1. Definition
Von
einem Anwartschaftsrecht spricht man dann, wenn bei einem mehraktigen
Erwerbstatbestand bereits so viele Voraussetzungen erfüllt sind, dass der
Erwerber eine gefestigte Rechtsposition erlangt hat, die von dem Veräußerer
nicht mehr einseitig zerstört werden kann (BGHZ 114, 161, 164).
2. Entstehung
Das Eigentum an einem
Grundstück wird rechtsgeschäftlich durch Einigung (Auflassung) und Eintragung
im Grundbuch übertragen, §§ 873, 925 BGB.
Wann aber erwirbt der Auflassungsempfänger dann ein Anwartschaftsrecht
am Grundstück, wenn die Eintragung als Eigentümer im Grundbuch noch nicht
erfolgt ist? Denn zwischen der Einigung
und der Eintragung liegt regelmäßig ein recht langer Zeitraum, in welchem der
Auflassungsempfänger schutzwürdig ist, denn der Eigentümer ist in dieser Zeit
nicht gehindert, eine anderweitige Verfügung zu treffen. Anders als im Recht der beweglichen Sachen
kann im Grundstücksrecht auch keine bedingte Übereignung vorgenommen werden, §925 II BGB. Es kommt also darauf an, ob
und wann ein Anwartschaftsrecht entsteht.
Von einer absoluten
Mindermeinung in der Literatur wird schon die Existenz eines
Anwartschaftsrechts bestritten.
Nach einer anderen
Mindermeinung im Schrifttum sei nur bei Vorliegen einer Auflassung und einer
Auflassungsvormerkung eine ausreichend gefestigte Rechtsposition gegeben,
sodass nur in diesen Fällen eine Anwartschaft erworben werden könne.
Eine andere Ansicht hält ein
Anwartschaftsrecht dann für gegeben, wenn die Auflassung beurkundet und deshalb
nach § 873 II BGB kein Widerruf mehr möglich sei. Eine Antragsstellung sei für eine gesicherte
Rechtsposition nicht erforderlich, da bei normalem Verlauf nach der Auflassung
ein Eigentumserwerb erfolge. Eine solche
vermögensrechtliche Position sei bereits übertragbar.
Die herrschende Meinung in
der Rechtsprechung und Literatur geht demgegenüber davon aus, dass ein
Anwartschaftsrecht erst in dem Zeitpunkt entstehe, in welchem nach einer
Auflassung entweder der Eintragungsantrag gem. § 13 GBO vom
Auflassungsempfänger beim Grundbuchamt eingegangen und nicht zurückgewiesen
worden sei oder im Grundbuch für den Betroffenen eine Auflassungsvormerkung
gemäß §§ 883 II, 888 BGB eingetragen sei.
Denn erst nach einem Eintragungsantrag sei der Auflassungsempfänger vor
weiteren Verfügungen des Eigentümers geschützt.
Demgegenüber sei eine Antragstellung durch den Veräußerer nicht
ausreichend, denn er könne seinen Antrag jederzeit zurücknehmen, § 31 GBO.
3. Übertragung
Eine
Übertragung des Anwartschaftsrechts als wesensgleiches Minus zum Vollrecht
richtet sich vom Grundsatz hernach den Vorschriften über den Eigentumserwerb in
analoger Anwendung. Also ist für eine
Veräußerung eine Einigung in der Form des § 925 BGB analog nötig, aber keine
Abtretung gem. §§ 398, 413 BGB. Eine
Eintragung im Grundbuch ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
nicht möglich und auch nicht erforderlich.
4. Folgen
Mit der Eintragung des
Erwerbers als Eigentümer im Grundbuch würde dieses Anwartschaftsrecht dann zum
Vollrecht erstarken. In der Zwischenzeit
ist der Anwartschaftsberechtigte aber schon in weitem Umfang geschützt.
So kann er sich auch etwa
auf die Herausgabevorschrift des § 985 BGB analog berufen. Zwar wird von einer Mindermeinung in der
Literatur vertreten, dass bei unbeweglichen Sachen der Schutz des § 861 BGB
ausreichend sei und auch keine Regelungslücke vorliege, weshalb keine Analogie
nötig sei. Die herrschende Ansicht
gesteht dem Anwartschaftsberechtigten aber auch die Herausgabe nach § 985 BGB
analog zu, denn das sei aufgrund der Wesensgleichheit zum Eigentum
erforderlich. Wenn dann der Eigentümer
den Herausgabeanspruch neben dem Anwartschaftsberechtigten geltend machen will,
darf Letzterer diesen Anspruch vorrangig durchsetzen, denn aus dem Kaufvertrag
hat er das Besitzrecht. Sollte dieser
jedoch den Herausgabeanspruch nicht verfolgen wollen, kann der Eigentümer
daraus vorgehen, § 986 I 2 BGB analog.
Das hat dann weitreichende
Folgen, denn wer den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB analog bejaht, muss
konsequenterweise auch die Vorschriften über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis
nach §§ 987 ff. BGB analog für anwendbar erklären.
Ebenso kann der
Anwartschaftsberechtigte gegen einen Dritten einen Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB
haben, wenn dieser das Recht schuldhaft verletzt, da es als sonstiges Recht im
Sinne dieser Vorschrift anerkannt ist.
Beispiel: Der Anwartschaftsberechtigte hatte ein
Hausgrundstück gekauft und aufgelassen bekommen, wobei bereits eine
Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen wurde. Der Nachbar nahm sodann eine Sprengung vor,
wodurch das Haus beschädigt wurde. Hier
hat der Anwartschaftsberechtigte einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I
BGB, obgleich er noch nicht Eigentümer ist (BGHZ 114, 161 ff.).
Hier sind weitere Artikel zum Sachenrecht zu finden
Gutgläubigkeit beim Erwerb vom Nichtberechtigten
Das Anwartschaftsrecht als Besitzrecht
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