz des Vertrauensschadens nach § 179 II BGB in Betracht kommen, da eine Haftung auf das Erfüllungsinteresse nach § 179 I BGB mangels Kenntnis des P von der fehlenden Vertretungsmacht nicht einschlägig ist.

 

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und dem überwiegenden Teil der Literatur kommt eine Haftung des Untervertreters gem. § 179 BGB nur dann in Betracht, wenn dieser seine Untervertretung dem D gegenüber nicht offengelegt hat (BGHZ 32, 250, 254 f.; Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Auflage, 2004, § 49 Rn. 29 ff.; Palandt-Ellenberger, BGB, 71. Auflage, 2012, § 179 Rn. 3).

Das wäre hier der Fall, da der P allein im Namen des G aufgetreten ist und von einer Untervertretung nichts gesagt hat.

 

Als Folge kann der P jedoch seinerseits den A aus § 179 BGB in Anspruch nehmen, da dieser ebenso als Vertreter ohne Vertretungsmacht bei der Vollmachtserteilung gehandelt hat und letztlich den Schaden tragen muss.

 

Exkurs:

 

Wenn man nun den Fall dahingehend abwandelt, dass der P ausdrücklich gegenüber dem D gesagt hat, dass er lediglich Untervertreter sei, soll er nach der herrschenden Ansicht nicht haften (dieser Fall wird auch dogmatisch nicht korrekt „Vertreter des Vertreters“ genannt). Denn nun habe er dem Geschäftspartner gegenüber deutlich gemacht, dass eine mehrstufige Vertretung vorliege, er also seine Vollmacht lediglich vom Hauptvertreter erhalten habe. Der Dritte könne somit nur auf eine wirksam erteilte Untervollmacht vertrauen, nicht aber darauf, dass auch die Hauptvollmacht ordnungsgemäß bestehe. Dann würde lediglich der Hauptvertreter dem Dritten aus § 179 BGB haften.

 

Nach einer anderen Meinung im Schrifttum hafte der Untervertreter immer nach § 179BGB, wobei es unerheblich sei, ob er die mehrstufige Vertretung nach außen deutlich mache. Nach dem Gesetz liege eine Garantiehaftung vor, die von einem Verschulden des Vertreters unabhängig sei. Einer etwa fehlenden Kenntnis des Vertreters von dem Mangel der Vertretungsmacht könne ausreichend durch eine Begrenzung der Haftung auf das negative Interesse gem. § 179 II BGB Rechnung getragen werden (Mertens JuS 1961, 315 ff.; Brox/Walker, BGB AT, 35. Auflage, 2011, Rn. 548). Hier würden der Untervertreter und der Hauptvertreter nach § 179 BGB nebeneinander haften.

 

3. Anspruch gegen den A


Bei Rückkehr zum Ausgangsfall, in welchem der P nicht deutlich gemacht hat, dass er lediglich Untervertreter ist, kommt nach überwiegender Ansicht keine Haftung des Hauptvertreters nach § 179 BGB gegenüber dem D in Frage.

 

Der Vertrauenshaftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht gem. § 179 BGB liegt das Interesse der Verkehrssicherheit zugrunde (BGH NJW-RR 2005, 268, unter 2 d). Nachdem jedoch der P die Hauptvertretung durch den A bei Vertragsschluss gar nicht erwähnt hat, konnte auch kein entsprechendes Vertrauen beim D entstehen. Entgegen der Mindermeinung (Gerlach, Die Untervollmacht, Diss. Berlin, 1966, S. 82) muss der A als Hauptvertreter somit nicht den Vertrauensschaden ersetzen.


Weiterführende Literatur


In meinem eBook* „Juristische Übungsfälle zur Stellvertretunghabe ich eine ausführliche Fallsammlung zu derartigen Problemen erstellt. Wer Interesse hat, kann das Buch hier finden:


Juristische Übungsfälle zur Stellvertretung


Hier sind weitere Artikel zu Stellvertretung zu finden


Anfechtung einer Vollmacht

Wissenszurechnung nach § 166 BGB

Rechtliche Probleme auf eBay im Jurastudium

Erteilung einer Generalvollmacht durch den Geschäftsführer?



* Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen.








Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen