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Montag, 6. Mai 2024

Pandemie und rechtliche Unmöglichkeit (vorübergehende Unmöglichkeit, absolutes Fixgeschäft)

Eine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs nimmt zu der Frage der rechtlichen Unmöglichkeit Stellung, wenn ein gebuchtes Hotelzimmer in der Pandemie-Zeit nicht benutzt werden kann.


Der Sachverhalt


Der Kläger begehrt die Rückzahlung einer geleisteten Anzahlung für von ihm bei der Beklagten gebuchte Hotelzimmer. Der Kläger, der mit seinem Reisebusunternehmen unter anderem touristische Gruppenreisen veranstaltet, buchte für seine Saisoneröffnungsfahrten vom 19. bis zum 22. März 2020 und vom 26. bis zum 29. März 2020 in einem Hotel der Beklagten Übernachtungen. Während der Corona-Pandemie ordneten die örtlichen Behörden ein Beherbergungsverbot an, weshalb die gebuchten Zimmer nicht benutzt werden konnten. Nunmehr macht der Kläger die Rückzahlung seiner Anzahlung geltend.


Die Gründe der Entscheidung des BGH


"Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Kläger gemäß §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB von der Beklagten die Rückzahlung der geleisteten Anzahlung - über den bereits von ihr anerkannten Betrag hinaus - verlangen kann. Nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, falls der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB die geschuldete Leistung nicht erbringen muss. Ist die nicht geschuldete Gegenleistung bereits bewirkt, kann der Schuldner diese gemäß § 326 Abs. 4 BGB nach den Vorschriften der §§ 346 bis 348 BGB zurückfordern. Diese Voraussetzungen für das Rückforderungsrecht aus § 326 Abs. 4 BGB sind vorliegend erfüllt.

Gemäß § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Rechtliche Unmöglichkeit ist gegeben, wenn ein geschuldeter Erfolg aus Rechtsgründen nicht herbeigeführt werden kann oder nicht herbeigeführt werden darf…

Da es aufgrund der für sofort vollziehbar erklärten Allgemeinverfügung des Landkreises G. „zur weiteren Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen Bereich“ und „zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Coronavirus COVID19; SARS-CoV-2 für das Gebiet des Landkreises G.“ vom
18. März 2020 ab diesem Tag untersagt war, Personen zu touristischen Zwecken zu beherbergen, war es der Beklagten rechtlich unmöglich, dem Kläger die gebuchten Hotelzimmer in den beiden Buchungszeiträumen zu überlassen und damit ihre vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen.

Unabhängig von der Frage, ob hier ein absolutes Fixgeschäft anzunehmen ist, ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass hier kein Fall einer nur vorübergehenden Unmöglichkeit vorliegt, die von § 275 Abs. 1 BGB nicht erfasst würde. Zwar war das Beherbergungsverbot als Corona-Schutzmaßnahme zeitlich befristet. Ein nur zeitweiliges Erfüllungshindernis ist aber dann einem dauernden gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks in Frage gestellt ist und der einen oder anderen Partei bei billiger Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden kann, die Leistung dann noch zu fordern oder zu erbringen. Dabei ist die Frage, ob ein Leistungshindernis zu einer dauernden oder nur vorübergehenden Unmöglichkeit führt, nach dem Zeitpunkt des Eintritts des Hindernisses zu beurteilen (vgl. Senatsurteil BGHZ 233, 266 = NZM 2022, 514 Rn. 20 mwN). Nach diesen Maßgaben war hier eine dauernde Unmöglichkeit zu bejahen.

Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Kläger die Hotelzimmer für konkrete Zeiträume gebucht, in denen er mit seinem Busunternehmen sogenannte Saisoneröffnungsfahrten durchführen wollte, zu denen sich auch schon mehrere Teilnehmer verbindlich angemeldet hatten. Eine Verschiebung der Reisen auf einen Zeitraum nach der Aufhebung des Beherbergungsverbots konnte dem Kläger nicht zugemutet werden, zumal Mitte März 2020 auch noch nicht absehbar war, wie lange die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie andauern würden. Zu Recht hat das Berufungsgericht daher angenommen, dass die von der Beklagten geschuldete Leistung wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar war, weshalb der Beklagten in den hier maßgeblichen Zeiträumen die von ihr geschuldete Leistung dauerhaft unmöglich geworden ist. 

Schließlich hat das Berufungsgericht auch zu Recht angenommen, dass die Beklagte dem Rückzahlungsanspruch des Klägers nicht entgegenhalten kann, der Vertrag sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB anzupassen…

Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt. Daher scheidet eine Anwendung des § 313 BGB aus, soweit der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB erfüllt ist. Denn Gegenstand des § 313 Abs. 1 BGB ist die durch die Veränderung der Geschäftsgrundlage ausgelöste Störung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Eine Anpassung des Vertragsinhalts ist aber nicht mehr möglich, wenn bereits aufgrund spezieller gesetzlicher Regelungen, wie im vorliegenden Fall aufgrund der §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 BGB, die wechselseitigen vertraglichen Leistungsverpflichtungen entfallen sind…"


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