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Montag, 13. November 2023

Missbrauch der Vertretungsmacht (Kollusion und Evidenz): Das Biest endlich zähmen

Ausnahmen beim Missbrauch der Vertretungsmacht bei Kollusion und Evidenz

Im Allgemeinen Teil des BGB ist das Stellvertretungsrecht ein bedeutender Aspekt der Rechtsgeschäftslehre. Es stellt insbesondere in Klausuren und Hausarbeiten an der Universität ein beliebtes Thema dar, zumal sich hier sehr viele kleine Probleme verstecken.

Ein Klassiker ist hier der Missbrauch der Vertretungsmacht und seine Ausnahmen bei den Fällen der Kollusion und Evidenz.

Sehen wir uns die Sache einmal näher an.

Die Materie ist durchaus anspruchsvoll, weshalb man sich vertieft damit beschäftigen muss, um „das Biest zu zähmen“. Aus diesem Grund soll die Situation im heutigen Beitrag beschrieben und verständlich erklärt werden.

Wenn man dieses Spezialproblem durchdringen will, muss man zunächst einmal das Grundwissen hinsichtlich des Stellvertretungsrechts in den Vorschriften der §§ 164 ff. BGB erworben haben.


Vorab ein kurzes Video zur Stellvertretung




1. Unterscheidung Dürfen und Können


So ist es von großer Bedeutung, dass man bei einer Stellvertretung das Innenverhältnis (also die Beziehung zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen) von dem Außenverhältnis (also der Beziehung zwischen dem Vertreter und dem Geschäftspartner) unterscheidet. Man muss somit die Begriffe „rechtliches Dürfen“ und „rechtliches Können“ verstanden haben.


a) Rechtliches Dürfen


Beim rechtlichen Dürfen geht es um die Innenbeziehung zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen. Diese stellt oft einen Auftragsvertrag oder eine Geschäftsbesorgung oder Arbeitsvertrag dar.

Wenn der Vertreter die ihm vom Vertretenen durch eine Weisung gesetzten Grenzen überschreitet, hat das grundsätzlich keinen Einfluss auf das Außenverhältnis. Der Vertretene wird also aus dem Handeln des Vertreters berechtigt und verpflichtet. Dieser Missbrauch der Vertretungsmacht stellt natürlich ein erhebliches Risiko für den Vertretenen dar.

Nachdem der Geschäftsgegner regelmäßig keine Kenntnis von den internen Weisungen des Geschäftsherrn hat, obliegt ihm im Allgemeinen auch keine besondere Prüfungspflicht, ob und inwieweit der Vertreter im Innenverhältnis gebunden ist.


b) Rechtliches Können


Sollte der Vertreter aber seine Vertretungsmacht im Außenverhältnis und damit sein rechtliches Können überschritten haben, wird der Vertretene vom Grundsatz her nicht gebunden. Damit wird der Vertreter zum „falsus procurator“, also einem Vertreter ohne Vertretungsmacht.

Die Rechtsfolgen des Handelns eines Vertreters ohne Vertretungsmacht finden sich in den Vorschriften der §§ 177 ff. BGB. Dort muss zwischen Verträgen (also Anwendung von §§ 177, 178 BGB) und einseitigen Rechtsgeschäften (hier § 180 BGB) unterschieden werden.


2. Ausnahmen bei Kollusion und Evidenz


Nun existieren allerdings zwei wichtige Ausnahmen von dem Grundsatz, dass der Vertretene beim Überschreiten des rechtlichen Dürfens (also bei einem Missbrauch der Vertretungsmacht) berechtigt und verpflichtet wird. Es sind die Fälle der Kollusion und der Evidenz:


a) Kollusion


Sofern der Vertreter und der Geschäftsgegner bewusst zum Nachteil des Vertretenen zusammenwirken, liegt ein Fall der Kollusion (lateinisch colludere = zusammenspielen) vor. Es liegt dann zwar eine wirksame Vertretung vor, das Vertretergeschäft ist jedoch nach allgemeiner Ansicht gem. § 138 I BGB nichtig. Das hat zur Folge, dass der Geschäftsherr nicht gebunden wird.

In diesem Fall kann der Geschäftsherr sogar seinen Schaden geltend machen, der ihm aus dem kollusiven Zusammenwirken entstanden ist, und zwar gegen den Vertreter und den Geschäftsgegner, § 826 BGB.

Nach einer abweichenden Meinung sei der Vertrag im Fall der Kollusion dennoch wirksam, es sei dann aber ein Schadensersatzanspruch gegen den Vertragspartner aus § 826 BGB auf Aufhebung des Vertrags im Wege der Naturalrestitution nach § 249 I BGB gegeben. Auch vor Aufhebung könne er dem Vertragspartner die Einrede der Arglist gem. § 853 BGB entgegenhalten.

Gelegentlich wird auch vertreten, die §§ 177 ff. BGB seine analog anzuwenden. Danach könnte der Vertretene eine Genehmigung des Rechtsgeschäfts vornehmen, was für ihn von Vorteil sein könne.


b) Evidenz


Die zweite Fallgruppe umfasst die Evidenz. Oft kann der Vorsatz oder die Kenntnis des Geschäftsgegners von der Überschreitung der Vertretungsmacht durch den Vertreter nicht nachgewiesen werden, weshalb nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Geschäftsgegner auch dann als nicht schutzwürdig anzusehen ist, wenn der Missbrauch der Vertretungsmacht für ihn ohne weiteres erkennbar war.

Insofern genügt allerdings nicht schon eine bloß fahrlässige Unkenntnis vom Missbrauch. Der Vertreter muss von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht haben, sodass beim Geschäftsgegner offensichtliche Zweifel darüber entstehen. Der Bundesgerichtshof fordert diesbezüglich massive Verdachtsmomente, die eine objektive Evidenz des Missbrauchs begründen.

Von solch einer objektiven Evidenz muss man ausgehen, wenn sich die Notwendigkeit einer Rückfrage des Geschäftsgegners bei dem Vertretenen geradezu aufdrängt. Weiter spielt es keine Rolle, ob der Vertreter bewusst zum Nachteil des Vertretenen gehandelt hat (entgegen einer älteren Rechtsprechung).

Sofern also der Geschäftsgegner nicht schutzwürdig ist, kann der Vertretene ihm nach der früheren Rechtsprechung den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB geltend machen. Der Vertrag bleibt jedoch wirksam.

Nach der allgemeinen Ansicht in der Literatur und der heutigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss sich der Geschäftsgegner so behandeln lassen, als habe keine ausreichende Vertretungsmacht vorgelegen. Damit gelten für das vom Vertreter vorgenommene Rechtsgeschäft die Vorschriften der §§ 177 ff. BGB analog. Folglich besteht für den Vertretenen die Möglichkeit, den Vertrag zu genehmigen, sodass er wirksam werden kann.


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