Das Recht der Stellvertretung wird an der Universität schon im ersten Semester gelehrt. Viele Studierende haben zu dieser Zeit aber noch nicht den nötigen Überblick, um schwierigere Fallkonstellationen lösen zu können, die insbesondere auch handelsrechtliche Aspekte beinhalten, wie etwa die Handlungsvollmacht gem. § 54 HGB. Gerade die Abgrenzung, ob nun eine solche Vollmacht vorliegt oder lediglich eine im Umfang nach außen beschränkte BGB-Vollmacht, führt so manche junge Juristen zur Verzweiflung.
Zunächst ist festzuhalten, dass vom Grundsatz her auch für eine Handlungsvollmacht die Regelungen des BGB gelten, sodass auch die Vorschriften der §§ 164 ff. BGB anwendbar sind. Diese Art der Vollmacht hat einen geringeren Umfang als die sehr umfassende Prokura. Ihre Erteilung muss von einem Kaufmann vorgenommen werden, nach herrschender Ansicht kann dies aber in analoger Anwendung der Vorschrift auch von einem Unternehmer getätigt werden. Nach allgemeinen Grundsätzen kann sie zudem auch schlüssig erteilt werden.Hinsichtlich der Rechtsfolge
findet sich im Gesetz eine Regelung des typischen Umfangs der
Handlungsvollmacht. So werden in § 54 I
HGB drei Arten der Handlungsvollmacht umschrieben, wobei sich Grenzen aus § 54
II HGB ergeben. Nach § 54 III HGB gelten
weitere Beschränkungen nur, wenn der Dritte sie kannte oder kennen musste. Eine Eintragung im Handelsregister ist nicht
möglich, sodass auch kein Schutz nach § 15 HGB gewährt werden kann.
Wie aber grenzt man nun ab, ob denn eine beschränkte BGB-Vollmacht vorliegt oder eine Handlungsvollmacht?
Wenn generell im
Sachverhalt nur gesagt ist, dass ein Angestellter in einem kaufmännischen
Unternehmen bestimmte Aufgaben wahrzunehmen hat, die den Vertragsschluss mit
Dritten beinhalten, dann kann man von Grundsatz her davon ausgehen, dass er
eine handelsrechtliche Handlungsvollmacht hat und jede Beschränkung nur im
Innenverhältnis gilt oder jedenfalls gegenüber dem Dritten nach § 54 III HGB
bei Gutgläubigkeit nicht wirkt. Sollten
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass nach einer erfolgten Erteilung nunmehr eine
Beschränkung im Außenverhältnis gelten soll (etwa höhenmäßig beschränkt), kann
man in extremen Fällen aber auch von einem Widerruf dieser Handlungsvollmacht
und der Neuerteilung einer beschränkten BGB-Vollmacht ausgehen, für welche dann
§ 54 HGB keine Anwendung fände und bei einem Überschreiten dieser Vollmacht
keine Vertretungsmacht vorläge.
Allerdings spricht bei der Erteilung einer Vollmacht durch einen
Kaufmann eine Vermutung dafür, dass eine Handlungsvollmacht erteilt wurde. Das bedeutet natürlich nicht, dass die
Erteilung einer Vollmacht überhaupt vermutet wird.
Oft wird im Sachverhalt mitgeteilt, dass ein Angestellter in seinem Arbeitsvertrag eine bestimmte Tätigkeit zugewiesen bekommt und diesbezüglich auch eine Vollmacht für sein Tätigwerden erhalten soll. Hier wird man regelmäßig eine solche Handlungsvollmacht annehmen können. Wenn der zu beurteilende Sachverhalt also die Einstellung eines „Einkaufsleiters“ aufführt, hat diese Position generell sehr umfassende Befugnisse, deren Hauptaufgabe gerade der ständige Einkauf von Sachen ist. Dann muss auch die Vorschrift des § 54 HGB zur Anwendung kommen. Denn diese Stellung hat nach der Verkehrsauffassung zwangsläufig das Vorliegen einer Handlungsvollmacht zum Gegenstand.
Gleiches gilt etwa für den „Kassierer“ eines Geschäfts, der dadurch regelmäßig eine Gattungsvollmacht erhalten hat. Eine „Personalleiterin“ hätte z.B. eine Handlungsvollmacht hinsichtlich der Begründung und Beendigung von Arbeitsverträgen. Auch dem „Filialleiter“, der keine Prokura hat, muss zwangsläufig eine Handlungsvollmacht erteilt worden sein. Auch ein am Schalter einer Bank eingesetzter Arbeitnehmer wird über eine Handlungsvollmacht für die gewöhnlichen Geschäfte an diesem Schalter verfügen.
In Fällen, in denen es nicht so eindeutig
ist, kommt man an einer Verwertung aller im Sachverhalt genannter Anhaltspunkte
für die eine oder andere Richtung nicht umhin.
Selbst wenn man dann zu einem anderen Ergebnis als in der Musterlösung
kommt, dürfte doch vorwiegend die Argumentation maßgeblich sein, sodass die
eigene Lösung bei entsprechender Begründung durchaus noch vertretbar sein kann.
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