Das Handelsrecht stellt in der juristischen Ausbildung an
der Universität lediglich ein Nebenfach dar, das man somit nur in den
Grundzügen beherrschen muss. Von diesen Grundzügen sind in der Regel auch die
Handelsgeschäfte im Allgemeinen erfasst, worunter unter anderem das
kaufmännische Zurückbehaltungsrecht nach §§ 369 ff. HGB fällt.
Im Folgenden wird diese Materie etwa näher beleuchtet, ohne dass man hier ein tieferes Detailwissen erlangen muss.
Grundsätzliches zum kaufmännischen Zurückbehaltungsrecht
Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht, welches voraussetzt, dass zwei Kaufleute beteiligt sind, geht sehr viel weiter als ein einfaches Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB.
So erschöpft es sich etwa nicht in einem Leistungsverweigerungsrecht, sondern der Gläubiger wird so gestellt, als hätte er ein Faustpfandrecht, obgleich man es nicht als solches bezeichnet. Es ist lediglich ein pfandrechtsähnliches Recht, das z.B. kein absolutes Recht ist, das gegenüber allen Dritten gilt, weshalb es weniger stark ist als ein echtes Faustpfandrecht.
Details zum kaufmännischen Zurückbehaltungsrecht
Die Vorschrift des § 369 I HGB sagt aus:
Ein Kaufmann hat wegen der fälligen Forderungen, welche ihm gegen einen anderen Kaufmann aus den zwischen ihnen geschlossenen beiderseitigen Handelsgeschäften zustehen, ein Zurückbehaltungsrecht an den beweglichen Sachen und Wertpapieren des Schuldners, welche mit dessen Willen auf Grund von Handelsgeschäften in seinen Besitz gelangt sind, sofern er sie noch im Besitze hat, insbesondere mittels Konnossements, Ladescheins oder Lagerscheins darüber verfügen kann. Das Zurückbehaltungsrecht ist auch dann begründet, wenn das Eigentum an dem Gegenstande von dem Schuldner auf den Gläubiger übergegangen oder von einem Dritten für den Schuldner auf den Gläubiger übertragen, aber auf den Schuldner zurückzuübertragen ist.
Ein wichtiger Unterschied zum einfachen
Zurückbehaltungsrecht liegt zunächst darin, dass es keine Konnexität der beiden sich gegenüberstehenden Ansprüche fordert.
Es reicht also aus, dass der Gläubiger eine fällige Forderung, die allerdings
aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft stammen muss, aus einem ganz anderen
Lebenssachverhalt hat, der mit der Einräumung des Besitzes an der Sache in
keinem Zusammenhang steht.
Darüber hinaus muss es sich um eine bewegliche Sache oder ein Wertpapier (nicht aber Hypotheken- oder Grundschuldbriefe)
handeln, die zur Zeit der Entstehung des Zurückbehaltungsrechts (eine spätere
Übereignung schadet nicht) im Eigentum des Schuldners
stehen muss, da ein gutgläubiger Erwerb eines Zurückbehaltungsrechts
nicht möglich ist. Den Besitz muss der Gläubiger auch mit Willen des Schuldners
erlangt haben, und zwar aufgrund eines Handelsgeschäfts. Es reicht aber auch
eine nachträgliche Genehmigung der Besitzerlangung seitens des Schuldners aus.
Einrede
Zu beachten ist hier, dass es sich auch im Handelsrecht
um eine Einrede (also ein Gestaltungsrecht) handelt, die somit erhoben werden
muss, um in einem Prozess beachtet zu werden, denn das Gericht prüft das
Zurückbehaltungsrecht nicht von Amts wegen. Eine Verurteilung würde sodann nur
Zug um Zug erfolgen, § 274 I BGB.
Siehe generell zum Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB meinen Beitrag hier.
Befriedigungsrecht nach § 371 HGB
Darüber hinaus steht das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht aber einem Pfandrecht näher.
Die große Reichweite dieses
Rechts zeigt sich insbesondere darin, dass es über das Leistungsverweigerungsrecht
hinaus sogar ein Befriedigungsrecht nach § 371 HGB gibt,
also kann der Gläubiger in die in seinem Besitz befindliche Sache oder ein
Wertpapier des Schuldners vollstrecken. Bei einem einfachen
Zurückbehaltungsrecht könnte der Gläubiger nur die Herausgabe einer Sache bis
zur Begleichung einer konnexen Forderung verweigern, aber nicht in die Sache
vollstrecken.
Somit kann der Zurückhaltende gem. § 371 I 1 HGB einen Titel wegen seiner fälligen Geldforderung erwirken und die Zwangsvollstreckung in die in seinem Besitz befindliche Sache betreiben.
Das geschieht derart, dass
er sie vom Gerichtsvollzieher pfänden und verkaufen lässt, § 1233 II BGB, §§
809, 814 ff. ZPO, oder er kann einen Vollstreckungstitel auf Befriedigung aus
dieser Sache erwirken und sie sodann verkaufen, § 371 I, IV HGB, §§ 1235, 1221 BGB (Der Antrag in der Klageschrift würde dann lauten: Der Beklagte wird
verurteilt, dem Kläger zu gestatten, sich wegen der Forderung X aus dem
zurückbehaltenen Gegenstand Y zu befriedigen.).
Insolvenz
Auch in der Insolvenz wirkt sich das Recht aus. So kann
der Gläubiger abgesonderte Befriedigung gem. § 51 Nr. 3 InsO verlangen,
obgleich die zurückgehaltene Sache bei der Insolvenz des Schuldners in die
Insolvenzmasse fällt.
Weiterführende Literatur
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