Eine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs nimmt zu der Frage der rechtlichen Unmöglichkeit Stellung, wenn ein gebuchtes Hotelzimmer in der Pandemie-Zeit nicht benutzt werden kann.
Der Sachverhalt
Der Kläger begehrt die Rückzahlung einer geleisteten
Anzahlung für von ihm bei der Beklagten gebuchte Hotelzimmer. Der Kläger, der
mit seinem Reisebusunternehmen unter anderem touristische Gruppenreisen
veranstaltet, buchte für seine Saisoneröffnungsfahrten vom 19. bis zum 22. März
2020 und vom 26. bis zum 29. März 2020 in einem Hotel der Beklagten
Übernachtungen. Während der Corona-Pandemie ordneten die örtlichen
Behörden ein Beherbergungsverbot an, weshalb die gebuchten Zimmer nicht benutzt
werden konnten. Nunmehr macht der Kläger die Rückzahlung seiner Anzahlung
geltend.
Die Gründe der Entscheidung des BGH
"Zutreffend hat das
Berufungsgericht angenommen, dass der Kläger gemäß §§ 275 Abs. 1, 326 Abs.
1 Satz 1 und Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB von der Beklagten die Rückzahlung der
geleisteten Anzahlung - über den bereits von ihr anerkannten Betrag hinaus -
verlangen kann. Nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB entfällt der Anspruch auf die
Gegenleistung, falls der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB die geschuldete
Leistung nicht erbringen muss. Ist die nicht geschuldete Gegenleistung
bereits bewirkt, kann der Schuldner diese gemäß § 326 Abs. 4 BGB nach den
Vorschriften der §§ 346 bis 348 BGB zurückfordern. Diese Voraussetzungen
für das Rückforderungsrecht aus § 326 Abs. 4 BGB sind vorliegend erfüllt.
Gemäß § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung
ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich
ist. Rechtliche Unmöglichkeit
ist gegeben, wenn ein geschuldeter Erfolg aus Rechtsgründen nicht
herbeigeführt werden kann oder nicht herbeigeführt werden darf…
Da es aufgrund der für sofort vollziehbar erklärten
Allgemeinverfügung des Landkreises G. „zur weiteren Beschränkung von sozialen
Kontakten im öffentlichen Bereich“ und „zum Schutz der Bevölkerung vor der
Verbreitung des Coronavirus COVID19; SARS-CoV-2 für das Gebiet des
Landkreises G.“ vom
18. März 2020 ab diesem Tag untersagt war, Personen zu touristischen
Zwecken zu beherbergen, war
es der Beklagten rechtlich unmöglich, dem Kläger die gebuchten Hotelzimmer in
den beiden Buchungszeiträumen zu überlassen und damit ihre vertraglich
geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen.
Unabhängig von der Frage, ob
hier ein absolutes Fixgeschäft anzunehmen ist, ist das Berufungsgericht zu
Recht davon ausgegangen, dass hier kein Fall einer nur vorübergehenden
Unmöglichkeit vorliegt, die von § 275 Abs. 1 BGB nicht erfasst würde.
Zwar war das Beherbergungsverbot als Corona-Schutzmaßnahme zeitlich
befristet. Ein nur zeitweiliges
Erfüllungshindernis ist aber dann einem dauernden gleichzustellen, wenn durch
das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks in Frage gestellt ist und
der einen oder anderen Partei bei billiger Abwägung der beiderseitigen Belange
nicht mehr zugemutet werden kann, die Leistung dann noch zu fordern oder zu
erbringen. Dabei ist die Frage, ob ein Leistungshindernis zu einer
dauernden oder nur vorübergehenden Unmöglichkeit führt, nach dem Zeitpunkt
des Eintritts des Hindernisses zu beurteilen (vgl. Senatsurteil BGHZ 233, 266 = NZM 2022, 514 Rn.
20 mwN). Nach diesen Maßgaben war
hier eine dauernde Unmöglichkeit zu bejahen.
Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Kläger die
Hotelzimmer für konkrete Zeiträume gebucht, in denen er mit seinem
Busunternehmen sogenannte Saisoneröffnungsfahrten durchführen wollte, zu denen
sich auch schon mehrere Teilnehmer verbindlich angemeldet hatten. Eine Verschiebung der Reisen auf einen
Zeitraum nach der Aufhebung des Beherbergungsverbots konnte dem Kläger
nicht zugemutet werden, zumal Mitte März 2020 auch noch nicht absehbar
war, wie lange die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie andauern
würden. Zu Recht hat das Berufungsgericht daher angenommen, dass die von der Beklagten geschuldete
Leistung wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar war, weshalb der Beklagten
in den hier maßgeblichen Zeiträumen die von ihr geschuldete Leistung dauerhaft
unmöglich geworden ist.
Schließlich hat
das Berufungsgericht auch zu Recht angenommen, dass die Beklagte dem
Rückzahlungsanspruch des Klägers nicht entgegenhalten kann, der Vertrag
sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB
anzupassen…
Eine Anpassung vertraglicher
Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in
Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der
Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt. Daher scheidet eine Anwendung
des § 313 BGB aus, soweit der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB erfüllt ist. Denn
Gegenstand des § 313 Abs. 1 BGB ist die durch die Veränderung der
Geschäftsgrundlage ausgelöste Störung des vertraglichen
Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Eine Anpassung des
Vertragsinhalts ist aber nicht mehr möglich, wenn bereits aufgrund spezieller
gesetzlicher Regelungen, wie im vorliegenden Fall aufgrund der §§ 275 Abs. 1,
326 Abs. 1 Satz 1 BGB, die wechselseitigen vertraglichen
Leistungsverpflichtungen entfallen sind…"
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