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Dienstag, 21. November 2023

Die rätselhafte Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrechten entschlüsselt

Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrechten
In dem schier unendlich großen See des Allgemeinen Teils des BGB gibt es einen weiteren kleinen Teilbereich, welcher in der juristischen Ausbildung immer wieder in Prüfungen thematisiert wird. Für viele ist allein das Wort Gestaltungsrecht schon rätselhaft. Dann soll es auch noch eine Bedingungsfeindlichkeit diesbezüglich geben. Es handelt sich bei der Materie aber um ein absolut examensrelevantes Gebiet, sodass man sich Kenntnisse verschaffen muss.

In den folgenden Zeilen will ich versuchen, diese Problematik zu entschlüsseln und Klarheit für ein besseres Verständnis zu schaffen.


Was sind Gestaltungsrechte?


Gestaltungsrechte wie etwa die Anfechtung, die Aufrechnung, der Rücktritt, die Ausübung eines Vorkaufsrechts, die Minderung oder die Kündigung werden durch einseitige Einwirkung in Form einer empfangsbedürftigen Erklärung ausgeübt und ändern ein bestehendes Schuldverhältnis um oder beenden es. Damit kann der Erklärende also ohne Mitwirkung seines Gegners auf die bestehende Rechtslage einwirken.

Das Wort „Gestaltungsrecht“ wurde von Seckel in Festschrift für Koch (1903), S. 205, 210, kreiert und hat keine Definition im Gesetz.


Besteht hier eine Bedingungsfeindlichkeit?


Vom Grundsatz her kann man jedes Rechtsgeschäft von dem Eintritt eines zukünftigen ungewissen Ereignisses abhängig machen.

Gerade weil diese oben genannten Gestaltungsrechte aber ein bestehendes Schuldverhältnis umändern oder beenden, muss Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bestehen, sodass sie nicht unter einer Bedingung im Rechtssinn erklärt werden können. Eine unklare Schwebesituation ist dabei nicht zumutbar.

Die Gestaltungsrechte werden bereits mit Zugang der Erklärung wirksam, ohne dass eine weitere Bedingung erforderlich wäre. Als Empfänger einer solchen Erklärung muss man sich auf die geänderte Rechtslage verlassen können.

Diese Bedingungsfeindlichkeit kann man aus der Vorschrift des § 388 S. 2 BGB ableiten, nach welcher die Erklärung der Aufrechnung unwirksam ist, wenn sie unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben wird.


Was stellt eine echte Bedingung dar?


Eine Bedingung gem. § 158 BGB läge dann vor, wenn die Gestaltungserklärung von einem ungewissen zukünftigen Ereignis abhängig gemacht würde. Man kann also mit einer Bedingung zukünftige Ereignisse bereits bei Abschluss des Geschäfts berücksichtigen.

In Prüfungsarbeiten findet sich dieses Problem sehr oft, allerdings liegt dann regelmäßig gerade keine solche Bedingung vor.


Beispiele für eine zulässige Bedingung von Gestaltungsrechten


Es gibt einige Situationen, in denen nicht auf Anhieb erkennbar ist, dass es sich tatsächlich gar nicht um eine echte Bedingung im Rahmen der Wirksamkeitsprüfung des Gestaltungsrechts handelt.


Rechtsbedingungen


Möglich sind Rechtsbedingungen, welche nur noch einmal die rechtlichen Voraussetzungen wiederholen. Sie stellen keine echten Bedingungen dar.

So kommt es in Zivilprozessen oft zu der Situation, in welcher der Beklagte gegen die Klageforderung hilfsweise aufrechnet. Hier soll die Aufrechnung nur greifen, wenn das Gericht den Klageanspruch entgegen der Ansicht des Beklagten für gerechtfertigt hält. In einem solchen Fall ist objektiv klar, ob die Klageforderung besteht oder nicht, weshalb es sich bei der hilfsweisen Aufrechnung nur um eine Rechtsbedingung handelt, die zulässig ist.

Auch kann man eine außerordentliche mit einer ordentlichen Kündigung verbinden, denn hier bezieht sich die Bedingung nur auf die Klärung einer Rechtsfrage, sodass sie also nur von der rechtlichen Beurteilung des Verhaltens abhängt.

Hierher gehört auch der Fall bei der bedingten Anfechtung und einem Streit über die Auslegung eines Rechtsgeschäfts:

In diesem Sinn hat der Bundesgerichtshof in einer neueren Entscheidung sehr schön dargelegt, wie die Abgrenzung erfolgt (BGH, Urteil vom 15. Februar 2017 - VIII ZR 59/16, Rn. 31):

„Einer Wirksamkeit dieser Anfechtungserklärung steht nicht entgegen, dass der Kläger gleichwohl in erster Linie die Erfüllung des Kaufvertrages durch den Beklagten nach Maßgabe des von ihm angenommenen Vertragsinhalts begehrt und insoweit von einem (Fort-)Bestand des Vertrages ausgeht. Zwar ist eine Anfechtungserklärung wegen ihres Gestaltungscharakters grundsätzlich bedingungsfeindlich (BGH, Urteil vom 28. September 2006 - I ZR 198/03, NJW-RR 2007, 1282 Rn. 17 mwN). Gleichwohl wird aber eine Eventualanfechtung, also eine Anfechtung für den Fall, dass das Rechtsgeschäft nicht den in erster Linie behaupteten Inhalt hat oder nicht ohnehin nichtig ist, allgemein für zulässig gehalten, weil hierin keine Bedingung im Rechtssinne zu sehen ist.

Denn streiten die Parteien über die Auslegung eines Rechtsgeschäfts und will die eine Partei an den Vertrag nur gebunden sein, wenn er in ihrem Sinne ausgelegt wird, und ficht sie anderenfalls das Rechtsgeschäft vorsorglich an, ist die Anfechtungserklärung nicht von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig gemacht. Vielmehr soll die (unbedingte) Anfechtungserklärung nur für den Fall gelten, dass die Auslegung in einem der Auffassung des Anfechtenden widersprechenden Sinne erfolgt. Nur für diesen Fall will er an den Vertrag nicht gebunden sein. Die Wirkung der Anfechtung ergibt sich dann nämlich aus der künftigen gerichtlichen Klarstellung eines damals nur für die Parteien ungewissen, aber objektiv bereits bestehenden Rechtszustandes…“


Potestativbedingungen


Des Weiteren wird in einer Klausur oder Hausarbeit auch oft der Fall geschildert, dass eine Partei ein Gestaltungsrecht ausübt, aber dieses davon abhängig macht, dass der andere etwas Bestimmtes tut. Dies ist ebenso wie die vorstehend geschilderte Situation als zulässige „Bedingung“ anzusehen, und zwar als sogenannte Potestativbedingung. Bei solchen Bedingungen kann der Erklärungsempfänger den Eintritt der Bedingung selbst beeinflussen, ihr Eintritt hängt somit nur vom Willen des Erklärungsempfängers ab.

Zulässig ist dies also dann, wenn der Erklärungsempfänger auf den Schutz vor der ungewissen Rechtslage verzichtet oder gar nicht in eine ungewisse Lage gebracht wird und seine berechtigten Interessen nicht beeinträchtigt werden (BGHZ 97, 264, 267).

Das Musterbeispiel ist die Änderungskündigung im Arbeitsrecht. Wenn der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund geltend machen kann, könnte er seinem Arbeitnehmer kündigen und ihm zugleich anbieten, das Vertragsverhältnis zu den von ihm gewünschten veränderten Bedingungen weiter bestehen zu lassen. Die Kündigung ist auch hier nicht von einer Bedingung im Rechtssinn abhängig, weshalb die Kündigung zulässig erklärt worden ist.


Weiterführende Literatur


Man sollte den Allgemeinen Teil des BGB mit seinen vielen kleinen Teilproblemen in der Ausbildung nicht unterschätzen. Immerhin enthält diese Materie die für alle anderen Bücher des BGB geltenden Regeln, woraus sich die große Examensrelevanz ergibt. In meinem eBook* „Juristische Übungsfälle zum BGB AT“ habe ich eine ausführliche Fallsammlung zu vielen Problemen erstellt. Wer Interesse hat, kann das Buch hier finden:


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