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Freitag, 20. Januar 2017

Das Stellvertretungsrecht in der juristischen Ausbildung

In den ersten Semestern der juristischen Ausbildung muss man sich im Zivilrecht intensiv mit dem Stellvertretungsrecht beschäftigen. Dieses ist dann regelmäßig in Prüfungsarbeiten während des gesamten Studiums von großer Bedeutung. Anders als in manchen Nebengebieten darf man hier keinesfalls auf Lücke lernen.Die Materie ist recht umfangreich und enthält zahlreiche Fallstricke, die man nur umgehen kann, wenn man von dem jeweiligen Problem einmal gehört hat und es somit im Ernstfall wiedererkennt.

Einen kleinen (aber sehr wichtigen) Teilbereich, nämlich die Duldungsvollmacht kann man etwa in meinem eBook* zur Stellvertretung nachlesen.

Als Beispiel sei der V als Verkäufer, der K als Käufer und der S als Stellvertreter herangezogen.

Man kann derart im Gutachten formulieren:


Zahlung, § 433 II BGB

 

Der V könnte gegen den K einen Anspruch auf Zahlung von 100 € Zug um Zug gegen Übereignung der Uhr haben, wenn ein entsprechender Kaufvertrag zustande gekommen wäre, § 433 II BGB.

 

1. Anspruch entstanden


Zur Annahme eines Kaufvertrags gem. § 433 BGB müssten zwei sich inhaltlich deckende Willenserklärungen in Form eines Angebots und einer Annahme vorliegen, §§ 145, 147 BGB.

 

a) Unmittelbar zwischen V und K

 

Zwischen dem V und dem K direkt ist zunächst kein Vertrag entstanden, da der V nicht ausdrücklich mit dem K verhandelt hat.

 

b) Vertretung

 

Der V könnte aber infolge der Stellvertretung durch den S als Vertragspartner anzusehen sein, sodass ihn die Folgen aus dem Geschäft treffen würden, § 164 I 1 BGB.

 

aa) Eigene Willenserklärung des Vertreters


Es ist nicht ersichtlich, dass der S als Bote aufgetreten wäre, insoweit liegt eine eigene Willenserklärung aufgrund seines eigenen Entscheidungsspielraums vor.

 

bb) Handeln im Namen des V


Unproblematisch ist S hier im Namen des V tätig geworden, nachdem er ausdrücklich in dessen Namen aufgetreten ist.

 

cc) Vertretungsmacht


Es müsste des Weiteren eine Vertretungsmacht vorgelegen haben.  Vorliegend kommt nur eine rechtsgeschäftliche Vollmacht nach § 166 II 1 BGB in Betracht.

Ausdrücklich hat der V den S aber weder durch Erklärung gegenüber dem S noch gegenüber dem K bevollmächtigt, § 167 I BGB.

Eine Bevollmächtigung durch schlüssiges Verhalten dürfte wohl auch nicht vorliegen, da der V das Handeln des S nur hingenommen und ihn letztlich ausdrücklich gebeten hat, die Einkäufe zu stoppen.  Somit ist keine Innen- bzw. Außenvollmacht gegeben.

Es könnte hier jedoch eine Vertretungsmacht aufgrund Rechtsscheins vorliegen, und zwar in der Form einer Duldungsvollmacht.

 

Anmerkung: Nach einer Mindermeinung in der Literatur sei bei der Duldungsvollmacht eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung durch schlüssiges Verhalten gegeben.  Demgegenüber liegt nach herrschender Ansicht ein Rechtsscheintatbestand vor, denn in diesen Fällen sei gerade kein Wille des Geschäftsherrn zur Bevollmächtigung gegeben und ein bloßes Dulden des Auftretens sei weniger als eine stillschweigende Vollmachtserteilung.

 

Eine Duldungsvollmacht ist dann gegeben, wenn ein Unbefugter ohne Vollmacht während einer gewissen Dauer und wiederholt für den Geschäftsherrn als Vertreter auftritt, der Geschäftsherr dies positiv weiß, aber in zurechenbarer Weise nichts dagegen unternimmt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist.

Um die Folgen des Rechtsgeschäfts dem V zurechnen zu können, hätte der S ohne Vollmacht wiederholt für den V auftreten müssen, was hier offensichtlich gegeben ist, und V hätte von dem Auftreten wissen müssen, ohne dagegen einzuschreiten, wobei der K gutgläubig vom Bestand einer Vollmacht hätte ausgehen müssen.

Der V wusste zur Zeit des Uhrenkaufs, dass der S in der Vergangenheit öfters für ihn als Vertreter Einkäufe getätigt hatte.  So hatte er ihn ja auch ausdrücklich gebeten, die Einkäufe zu stoppen.  Bei Beachtung der pflichtgemäßen Sorgfalt hätte dem V klar sein müssen, dass der S gegebenenfalls wieder für ihn auftreten werde.  Das Auftreten des S als Vertreter hätte er z.B. dadurch abwenden können, dass er den K von der mangelnden Vollmacht informierte.

Das regelmäßige Auftreten des S im Namen des V war auch dem K bekannt, und Letzterer hat zudem im Vertrauen auf den Bestand einer Vollmacht den Kaufvertrag geschlossen.

Da der K nichts vom Fehlen der Vollmacht wusste und der V auch früher die Rechnungen immer beglichen hatte, war er in seinem Vertrauen auf den Bestand der Vollmacht als schutzwürdig anzusehen, § 173 BGB analog.

Damit lagen alle Voraussetzungen für eine Duldungsvollmacht vor, sodass der V vom S wirksam vertreten wurde.

 

c) Zwischenergebnis

 

Demnach kann der V vom K die Zahlung des Kaufpreises von 100 € Zug um Zug gegen Übereignung der Uhr verlangen.


2. Anspruch nicht untergegangen...



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