In der juristischen Ausbildung nimmt das Stellvertretungsrecht einen wichtigen Platz ein. Insbesondere in Klausuren oder Hausarbeiten für Anfänger finden sich häufig Probleme aus diesem Bereich.
Für die Prüfer/innen bietet sich die Materie unter anderem gerade deshalb an, weil man leicht feststellen kann, ob die Bearbeiter/innen die Trennung zwischen der rechtsgeschäftlichen Vollmacht und dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis (wie etwa einem Auftrag oder gar nur einer Gefälligkeit) verstanden haben.
Auch die Erweiterung des eher durchschaubaren Zwei-Personen-Verhältnisses um einen Dritten führt zu zusätzlichen Schwierigkeiten. Um die Verwirrung perfekt zu machen, kann man sogar noch eine vierte Person einschalten, nämlich den Untervertreter.
Diese undurchsichtige Konstellation soll im Folgenden anhand eines ultimativen Leitfadens für die Behandlung im juristischen Gutachten näher untersucht werden.
Ausgangsbeispiel zur Untervertretung
Als Ausgangsbeispiel soll
dabei von dieser Situation ausgegangen werden:
Der Geschäftsherr G ist ein
Unternehmer, der seinem Angestellten A den Auftrag erteilt, einen bestimmten
Vertrag mit einem vom A auszuwählenden Dritten D abzuschließen. Der A will aber
wegen Zeitnot nicht selbst tätig werden, sondern erteilt ohne Wissen des G
einem Praktikanten P eine Untervollmacht zum Abschluss des Vertrags. Letzterer
tritt sodann allein im Namen des G als dessen Vertreter auf und schließt den
Vertrag. Als der D vom G die Zahlung aus dem Vertrag verlangt, verweigert
dieser die Genehmigung der Stellvertretung.
In einer Prüfung ist dann
regelmäßig gefragt, ob der D vom G Zahlung oder von A oder P wenigstens
Schadensersatz verlangen kann.
Hier meine (wunderschöne) Skizze:
1. Anspruch gegen den G
Zunächst ist deshalb der
Zahlungsanspruch gegen den G aus dem Vertrag zu prüfen.
Dieser würde aber nur
bestehen, wenn der G wirksam vertreten worden wäre. Deshalb muss erörtert werden, ob der P als
Vertreter den G nach § 164 I 1 III BGB verpflichten konnte.
Da der G dem P jedoch keine Vollmacht erteilt hat, ist entscheidend, ob der A als Hauptvertreter dies wirksam vorgenommen hat.
Die Frage, ob der Hauptvertreter eine Untervollmacht
erteilen darf, ist im Wege der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Nachdem
keine ausdrückliche Erklärung des G vorliegt, ist die Erlaubnis zur Erteilung
regelmäßig anzunehmen, wenn der Geschäftsherr kein erkennbares Interesse an der
persönlichen Wahrnehmung der Vertretungsmacht durch den Hauptbevollmächtigten
hat (BGH WM 1959, 377, 378). Bei der Erteilung einer Spezialvollmacht wird man
im Gegensatz zur Generalvollmacht eher nicht von einer Erlaubnis ausgehen
können.
Wenn man nun unterstellt,
dass der A keine Untervollmacht erteilen durfte (zumal er als Angestellter nach
§ 613 S. 1 BGB im Zweifel die Dienste persönlich zu erbringen hat), handelte er
selbst ohne Vertretungsmacht, weshalb die Erteilung der Untervollmacht als
einseitiges Rechtsgeschäft unwirksam ist, § 180 S. 1 BGB. Bei fehlender
Hauptvollmacht ist also auch die Untervollmacht immer unwirksam, sofern kein
Fortbestehen der Untervollmacht kraft Rechtsschein vorliegt.
Somit trat der P als Vertreter
ohne Vertretungsmacht auf. Die Verweigerung der Genehmigung durch den G führt
deshalb dazu, dass der Schwebezustand beendet wird und der D endgültig keine
vertraglichen Ansprüche gegen den G hat.
2. Anspruch gegen den P
Fraglich ist nun, ob der D
dann gegen den Untervertreter P vorgehen kann.
Als Anspruchsgrundlage
könnte hier die Vorschrift über den Ersatz des Vertrauensschadens nach § 179 II BGB in Betracht kommen, da eine Haftung auf das Erfüllungsinteresse nach § 179 I BGB mangels Kenntnis des P von der fehlenden Vertretungsmacht nicht
einschlägig ist.
Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs und dem überwiegenden Teil der Literatur kommt eine Haftung
des Untervertreters gem. § 179 BGB nur dann in Betracht, wenn dieser seine
Untervertretung dem D gegenüber nicht offengelegt hat (BGHZ 32, 250, 254 f.;
Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Auflage, 2004, § 49 Rn. 29 ff.; Palandt-Ellenberger,
BGB, 71. Auflage, 2012, § 179 Rn. 3).
Das wäre hier der Fall, da
der P allein im Namen des G aufgetreten ist und von einer Untervertretung
nichts gesagt hat.
Als Folge kann der P jedoch
seinerseits den A aus § 179 BGB in Anspruch nehmen, da dieser ebenso als
Vertreter ohne Vertretungsmacht bei der Vollmachtserteilung gehandelt hat und
letztlich den Schaden tragen muss.
Exkurs:
Wenn
man nun den Fall dahingehend abwandelt, dass der P ausdrücklich gegenüber dem D
gesagt hat, dass er lediglich Untervertreter sei, soll er nach der herrschenden
Ansicht nicht haften (dieser Fall wird auch dogmatisch nicht korrekt „Vertreter
des Vertreters“ genannt). Denn nun habe er dem Geschäftspartner gegenüber
deutlich gemacht, dass eine mehrstufige Vertretung vorliege, er also seine
Vollmacht lediglich vom Hauptvertreter erhalten habe. Der Dritte könne somit
nur auf eine wirksam erteilte Untervollmacht vertrauen, nicht aber darauf, dass
auch die Hauptvollmacht ordnungsgemäß bestehe. Dann würde lediglich der
Hauptvertreter dem Dritten aus § 179 BGB haften.
Nach
einer anderen Meinung im Schrifttum hafte der Untervertreter immer nach § 179BGB, wobei es unerheblich sei, ob er die mehrstufige Vertretung nach außen
deutlich mache. Nach dem Gesetz liege eine Garantiehaftung vor, die von einem Verschulden
des Vertreters unabhängig sei. Einer etwa fehlenden Kenntnis des Vertreters von
dem Mangel der Vertretungsmacht könne ausreichend durch eine Begrenzung der
Haftung auf das negative Interesse gem. § 179 II BGB Rechnung getragen werden
(Mertens JuS 1961, 315 ff.; Brox/Walker, BGB AT, 35. Auflage, 2011, Rn. 548). Hier
würden der Untervertreter und der Hauptvertreter nach § 179 BGB nebeneinander
haften.
3. Anspruch gegen den A
Bei Rückkehr zum
Ausgangsfall, in welchem der P nicht deutlich gemacht hat, dass er lediglich
Untervertreter ist, kommt nach überwiegender Ansicht keine Haftung des
Hauptvertreters nach § 179 BGB gegenüber dem D in Frage.
Der Vertrauenshaftung des
Vertreters ohne Vertretungsmacht gem. § 179 BGB liegt das Interesse der Verkehrssicherheit
zugrunde (BGH NJW-RR 2005, 268, unter 2 d). Nachdem jedoch der P die
Hauptvertretung durch den A bei Vertragsschluss gar nicht erwähnt hat, konnte
auch kein entsprechendes Vertrauen beim D entstehen. Entgegen der Mindermeinung
(Gerlach, Die Untervollmacht, Diss. Berlin, 1966, S. 82) muss der A als
Hauptvertreter somit nicht den Vertrauensschaden ersetzen.
Weiterführende Literatur
In meinem eBook* „Juristische Übungsfälle zur Stellvertretung“ habe ich eine ausführliche Fallsammlung zu derartigen Problemen erstellt. Wer Interesse hat, kann das Buch hier finden:
Juristische Übungsfälle zur Stellvertretung
Hier sind weitere Artikel zu Stellvertretung zu finden
Wissenszurechnung nach § 166 BGB
Rechtliche Probleme auf eBay im Jurastudium
Erteilung einer Generalvollmacht durch den
Geschäftsführer?
* Als Amazon-Partner verdiene ich an
qualifizierten Verkäufen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen