Der Verbrauchsgüterkauf ist in der juristischen
Ausbildung ein enorm wichtiges Thema. Auch am Anfang des Jurastudiums muss man
sich mit dieser Materie auseinandersetzen.
Im Folgenden wird die Frage anhand einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs behandelt, wann ein solcher Verbrauchsgüterkauf vorliegt, wenn ein Einzelkaufmann als Käufer auftritt.
Hier der insoweit erhebliche Leitsatz
„Die Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB, wonach die von einem
Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betrieb seines
Handelsgewerbes gehörig gelten, findet im Rahmen der Einordnung des
rechtsgeschäftlichen Handelns eines Kaufmanns als Verbraucher- oder
Unternehmerhandeln nach §§ 13, 14 Abs. 1 BGB jedenfalls dann keine Anwendung,
wenn es sich bei dem Kaufmann um eine natürliche Person (Einzelkaufmann)
handelt (Fortentwicklung des Senatsurteils vom 18. Oktober 2017 - VIII ZR
32/16, NJW 2018, 150 Rn. 37; Abgrenzung zu BGH, Urteile vom 13. Juli 2011 -
VIII ZR 215/10, NJW 2011, 3435 Rn. 19; vom 9. Dezember 2008 - XI ZR 513/07,
BGHZ 179, 126 Rn. 22).“
Zum Sachverhalt
Die Beklagte, eine gewerbliche Gebrauchtwagenhändlerin,
schaltete im Juni 2012 auf der Onlineplattform mobile.de eine Anzeige über den
Verkauf eines zu diesem Zeitpunkt 20 Jahre alten Mercedes-Benz 600 SEL mit
einer Laufleistung von 117.500 km zu einem Preis von 9.990 €.
Mit schriftlichem Vertrag vom 27./29. Juni 2012 kaufte
der Kläger das Fahrzeug sodann zu einem Preis von 9.350 €, wobei in der
Vertragsurkunde sein (bürgerlicher) Name und seine Privatanschrift aufgeführt
sind.
Entscheidungsgründe des Gerichts
Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht das Vorliegen
eines Verbrauchsgüterkaufs (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) - unter der unzutreffenden
Annahme, bei der Prüfung dieser Frage sei im Streitfall die Vermutungsregel des
§ 344 Abs. 1 HGB anzuwenden - verneint und deshalb angenommen, dass dem Kläger
die Beweislastumkehr des § 476 BGB in der gemäß Art. 229 § 39 EGBGB anwendbaren
bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (nachfolgend aF; nunmehr -
wortgleich - § 477 BGB) nicht zugutekommen könne…
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die
Vermutungsregel des § 344 Abs. 1 HGB nicht anzuwenden, wenn im Rahmen der
Prüfung, ob ein Verbrauchsgüterkauf (§ 474 Abs. 1 BGB) vorliegt, zu beurteilen
ist, ob das rechtsgeschäftliche Handeln eines Einzelkaufmanns seiner privaten
oder seiner geschäftlichen Sphäre zuzuordnen ist. Richtigerweise liegt hier
deshalb - trotz nach der Würdigung des Berufungsgerichts verbleibender Zweifel
am Vorliegen eines Privatgeschäfts - ein Verbrauchsgüterkauf vor mit der Folge,
dass der Anwendungsbereich des § 476 BGB aF eröffnet ist…
Nach § 13 BGB in der gemäß Art. 229 § 32 Abs. 1 EGBGB
anwendbaren bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (nachfolgend aF) ist
Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck
abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen
Tätigkeit zugerechnet werden kann. Demgegenüber ist Unternehmer nach der
Legaldefinition des § 14 Abs. 1 BGB eine natürliche oder juristische Person
oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines
Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen
Tätigkeit handelt
Für die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und
Unternehmerhandeln ist grundsätzlich die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung
des Rechtsgeschäfts entscheidend. Dabei kommt es maßgeblich auf die jeweiligen
Umstände des Einzelfalls, insbesondere auf das Verhalten der Parteien bei
Vertragsschluss an (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 27. September 2017 - VIII
ZR 271/16, NJW 2018, 146 Rn. 41; vom 7. April 2021 - VIII ZR 49/19, NJW 2021,
2281 Rn. 75; vom 7. April 2021 - VIII ZR 191/19, NJW 2021, 2277 Rn. 16). Eine
Zurechnung entgegen dem mit dem rechtsgeschäftlichen Handeln objektiv
verfolgten Zweck kommt nur in Betracht, wenn die dem Vertragspartner
erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dass die
natürliche Person in Verfolgung ihrer gewerblichen oder selbständigen
beruflichen Tätigkeit handelt (Senatsurteile vom 30. September 2009 - VIII ZR 7/09,
NJW 2009, 3780 Rn. 10 f.; vom 13. März 2013 - VIII ZR 186/12, NJW 2013, 2107
Rn. 18; vom 7. April 2021 - VIII ZR 49/19, aaO Rn. 84; vom 7. April 2021 - VIII
ZR 191/19, aaO Rn. 18)…
Diese Grundsätze finden entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts uneingeschränkt auch dann Anwendung, wenn die
rechtsgeschäftlich handelnde natürliche Person ein Einzelkaufmann im Sinne des
Handelsgesetzbuchs ist. Die Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB, wonach die von
einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betrieb seines
Handelsgewerbes gehörig gelten, findet in diesem Zusammenhang keine Anwendung…
Fazit
Die Vorschrift des § 344 HGB tritt wegen der Systematik
hinter die Regelung des § 13 BGB zurück. Auch darf der Schutz der Verbraucher
nicht durch eine handelsrechtliche Regelung umgangen werden, sofern eine natürliche
Person handelt.
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