Alle Jurastudierenden sollten das Rechtsinstitut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter kennen. Das ist ein absolut examensrelevantes Gebiet aus dem Schuldrecht.
Hier geht es um die interessante Konstellation beim Anwaltsvertrag.
Als Jurist/Juristin in Jurastudium muss man demnach die Voraussetzungen eines Anspruchs des Dritten kennen, der gerade kein Vertragspartner ist, aber dem dennoch Ansprüche gegen den einen Beteiligten am Vertrag zustehen sollen.Zu prüfen sind dann
-- Leistungsnähe,
-- Gläubigernähe,
-- Erkennbarkeit und
-- Schutzbedürftigkeit.
Eine in der Ausbildung eher ungewöhnliche
Situation hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 9. Juli 2020 – IX ZR 289/19)
entschieden:
Die Mutter der Klägerinnen wurde bei einem
Verkehrsunfall im Jahr 2006 verletzt und
schloss mit dem beklagten Rechtsanwalt im Jahr 2007 einen Vertrag ab, in welchem
Letzterer ihre Ansprüche aus dem Unfall geltend machen sollte. Die ebenfalls
leicht verletzten Kinder der Frau begaben sich seit dem Jahr 2013 und 2016 in
psychotherapeutische Behandlung, deren Kosten sie von der
Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers ersetzt verlangen wollten. Die
Versicherung lehnte aufgrund der Verjährung ab. Die dann folgende Klage auf
Schadensersatz gegen den Rechtsanwalt der Mutter blieb erfolglos.
Vom Grundsatz her ist es durchaus denkbar, dass ein Anwaltsvertrag auch Schutzwirkungen zugunsten Dritter entfalten kann. Es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass man als beauftragter Rechtsanwalt ggfls. beim Mandanten nachfragt, ob weitere Passagiere im Auto saßen und verletzt wurden, insbesondere dann, wenn der Mandant erkennbar ein Interesse daran hat, auch diese Dritten vor Vermögensschäden zu bewahren.
Der Bundesgerichtshof entschied aber, dass in diesem Fall bereits keine Einbeziehung der Klägerinnen in den Schutzbereich des zwischen ihrer Mutter und dem Beklagten geschlossenen Anwaltsvertrages vorgelegen habe. So sei der Anwalt ausdrücklich nur für die Mutter tätig geworden, die ihn beauftragt habe.
Ausdrücklich
schreibt das Gericht unter Rn. 16:
„Der Anwaltsvertrag diente der Verfolgung der Schadensersatzansprüche
der Mutter der Klägerinnen gegen die Streithelferin. Er machte nach seinem Sinn
und Zweck und den erkennbaren Auswirkungen der vertragsgemäßen Leistung auf die
Klägerinnen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben deren Einbeziehung in
seinen Schutzbereich nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2014
- VI ZR 383/12, BGHZ 200, 188 Rn. 9).“
Man beachte, dass der Bundesgerichtshof hier
lediglich die Auslegung des Berufungsgerichts auf Fehler überprüft hat. Ich
hielte es durchaus für möglich, dass man in anderen Fällen zu einem anderen
Ergebnis kommen könnte.
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Beim Anwaltsvertrag handelt es sich regelmäßig nicht um
einen Werkvertrag, wenn die prozessuale Vertretung vereinbart wird. Wer einige Themen
zum Werkvertrag nachlesen will, kann hier weitere Beiträge dazu finden:
Was ist ein Werklieferungsvertrag?
Schadensersatz nach Kündigung eines Werkvertrags
Die Selbstbeseitigung beim Werkvertrag
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