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Montag, 7. September 2015

Das Anwartschaftsrecht an einem Grundstück

In der Literatur und der Rechtsprechung ist umstritten, ob es überhaupt ein Anwartschaftsrecht an einem Grundstück gibt und wann dieses entsteht.  Das soll im Folgenden näher betrachtet werden und ein kurzer Überblick über einige Folgen gegeben werden.

1. Definition


Von einem Anwartschaftsrecht spricht man dann, wenn bei einem mehraktigen Erwerbstatbestand bereits so viele Voraussetzungen erfüllt sind, dass der Erwerber eine gefestigte Rechtsposition erlangt hat, die von dem Veräußerer nicht mehr einseitig zerstört werden kann (BGHZ 114, 161, 164).

 

2. Entstehung


Das Eigentum an einem Grundstück wird rechtsgeschäftlich durch Einigung (Auflassung) und Eintragung im Grundbuch übertragen, §§ 873, 925 BGB.  Wann aber erwirbt der Auflassungsempfänger dann ein Anwartschaftsrecht am Grundstück, wenn die Eintragung als Eigentümer im Grundbuch noch nicht erfolgt ist?  Denn zwischen der Einigung und der Eintragung liegt regelmäßig ein recht langer Zeitraum, in welchem der Auflassungsempfänger schutzwürdig ist, denn der Eigentümer ist in dieser Zeit nicht gehindert, eine anderweitige Verfügung zu treffen.  Anders als im Recht der beweglichen Sachen kann im Grundstücksrecht auch keine bedingte Übereignung vorgenommen werden, §925 II BGB.  Es kommt also darauf an, ob und wann ein Anwartschaftsrecht entsteht.

 

Von einer absoluten Mindermeinung in der Literatur wird schon die Existenz eines Anwartschaftsrechts bestritten.

 

Nach einer anderen Mindermeinung im Schrifttum sei nur bei Vorliegen einer Auflassung und einer Auflassungsvormerkung eine ausreichend gefestigte Rechtsposition gegeben, sodass nur in diesen Fällen eine Anwartschaft erworben werden könne.

 

Eine andere Ansicht hält ein Anwartschaftsrecht dann für gegeben, wenn die Auflassung beurkundet und deshalb nach § 873 II BGB kein Widerruf mehr möglich sei.  Eine Antragsstellung sei für eine gesicherte Rechtsposition nicht erforderlich, da bei normalem Verlauf nach der Auflassung ein Eigentumserwerb erfolge.  Eine solche vermögensrechtliche Position sei bereits übertragbar.

 

Die herrschende Meinung in der Rechtsprechung und Literatur geht demgegenüber davon aus, dass ein Anwartschaftsrecht erst in dem Zeitpunkt entstehe, in welchem nach einer Auflassung entweder der Eintragungsantrag gem. § 13 GBO vom Auflassungsempfänger beim Grundbuchamt eingegangen und nicht zurückgewiesen worden sei oder im Grundbuch für den Betroffenen eine Auflassungsvormerkung gemäß §§ 883 II, 888 BGB eingetragen sei.  Denn erst nach einem Eintragungsantrag sei der Auflassungsempfänger vor weiteren Verfügungen des Eigentümers geschützt.  Demgegenüber sei eine Antragstellung durch den Veräußerer nicht ausreichend, denn er könne seinen Antrag jederzeit zurücknehmen, § 31 GBO.

 

3. Übertragung


Eine Übertragung des Anwartschaftsrechts als wesensgleiches Minus zum Vollrecht richtet sich vom Grundsatz hernach den Vorschriften über den Eigentumserwerb in analoger Anwendung.  Also ist für eine Veräußerung eine Einigung in der Form des § 925 BGB analog nötig, aber keine Abtretung gem. §§ 398, 413 BGB.  Eine Eintragung im Grundbuch ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht möglich und auch nicht erforderlich.

 

4. Folgen


Mit der Eintragung des Erwerbers als Eigentümer im Grundbuch würde dieses Anwartschaftsrecht dann zum Vollrecht erstarken.  In der Zwischenzeit ist der Anwartschaftsberechtigte aber schon in weitem Umfang geschützt.

 

So kann er sich auch etwa auf die Herausgabevorschrift des § 985 BGB analog berufen.  Zwar wird von einer Mindermeinung in der Literatur vertreten, dass bei unbeweglichen Sachen der Schutz des § 861 BGB ausreichend sei und auch keine Regelungslücke vorliege, weshalb keine Analogie nötig sei.  Die herrschende Ansicht gesteht dem Anwartschaftsberechtigten aber auch die Herausgabe nach § 985 BGB analog zu, denn das sei aufgrund der Wesensgleichheit zum Eigentum erforderlich.  Wenn dann der Eigentümer den Herausgabeanspruch neben dem Anwartschaftsberechtigten geltend machen will, darf Letzterer diesen Anspruch vorrangig durchsetzen, denn aus dem Kaufvertrag hat er das Besitzrecht.  Sollte dieser jedoch den Herausgabeanspruch nicht verfolgen wollen, kann der Eigentümer daraus vorgehen, § 986 I 2 BGB analog.

 

Das hat dann weitreichende Folgen, denn wer den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB analog bejaht, muss konsequenterweise auch die Vorschriften über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach §§ 987 ff. BGB analog für anwendbar erklären.

 

Ebenso kann der Anwartschaftsberechtigte gegen einen Dritten einen Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB haben, wenn dieser das Recht schuldhaft verletzt, da es als sonstiges Recht im Sinne dieser Vorschrift anerkannt ist.

 

Beispiel: Der Anwartschaftsberechtigte hatte ein Hausgrundstück gekauft und aufgelassen bekommen, wobei bereits eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen wurde.  Der Nachbar nahm sodann eine Sprengung vor, wodurch das Haus beschädigt wurde.  Hier hat der Anwartschaftsberechtigte einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB, obgleich er noch nicht Eigentümer ist (BGHZ 114, 161 ff.).


Hier sind weitere Artikel zum Sachenrecht zu finden


Gutgläubigkeit beim Erwerb vom Nichtberechtigten

Das Anwartschaftsrecht als Besitzrecht

Anwendbarkeit der §§ 280 ff. BGB auf § 985 BGB

Die Vormerkung in der Klausur





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