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Samstag, 16. Dezember 2023

Die vom Anwalt vorformulierte Unterlassungserklärung als Allgemeine Geschäftsbedingung

Die vom Anwalt vorformulierte Unterlassungserklärung als Allgemeine Geschäftsbedingung

Das OLG Düsseldorf (
Urteil vom 23.11.2023 - 2 U 99/22) hat einen interessanten Fall zu einer von einem Anwalt vorformulierten Unterlassungserklärung als Allgemeine Geschäftsbedingung entschieden.

Auch für die Ausbildung im Jurastudium ist dieser Fall von Bedeutung, zumal er aufzeigt, wann bei der Verwendung von Schriftstücken von dem Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgegangen werden kann.

Darüber hinaus kann man auch etwas zum Thema Abmahnung und Unterlassungserklärung lernen.


Vereinfachter Sachverhalt


Die Klägerin A macht Ansprüche auf Vertragsstrafe aus einer Unterlassungserklärung geltend. Diese war von der Beklagten abgegeben worden, nachdem die A sie wegen des Anbietens eines Türschließscharniers abgemahnt hatte.

Die Kanzlei C verfasste und übersandte der Beklagten ein englischsprachiges Abmahnschreiben im Auftrag der A, wobei sie auf deren Rechtsstellung als ausschließliche Lizenznehmerin an den Nutzungsrechten beider Europäischen Patente hinwies. Der Beklagten wurde darin u.a. die Möglichkeit eingeräumt, zur Vermeidung eines Rechtsstreits eine beigefügte englischsprachige Unterlassungserklärung zu unterzeichnen.

Die Beklagte unterzeichnete die Unterlassungserklärung in abgewandelter Form, nämlich auf die vertragsstrafebewehrte Unterlassungsverpflichtung beschränkt und mit einem zusätzlichen Einleitungssatz zur Rechtsverbindlichkeit versehen.

Die übrigen Bestandteile in Gestalt der Regelungen zur Rechnungslegung, Entschädigung, Vernichtung, Erstattung von Rechtsanwaltskosten und zum Gerichtsstand strich sie ersatzlos und übersandte die abgeänderte Erklärung an den Rechtsanwalt der A.


Entscheidung des OLG


„Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe, da die als Allgemeine Geschäftsbedingung einzustufende Vertragsstrafeklausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht standhält und deshalb unwirksam ist.

Die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung durch die Beklagte begründete einen Unterlassungsvertrag mit der A…

Die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe setzt den Abschluss eines entsprechenden Vertrages voraus, für dessen Zustandekommen die allgemeinen Vorschriften über Vertragsschlüsse gelten (BGH, GRUR 2006, 878 Rn. 14 f. - Vertragsstrafevereinbarung; GRUR 2017, 823 Rn. 12 - Luftentfeuchter; GRUR 2010, 355 Rn. 17 - Testfundstelle). Der Gläubiger, der mit der Abmahnung die Abgabe einer bestimmten Unterlassungserklärung verlangt, macht dem Schuldner ein Vertragsangebot gemäß § 145 BGB. Gibt der Schuldner diese Unterlassungserklärung ab, liegt darin die Annahmeerklärung. Weicht er von der Erklärung ab, liegt darin eine Ablehnung und zugleich ein neues Angebot gemäß § 150 Abs. 2 BGB (BGH, a.a.O.)…

Die Berufung weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Vertragsstrafenabrede als Allgemeine Geschäftsbedingung einzustufen ist. Denn die A hat die Vertragsstrafeklausel als Verwender im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB gestellt und nicht im Einzelnen gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 BGB mit der Beklagten ausgehandelt…

Es drängt sich vorliegend bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung auf, dass der Inhaber von Schutzrechten eine Unterlassungserklärung regelmäßig nicht allein für den konkreten Einzelfall formuliert bzw. formulieren lässt, sondern - schon aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus - eine Mehrfachverwendungsabsicht verfolgt. Er wird darauf bedacht sein, ein Standardformular zu entwickeln, dass sich mit möglichst wenigen Modifikationen an die jeweilige Situation anpassen lässt. In der Literatur wird zu Recht darauf hingewiesen, dass es gängige Praxis sei, "das Rad nicht immer neu zu erfinden", sondern auf bewährte Muster oder in Datenbanken hinterlegte Textbausteine zurückzugreifen (vgl. Graf v. Westphalen/Thüsing VertrR/AGB-Klauselwerke, Stand: März 2023, Teil "Vertragsrecht", Stichwort "Individualvereinbarung" Rn. 8).

Diese Erwägungen gelten umso mehr, wenn die Erklärung von einer Rechtsanwaltskanzlei formuliert wurde, was vorliegend naheliegt, da das Anschreiben von der (damaligen) Kanzlei C stammt. Diese wird auf vorhandene Vorstücke bzw. Muster zurückgreifen oder - bei erstmaliger Formulierung - darauf bedacht sein, solche - auch für spätere Mandate - zu entwickeln…

Die vorformulierten Vertragsbedingungen wurden von der A auch als Verwenderin im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB gestellt und nicht im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 3 BGB im Einzelnen ausgehandelt…

Vorliegend ergibt sich aus dem klägerischen Anschreiben keine Bereitschaft, den Inhalt der Unterlassungserklärung ganz oder teilweise ernsthaft zur Disposition zu stellen. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass die Klägerin die seitens der Beklagten vorgenommenen Änderungen akzeptiert hat…

Die umfangreichen Streichungen der Beklagten in Bezug auf andere Vertragsklauseln führen ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis…

Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Abänderung eines Klauselwerkes an mehreren zentralen Punkten im Einzelfall darauf hindeuten, dass die Parteien alle sachlich damit zusammenhängenden Bedingungen in ihren Gestaltungswillen aufgenommen und damit das ganze Klauselwerk ausgehandelt haben (BGH, NJW 2013, 2027 Rn. 20). Dagegen spricht vorliegend aber schon, dass die Klausel zur vertragsstrafebewehrten Unterlassung als namensgebender Kern einer Unterlassungserklärung inhaltlich unverändert übernommen wurde. Es erscheint auch fernliegend, dass die A in diesem Kernbereich Streichungen gleichermaßen akzeptiert hätte. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (BGH, NJW 2013, 2027), in dem sich die Parteien mehrfach über den Inhalt eines möglichen vertraglichen Wettbewerbsverbots austauschten, sich wechselseitig entsprechende Entwürfe unterbreiteten und zu den Entwürfen der Gegenseite Stellung nahmen, kann vorliegend auch keine gründliche Erörterung festgestellt werden. Eine einseitig vorgenommene Streichung von Klauseln ist keine gründliche Erörterung, so dass deren Akzeptanz kein Aushandeln im Hinblick auf die unverändert gebliebene Vertragsstrafeklausel nahelegt.“


Weiterführende Literatur


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AGB-Recht


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