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Donnerstag, 23. November 2023

Gefahren für den Vertretenen nach Erteilung einer Vollmacht

Gefahren für den Vertretenen nach Erteilung einer Vollmacht

Im Rechtsverkehr treten häufig Stellvertreter aufgrund einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht auf, wodurch Gefahren für den Vertretenen nach Erteilung dieser Vollmacht entstehen können.

Die ausbildungs- und praxisrelevante Problematik soll im Folgenden etwas näher betrachtet werden.


Dazu vorab ein Video zum Aufbau in einem juristischen Gutachten




Rechtswirkungen für den Geschäftsherrn


Die Vollmacht ist eine durch ein einseitiges Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht, § 166 I 1 BGB. Sie wird durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll, erteilt, § 167 I BGB. Es handelt sich dabei also um eine zugangsbedürftige Willenserklärung. Sie bedarf grundsätzlich nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form, § 167 II BGB.

Wer eine Vollmacht erteilt, muss sich im Klaren sein, dass dadurch eine Situation geschaffen wird, in welcher der Stellvertreter mit Wirkung für und gegen den Geschäftsherrn handeln kann, § 164 I 1 BGB. Genau das kann zu einem Problem führen, wenn Letzterer z.B. nach einiger Zeit nicht mehr mit der Vertretung einverstanden ist. Dann muss er die Vollmacht widerrufen.

Andererseits liegt es auf der Hand, dass es dem Geschäftsherrn schaden kann, wenn der Bevollmächtigte von der Vollmacht keinen Gebrauch macht, obwohl Ersterer sich darauf verlassen hat.


Widerruf der Vollmacht


Vom Grundsatz her kann jede Vollmacht frei widerrufen werden, § 168 S. 2 BGB. Ausnahmsweise kann in dem der Vollmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (Innenverhältnis) etwas Gegenteiliges vereinbart werden, wofür jedoch ein besonderer Rechtfertigungsgrund erforderlich wäre.

Oft hat der Geschäftsherr dem Vertreter eine Urkunde ausgehändigt, in welcher diese Vollmacht niedergeschrieben ist. Hier müsste er dafür sorgen, dass die Urkunde zurückgegeben wird, um zu verhindern, dass der Vertreter weiter für ihn tätig werden kann. Insofern besteht also ein Risiko, dass diese Rückgabe nicht rechtzeitig geschieht.

Für das Verlangen auf Rückgabe hat der Geschäftsherr mehrere Anspruchsgrundlagen, denn er ist Eigentümer der Vollmachtsurkunde geblieben. Der Vertreter hat auch kein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 I BGB wegen eines etwaigen Aufwendungsersatzanspruchs z.B. aus § 670 BGB. Aus der Vorschrift des § 175 2.Hs. BGB ergibt sich, dass § 273 I BGB in diesem Fall nicht anwendbar ist. Denn der Geschäftsherr muss davor geschützt werden, dass der Bevollmächtigte die Urkunde nach Erlöschen der Vollmacht missbraucht.


Wissenszurechnung


Darüber hinaus erfolgt eine Wissenszurechnung nach § 166 BGB.

Sofern in einer Fallgestaltung ein Stellvertreter auftritt, kommt es häufig auf die Frage an, ob dem Geschäftsherrn das Wissen des Vertreters zugerechnet werden kann.  Dazu bestimmt die Vorschrift des § 166 BGB:

(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.

(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.

Also auch hier bestehen große Risiken für den Vertretenen.


Vollmacht über den Tod hinaus


Sofern eine transmortale Vollmacht erteilt wurde, existieren weitere Gefahren. Die Vollmacht kann nämlich auch über den Tod des Vollmachtgebers hinaus erteilt werden. Dann müssten die Erben die Vollmacht nach § 168 S. 2 BGB rechtzeitig widerrufen, bevor der Bevollmächtigte tätig wird.


Missbrauch der Vertretungsmacht


Zudem ist es für den Geschäftsherrn gefährlich, wenn der Vertreter sich im Außenverhältnis an die Vertretungsmacht (Können) hält, aber im Innenverhältnis seine Weisungen (Dürfen) überschreitet. Hier wird Vertretener voll verpflichtet (außer in den Fällen der Kollusion oder Evidenz).

Siehe dazu bereits meinen Beitrag hier.


Rechtsschein


Letztlich kann auch ein Rechtsschein bestehen gem. §§ 170-172 BGB, der zum Fortbestand der Vollmacht führen kann, obwohl diese eigentlich schon erloschen ist oder nie wirksam erteilt wurde:

Wird die Vollmacht durch Erklärung gegenüber einem Dritten erteilt, so bleibt sie diesem gegenüber in Kraft, bis ihm das Erlöschen von dem Vollmachtgeber angezeigt wird, § 170 BGB.

Sofern die Vollmachtserteilung kundgegeben wurde, bleibt die Vertretungsmacht bestehen, bis die Kundgebung in derselben Weise, wie sie erfolgt ist, widerrufen wird, § 171 II BGB.

Die Vertretungsmacht bleibt bei Aushändigung einer Urkunde solange bestehen, bis die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird, § 172 BGB (siehe dazu bereits weiter oben).

Die Vorschriften des § 170 BGB, des § 171 II BGB und des § 172 II BGB finden keine Anwendung, wenn der Dritte das Erlöschen der Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt oder kennen muss.

Ebenso kann ein Rechtsschein bei einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht gegeben sein, wenn also die Vertretungsmacht fehlt, aber ein Rechtsschein dafür begründet wurde. Hier kann das Handeln des Vertreters dennoch zugerechnet werden.

Zur Duldungsvollmacht siehe meinen Beitrag hier.


Fazit


Die Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht birgt mehrere Gefahren in sich. Deren sollte man sich bewusst sein, wenn man eine solche erteilen möchte. Insbesondere bei den immer wichtiger werdenden Vorsorgevollmachten ist deshalb Vorsicht geboten.


Literatur zu diesem Thema


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Hier sind weitere Artikel zu Stellvertretung zu finden


Anfechtung einer Vollmacht

Wissenszurechnung nach § 166 BGB

Rechtliche Probleme auf eBay im Jurastudium



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