Im Rechtsverkehr treten häufig Stellvertreter aufgrund einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht auf, wodurch Gefahren für den Vertretenen nach Erteilung dieser Vollmacht entstehen können.
Die ausbildungs- und praxisrelevante Problematik soll im Folgenden etwas näher betrachtet werden.
Dazu vorab ein Video zum Aufbau in einem juristischen Gutachten
Rechtswirkungen für den Geschäftsherrn
Die Vollmacht
ist eine durch ein einseitiges Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht, § 166 I 1 BGB. Sie wird durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder dem
Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll, erteilt, § 167 I BGB. Es
handelt sich dabei also um eine zugangsbedürftige Willenserklärung. Sie bedarf grundsätzlich
nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form, § 167 II BGB.
Wer
eine Vollmacht erteilt, muss sich im Klaren sein, dass dadurch eine Situation
geschaffen wird, in welcher der Stellvertreter mit Wirkung für und gegen den
Geschäftsherrn handeln kann, § 164 I 1 BGB. Genau das kann zu einem Problem
führen, wenn Letzterer z.B. nach einiger Zeit nicht mehr mit der Vertretung
einverstanden ist. Dann muss er die Vollmacht widerrufen.
Andererseits
liegt es auf der Hand, dass es dem Geschäftsherrn schaden kann, wenn der Bevollmächtigte
von der Vollmacht keinen Gebrauch macht, obwohl Ersterer sich darauf verlassen
hat.
Widerruf der Vollmacht
Vom
Grundsatz her kann jede Vollmacht frei widerrufen werden, § 168 S. 2 BGB. Ausnahmsweise
kann in dem der Vollmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (Innenverhältnis)
etwas Gegenteiliges vereinbart werden, wofür jedoch ein besonderer
Rechtfertigungsgrund erforderlich wäre.
Oft hat
der Geschäftsherr dem Vertreter eine Urkunde ausgehändigt, in welcher diese Vollmacht
niedergeschrieben ist. Hier müsste er dafür sorgen, dass die Urkunde
zurückgegeben wird, um zu verhindern, dass der Vertreter weiter für ihn tätig
werden kann. Insofern besteht also ein Risiko, dass diese Rückgabe nicht
rechtzeitig geschieht.
Für
das Verlangen auf Rückgabe hat der Geschäftsherr mehrere Anspruchsgrundlagen,
denn er ist Eigentümer der Vollmachtsurkunde geblieben. Der Vertreter hat auch
kein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 I BGB wegen eines etwaigen
Aufwendungsersatzanspruchs z.B. aus § 670 BGB. Aus der Vorschrift des § 175 2.Hs. BGB ergibt sich, dass § 273 I BGB in diesem Fall nicht anwendbar ist. Denn
der Geschäftsherr muss davor geschützt werden, dass der Bevollmächtigte die
Urkunde nach Erlöschen der Vollmacht missbraucht.
Wissenszurechnung
Darüber
hinaus erfolgt eine Wissenszurechnung nach § 166 BGB.
Sofern
in einer Fallgestaltung ein Stellvertreter auftritt, kommt es häufig auf die
Frage an, ob dem Geschäftsherrn das Wissen des Vertreters zugerechnet werden
kann. Dazu bestimmt die Vorschrift des § 166 BGB:
(1)
Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder
durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden,
kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.
(2)
Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht)
der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann
sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die
Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der
Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.
Also
auch hier bestehen große Risiken für den Vertretenen.
Vollmacht über den Tod hinaus
Sofern
eine transmortale Vollmacht erteilt wurde, existieren weitere Gefahren. Die Vollmacht
kann nämlich auch über den Tod des Vollmachtgebers hinaus erteilt werden. Dann
müssten die Erben die Vollmacht nach § 168 S. 2 BGB rechtzeitig widerrufen,
bevor der Bevollmächtigte tätig wird.
Missbrauch der Vertretungsmacht
Zudem
ist es für den Geschäftsherrn gefährlich, wenn der Vertreter sich im
Außenverhältnis an die Vertretungsmacht (Können) hält, aber im
Innenverhältnis seine Weisungen (Dürfen) überschreitet. Hier wird
Vertretener voll verpflichtet (außer in den Fällen der Kollusion oder Evidenz).
Siehe dazu bereits meinen Beitrag hier.
Rechtsschein
Letztlich kann auch ein Rechtsschein bestehen gem. §§ 170-172 BGB, der zum Fortbestand der Vollmacht führen kann, obwohl diese eigentlich schon erloschen ist oder nie wirksam erteilt wurde:
Wird die Vollmacht durch Erklärung
gegenüber einem Dritten erteilt, so bleibt sie diesem gegenüber in Kraft, bis
ihm das Erlöschen von dem Vollmachtgeber angezeigt wird, § 170 BGB.
Sofern die Vollmachtserteilung
kundgegeben wurde, bleibt die Vertretungsmacht bestehen, bis die Kundgebung in
derselben Weise, wie sie erfolgt ist, widerrufen wird, § 171 II BGB.
Die Vertretungsmacht bleibt bei Aushändigung
einer Urkunde solange bestehen, bis die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber
zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird, § 172 BGB (siehe dazu bereits
weiter oben).
Die
Vorschriften des § 170 BGB, des § 171 II BGB und des § 172 II BGB finden keine
Anwendung, wenn der Dritte das Erlöschen der Vertretungsmacht bei der Vornahme
des Rechtsgeschäfts kennt oder kennen muss.
Ebenso
kann ein Rechtsschein bei einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht gegeben sein,
wenn also die Vertretungsmacht fehlt, aber ein Rechtsschein dafür begründet
wurde. Hier kann das Handeln des Vertreters dennoch zugerechnet werden.
Zur Duldungsvollmacht siehe meinen Beitrag hier.
Fazit
Die
Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht birgt mehrere Gefahren in sich. Deren
sollte man sich bewusst sein, wenn man eine solche erteilen möchte. Insbesondere
bei den immer wichtiger werdenden Vorsorgevollmachten ist deshalb Vorsicht
geboten.
Literatur zu diesem Thema
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sich intensiv mit dem Stellvertretungsrecht beschäftigen möchte, dem empfehle
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