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Donnerstag, 7. April 2016

Die gestörte Gesamtschuld im Gutachten

Ein Klassiker in Prüfungsaufgaben ist die Problematik der gestörten Gesamtschuld.  Ohne detaillierte Kenntnisse der Materie ist eine ordentliche Lösung im Gutachten der Klausur oder Hausarbeit kaum zu schaffen.Wie man die gesamte Problematik in einem Gutachten aufbaut und darstellt, habe ich im Fall Nr. 31 in meinem eBook* „Juristische Übungsfälle zum Schuldrecht AT“ ausführlich aufgezeigt.

Hier will ich kurz die wesentlichen Eckpunkte festhalten:


Eine gestörte Gesamtschuld ist bei mehreren schadensverursachenden Schuldnern zu diskutieren, wenn die an sich gegebene gesamtschuldnerische Haftung nicht greift, weil ein Schuldner wegen eines Haftungsprivilegs dem Geschädigten gegenüber nicht schadensersatzpflichtig ist.

Standardsituation:


Immer wieder geht es in Prüfungen darum, dass etwa ein Kind von einem Dritten verletzt wird und dabei auch ein Verschulden des aufsichtspflichtigen Elternteils beim Schadenseintritt mitgewirkt hat.  Sedes materiae ist dabei die Vorschrift des § 1664 I BGB, nach welcher die Eltern bei der Ausübung der elterlichen Sorge dem Kind gegenüber nur für die Sorgfalt einzustehen haben, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen.  Manche Studierenden wissen, dass dann allerdings keine Haftungsmilderung mehr stattfindet, wenn eine grobe Fahrlässigkeit gegeben ist, § 277 BGB.

Gesetzliche Haftungsmilderung:


In derartigen Fällen, in denen eine gesetzliche Haftungsmilderung (und nur um die soll es in diesem Beitrag gehen) in Betracht kommt, ist der Anspruch des Kindes gegen den Elternteil aus § 823 I BGB oft nicht gegeben, da Letzterer zwar schuldhaft seine Aufsichtspflicht verletzt hat, aber dabei eben die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten beachtet und nicht grob fahrlässig gehandelt hat.  Wegen § 1664 I BGB scheidet somit ein Anspruch gegen den Elternteil aus.

Keine Haftungsmilderung beim Dritten:


Auf der anderen Seite haftet der Dritte durchaus nach § 823 I BGB, denn für ihn besteht keine Vorschrift, die eine Haftungsmilderung vorsieht.


Mitverschulden des Kinds:


Sodann wäre an ein Mitverschulden des Kinds gem. § 254 I BGB zu denken, um eine Kürzung des Anspruchs vornehmen zu können.  Allerdings ist das Kind regelmäßig nicht deliktsfähig, weshalb die Vorschrift nicht einschlägig ist.

Zurechnung des Verschuldens der Eltern:


Anschließend muss des Weiteren erörtert werden, ob das Verschulden des Elternteils nach §§ 254 II 2, 278 BGB zugerechnet werden kann (mit der gesamten Problematik, ob sich die Vorschrift auch auf die Schadensentstehung bezieht).

Wenn man sich hier der herrschenden Ansicht anschließt, dass ein Schuldverhältnis zwischen Geschädigtem und Schädiger bereits vor dem Schadenseintritt bestanden haben muss, kommt man auch damit nicht zu einer Kürzung des Anspruchs.

Verringerung des Anspruchs:


Endlich sind dann Ausführungen zur Verringerung des Anspruchs wegen der Grundsätze der gestörten Gesamtschuld zu machen.

Wenn die Haftungsmilderung des § 1664 I BGB nicht bestehen würde, wären der Dritte und der Elternteil als Gesamtschuldner dem Kind gegenüber verantwortlich, § 840 I BGB. Der dann gegebene Regressanspruch des Dritten gegen den Elternteil nach § 426 BGB scheidet hier wegen der Haftungsmilderung allerdings aus.

An dieser Stelle wären die unterschiedlichen Ansichten in der Literatur und Rechtsprechung hinsichtlich der Behandlung der Situation zu diskutieren.

Einerseits könnte man eine Kürzung des Anspruchs um den Mitverschuldensanteil des Elternteils erwägen.

Nach anderer Meinung entstehe aber bei der gesetzlichen Haftungsprivilegierung gerade kein Gesamtschuldverhältnis, weshalb auch keine Kürzung vorzunehmen sei.

Letztlich wird auch vertreten, dass keine Kürzung des Anspruchs durchgeführt werden könne, aber dann eine Gesamtschuld fingiert werden müsse, nach welcher der Dritte vom Elternteil gem. § 426 I BGB analog Rückgriff nehmen könne.

Entscheidung des Problems:


Wie man sich dann letztlich bei der Lösung des Problems entscheidet, ist nicht wichtig.  Vielmehr muss man überhaupt erkannt haben, dass ein Fall vorliegt, der nach diesen Grundsätzen zu behandeln ist.  Daran dürften schon recht viele Bearbeiter/innen scheitern.

Es lohnt sich also, die gestörte Gesamtschuld einmal in Ruhe mit allen Argumenten der Rechtsprechung und Literatur durchzuarbeiten, um für den Fall gewappnet zu sein, dass dieser Klassiker abgeprüft werden sollte.

Dazu empfehle ich zudem mein eBook* "Die Gesamtschuld", in der die Probleme ausführlich erörtert sind.




* Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen.





2 Kommentare:

  1. Sehr geehrter Herr Blog-Betreiber,

    was ändert sich denn bei der vertraglichen Haftungsprivilegierung? Werden Regresskreisel&Co iRd § 426 I, II (analog) BGB nicht genauso angewandt?

    Für eine Antwort danke ich im Voraus


    Abschließend möchte ich Sie wissen lasse, dass ich Ihren Blog aufmerksam verfolge und Ihre Ausführungen wirklich hilfreich und verständlich finde. Mit bestem Dank und Grüßen

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  2. Bei einer vertraglich vereinbarten Haftungsprivilegierung soll der Drittschädiger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voll haften und hat zudem einen Regress gegen den Privilegierten gem. § 426 I 1 BGB analog, was ja nach Ansicht des Gerichts bei der gesetzlichen Haftungsprivilegierung des § 1664 I BGB nicht der Fall sein soll. Denn die Haftungsmilderung des Privilegierten habe nur intern im Verhältnis zum Geschädigten Wirkung, nicht aber gegenüber dem Drittschädiger, weshalb Letzterem ein Ausgleichsanspruch gewährt werden müsse. Hier wird also nach der Rechtsprechung eine Gesamtschuld fingiert.

    Allerdings gibt es dazu in der Literatur überwiegend eine andere Ansicht, nämlich dass der Gläubiger von vornherein nur einen verringerten Anspruch erhält, damit der nichtprivilegierte Schädiger nicht das Insolvenzrisiko des privilegierten Schädigers tragen muss. Auch habe der Geschädigte selbst die Privilegierung bewirkt, sodass es gerecht sei, ihm konsequenterweise nur einen verringerten Anspruchs zu gewähren.

    Vielen Dank für die freundlichen Worte.

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