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Montag, 6. November 2023

Examenswissen im Jurastudium: Die sich widersprechenden AGB im kaufmännischen Geschäftsverkehr

Die sich widersprechenden AGB im kaufmännischen Geschäftsverkehr nach der Rechtsprechung des BGH

Es gibt manche Bereiche im Jurastudium, die über Jahrzehnte immer wieder in Prüfungsarbeiten problematisiert werden. Auch und gerade im Handelsrecht finden sich Klassiker, die man als Examenswissen im Jurastudium bezeichnen kann. Dazu gehören sicherlich die sich widersprechenden AGB im kaufmännischen Geschäftsverkehr.

Im nachfolgenden Abschnitt wird dieses auch in der Praxis sehr relevante Thema ausführlicher untersucht.

Dazu vorab ein kurzes Video



1. Ausgangssituation


Im kaufmännischen Geschäftsverkehr kommt es häufig vor, dass ein Unternehmen K unter Beifügung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei einem Unternehmen V eine Bestellung über die Lieferung einer Kaufsache abgibt, wobei Letzteres dieses Angebot unter Hinweis auf seine eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen annimmt. Wenn sich nun diese AGB widersprechen, entsteht ein häufig in Prüfungsarbeiten zu findendes Problem, nämlich welche AGB Vertragsinhalt wurden.


a) Einbeziehung der AGB in den Vertrag


Zunächst ist festzuhalten, dass auch im kaufmännischen Verkehr eine Einbeziehung der AGB nötig ist. Das ist jedoch gem. § 310 I BGB einfacher möglich als bei Privatleuten. So reicht eine rechtsgeschäftliche Einbeziehung nach §§ 145 ff. BGB.

Beispiel: Kaufmann V macht dem Kaufmann K unter Hinweis auf seine AGB ein Angebot zum Verkauf einer Kaufsache, das Letzterer unter Bezugnahme auf seine eigenen AGB annimmt, wobei sich die Regeln über die Gefahrtragung nach den jeweiligen AGB der Parteien unterschiedlich gestalten sollen. Der K wollte nur bei Eingang der Sache zahlen, während die AGB des V eine Lieferung auf Gefahr des K regelten. Wenn nun die Kaufsache mit dem Einverständnis des K abgesandt wurde und auf dem Transportweg zufällig unterging, stellt sich die Frage, ob der V Zahlung des Kaufpreises vom K verlangen kann.


b) Kein Dissens


Nachdem beide Vertragsparteien die Vertragsdurchführung begonnen haben, kommt ein offener oder versteckter Dissens nach §§ 154, 155 BGB und damit ein fehlender Vertragsschluss insgesamt nicht in Betracht. Denn beide Vorschriften stellen lediglich Auslegungsregeln dar, die wegen eines anderslautenden Willens der Parteien unanwendbar sind. Ein Vertragsschluss ist also jedenfalls gegeben, nur ist nicht klar, mit welchem Inhalt.


2. Lösung des Problems


In der älteren Rechtsprechung galt die Theorie des letzten Wortes (BGHZ 18, 212, 215). Danach solle die Vorschrift des § 150 II BGB einschlägig sein, weshalb die zuletzt verwendeten AGB zum Vertragsbestandteil geworden seien, nicht aber die zuerst im Angebot verwendeten Klauseln. Es sei somit eine Ablehnung des ursprünglichen Angebots und die Abgabe eines neuen Antrags gegeben. Wenn nun die Parteien mit der Vertragsdurchführung beginnen, indem der K etwa die ihm übersandte Kaufsache entgegennimmt, sei das als eine konkludente Annahme des letzten Angebots zu werten. Praktisch bedeutet das oft, dass die AGB des Verkäufers in den Vertrag einbezogen werden, denn regelmäßig gibt der Käufer ein Angebot ab, das der Verkäufer abändert und dieses wiederum vom Käufer angenommen wird.

Nach der heute herrschenden Meinung in der Literatur und Rechtsprechung (so etwa BGH NJW 1991, 1604, 1606) gilt jedoch ein anderer Ansatz. Danach sind die AGB der beiden Parteien nur insofern zum Vertragsinhalt geworden, als sie auch übereinstimmen (Prinzip der Kongruenzgeltung). Zwar weichen die AGB der beiden Vertragspartner in einzelnen Punkten voneinander ab, sodass ein Dissens nach § 154 I BGB gegeben ist. Das soll jedoch nach dem Rechtsgedanken des § 306 II BGB der Wirksamkeit des Vertrags nicht entgegenstehen, wenn die Vertragsparteien einverständlich mit der Durchführung des Vertrags begonnen haben. Soweit sich die AGB widersprechen, gilt dann das dispositive Gesetzesrecht gem. §306 I, II BGB analog.

Anwendung im Beispiel: Da der K seine AGB zuletzt gestellt hatte, wäre nach der Theorie des letzten Wortes eine Annahme des abändernden Angebots durch den V in dem Beginn der Durchführung des Vertrags durch Übersendung zu sehen. Nachdem die AGB des K die Zahlung nur bei Eintreffen der Sache vorsahen, muss dieser den Kaufpreis nicht zahlen.

Die nunmehr herrschende Ansicht geht hinsichtlich der Gefahrtragung von einem Dissens aus, sodass an die Stelle dieser Klausel die gesetzlichen Vorschriften treten. Dann gilt hinsichtlich der Gefahrtragung der Grundsatz, dass eine Schickschuld vorliegt und der K das Risiko des zufälligen Untergangs der Sache beim Transport tragen muss, § 447 I BGB. Denn nach dieser Vorschrift wird das Entfallen der Gegenleistung gem. § 326 I 1 BGB abgeändert.

Wenn sich die AGB der beiden Parteien in einem Punkt nur teilweise nicht widersprechen, geht diese vertragliche Regelung dem dispositiven Gesetzesrecht allerdings vor. Hier haben also beide Vertragspartner Einvernehmen erzielt, dass das dispositive Gesetzesrecht nicht gelten soll, sie erlangen aber keine Einigkeit, in welchem Umfang vom Gesetz abgewichen werden soll.

Beispiel: Wenn in den AGB des Verkäufers ein Zahlungsziel von 30 Tagen bestimmt ist, während der Käufer ein solches von 60 Tagen in seinen AGB vorsieht, haben beide Parteien gezeigt, dass es nicht bei der vom Gesetz vorgesehenen sofortigen Fälligkeit des Kaufpreises nach § 271 I BGB bleiben soll, sondern der Käufer mehr Zeit zur Zahlung haben soll. In diesem Fall sind ihm dann (allerdings nach umstrittener Ansicht) jedenfalls die 30 Tage zuzugestehen, weil insofern eine Mindesteinigung vorlag, sodass sich ein Rückgriff auf das Gesetz verbietet.


3. Unterschied Schuldrecht / Sachenrecht


a) Schuldrechtliche Ebene


Das Vorstehende bezieht sich auf die schuldrechtliche Ebene bei konkurrierenden AGB. Damit ist die gesamte Thematik aber noch nicht erschöpft.


b) Sachenrechtliche Ebene


Zu beachten ist allerdings auch die sachenrechtliche Ebene. Wenn der V also etwa in seinen AGB bei Abschluss des Kaufvertrags einen einfachen Eigentumsvorbehalt vereinbaren möchte, der K hingegen in seinen AGB nur unbedingt Eigentum erwerben will, wäre nach der herrschenden Ansicht auf das dispositive Gesetzesrecht abzustellen, nach welchem ein Eigentumsvorbehalt nach § 449 I BGB besonders vereinbart werden müsste. Da dies nicht der Fall ist, wurde der Kaufvertrag ohne Eigentumsvorbehalt abgeschlossen und der V müsste unbedingt übereignen.

In sachenrechtlicher Hinsicht aber liegt insbesondere nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur eine bedingte Übereignung vor, wenn der K die Kaufsache widerspruchslos entgegennimmt, denn er weiß, dass der V nicht bedingungslos übereignen wollte.

Dann liegt darin sein konkludentes Einverständnis zum bedingten Erwerb (BGHZ 104, 129, 136 ff.). In aller Regel will der K wenigstens das bedingte Eigentum erwerben und die Übereignung nicht generell scheitern lassen.

Nun hat der K zwar einen schuldrechtlichen Anspruch auf unbedingte Übereignung, diesem kann der V jedoch die Einrede des § 320 I BGB entgegenhalten, bis der Kaufpreis bezahlt ist. Damit kann der V also jedenfalls beim einfachen Eigentumsvorbehalt doch seine Interessen durchsetzen.


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