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Freitag, 25. März 2016

Schlechtleistung beim Bewirtungsvertrag

Die Schlechtleistung beim Bewirtungsvertrag als gemischtem Vertrag wird anhand eines Gerichtsurteils erläutert
Eine Entscheidung des Amtsgerichts München vom 12.01.2016 (Aktenzeichen: 159 C 601/15) hat nach einer Pressemitteilung zu der Frage einer Leistungsstörung bei einem Bewirtungsvertrag Stellung genommen.  Die Schilderung in der Mitteilung nach juris.de lautet folgendermaßen:


„Der Kläger betreibt eine Gaststätte. In dieser feierte der Beklagte am 26.07.2014 seine Hochzeit. Es wurde ein Vertrag über die Verpflegung von 170 Erwachsenen zu je 42 Euro pro Person und 26 Kindern zu je 15 Euro pro Kind geschlossen. Die Verpflegung sollte aus einem Sektempfang mit Gemüse-Sticks, ein Hauptmenü mit Suppe, Fleischplatten mit Soße und Beilagen, für die Kinder Schnitzel mit Pommes, ein Abendbuffet mit verschiedenen Vorspeisen, Fisch und Brot, alkoholfreien Getränken, Bier und Wein umfassen. Der Beklagte zahlte von den vereinbarten 7.530 Euro nur 3.000 Euro. Der Gastwirt verlangt vom Beklagen den Restbetrag von 4.530 Euro. Dieser weigert sich zu zahlen, da an der Hochzeit nur 150 Gäste teilgenommen hätten und nur zwei Kellner zur Verfügung gestanden hätten. Die Familie und Freunde des Hochzeitspaares hätten beim Servieren mithelfen müssen. Allein das Servieren der Suppe habe 90 Minuten gedauert. Das spezielle Kinderessen wurde nicht serviert. Der Gastwirt erhob Klage vor dem AG München.

 

Das AG München hat den Beklagten zur Zahlung von 1.939 Euro verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Amtsgericht hat 14 Zeugen angehört.

 

Nach Auffassung des Amtsgerichts ist es nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag unerheblich, dass an der Hochzeit weniger Personen teilgenommen haben, da der Gastwirt sich auf die angegebene Personenzahl vorbereiten musste und entsprechend Spesen und Getränke bereitgestellt hat. Aufgrund der Zeugenaussagen kam das Amtsgericht aber zur Überzeugung, dass die Bewirtung durch den Gastwirt mangelhaft war im Hinblick auf die Qualität der Speisen und die Wartezeit für die Bewirtung. Zum Inhalt der von dem Gast vergüteten Leistungen des Gastwirts gehöre nämlich nicht nur die Lieferung der bestellten Speisen und Getränke, sondern auch ein dem "Zuschnitt" des Restaurants entsprechender Service, der so zügig sein müsse, wie dies nach der Art der bestellten Speisen und Getränke erforderlich sei. Für die Bewirtung der Gäste waren lediglich zwei männliche Kellner zuständig. Bei einer Gästeanzahl von circa 150 Personen sei dies zu wenig, um einen ordnungsgemäßen, insbesondere zügigen Ablauf, d.h. Aufnahme von Getränkebestellungen, Servieren der bestellten Getränke, Servieren der Suppe und Servieren der Hauptspeise, zu gewährleisten.

 

Der mangelhafte Service betreffe rechtlich eine geschuldete Dienstleistung. Nach Dienstvertragsrecht bestehe bei mangelhafter Erbringung der Dienstleistungen grundsätzlich kein Anspruch auf Minderung (Herabsetzung der Dienstvergütung), sondern lediglich ein Recht zur Kündigung oder gegebenenfalls ein Anspruch auf Schadensersatz. Deshalb sei der Gast bei verzögerter Bedienung in der Regel auf die Kündigungsmöglichkeit beschränkt. Für den Beklagten sei es hier von vornherein ausgeschlossen gewesen, im Hinblick auf die schlechte Bewirtung den Vertrag mit dem Kläger zu kündigen. Er konnte, als die mangelhafte Dienstleistung des Klägers offenkundig wurde, mit der mindestens 150-köpfigen Hochzeitsgesellschaft nicht in ein anderes Lokal ausweichen, um dort das beabsichtigte Festessen einzunehmen. Unter Beachtung der beiderseitigen Vertragsinteressen sei es daher gerechtfertigt, dem Beklagten einen Minderungsanspruch zuzubilligen. Das Amtsgericht sprach dem Gast das Recht zu, die Zeche in dem Verhältnis herabzusetzen, in dem die einwandfreie Bewirtung zu der tatsächlich vom Gastwirt erbrachten Bewirtung stand.

 

Von der für die Erwachsenen zu zahlenden Vergütung seien für den mangelhaften Service 30% in Abzug zu bringen, für die schlechte Fleisch-Qualität brachte das Amtsgericht zusätzlich 3% in Abzug und für jedes Kind 9 Euro. Nach dem Urteil war der Gast berechtigt, von der vereinbarten Vergütung in Höhe von 7.530 Euro einen Betrag von 2.590,20 Euro in Abzug zu bringen. Vom verbleibenden Vergütungsanspruch in Höhe von 4.939,80 Euro habe der Beklagte 3.000 Euro bereits gezahlt, so dass dem Kläger gegen den Beklagten eine Restforderung in Höhe von 1.939,80 Euro zustehe.“

 

Auf verschiedenen Seiten im Internet, die sich mit juristischen Inhalten beschäftigen, kann man hierzu den Ansatz zur Lösung des Problems und die Kritik an der Entscheidung des Gerichts nachlesen (so etwa auf juraexamen.info).

Auch ich will meinen Lösungsansatz vorstellen, ohne jedoch eine Besprechung der Entscheidung durchzuführen, denn das kann denknotwendig nur dann erfolgen, wenn man die Entscheidungsgründe vorliegen hat, die meines Wissens nach noch nicht veröffentlicht sind.

 1. Zahlungsanspruch:

Ein Zahlungsanspruch könnte sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag ergeben.

2. Vertragsart:

Beim sogenannten Bewirtungsvertrag handelt es sich um einen gemischten Vertrag mit Elementen verschiedener Vertragstypen.  Und genau dies macht den vom Tatsächlichen her recht einfachen Fall für die Ausbildung interessant, denn nun stellt sich die Frage, wie sich der Kunde gegen den Anspruch wehren kann.

Bei gemischten Verträgen soll nach der reinen Kombinationstheorie jede betroffene Vertragsleistung grundsätzlich nur nach dem jeweils passenden Recht beurteilt werden.

Die Absorptionstheorie würde dagegen Leistungsstörungen allein dem Recht des Vertragstyps unterstellen, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Rechtsgeschäftes liegt.

Demgegenüber spricht sich die neuere Ansicht in der Literatur für eine flexiblere Lösung aus und unterscheidet je nach Fall anhand des Sinns und Zwecks des einzelnen Vertrages, welches Recht anzuwenden ist. 

Auf den Fall bezogen würde das bedeuten, dass man hinsichtlich der zu wenigen Bedienungen nach der Kombinationstheorie das Dienstvertragsrecht anwenden müsste.

Auch nach der neueren Literaturansicht seien bei einem Bewirtungsvertrag in der Regel alle Leistungen gleichwertig, weshalb die Kombinationsmethode einschlägig sei.

3. Minderung?

In der Pressemitteilung entsteht der Eindruck, dass das Gericht diesen Weg gewählt und dann eine Minderung angenommen haben soll.  Das wäre allerdings nicht möglich, denn im Dienstvertragsrecht gibt es keine Minderung, sondern nur einen Schadensersatzanspruch bei Schlechtleistung nach § 280 I BGB, mit welchem gegen den Zahlungsanspruch aufgerechnet werden kann.  Eine analoge Anwendung der Minderungsvorschriften aus dem Kauf- oder Werkvertragsrecht wäre angesichts des klaren gesetzgeberischen Willens nicht zulässig.

Des Weitern müsste man das mangelhafte Fleisch und die fehlenden Essen für die Kinder wiederum anders behandeln, denn diese Leistungen unterfallen nicht dem dienstvertraglichen Teil des Vertrags.  Wenn das Gericht also tatsächlich diesen Weg gewählt haben sollte, stellt sich die Frage, warum es sich selbst so in eine Ecke gebracht hat.  Denn die vom Bundesgerichtshof vertretene Absorptionstheorie würde grundsätzlich davon ausgehen, dass bei gemischten Verträgen nur die Unterstellung unter ein einziges Vertragsrecht gerecht sei, nämlich dasjenige, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Vertrags liege.

Und so könnte man bei dem vorliegenden Bewirtungsvertrag das Kaufrecht als Schwerpunkt ansehen.  Anders als auf den eingangs angesprochenen Internetseiten ist auf die Speisen meiner Ansicht nach Kaufrecht anzuwenden und nicht Werkvertragsrecht.  Da es sich um erst noch herzustellende Speisen handelte, muss der Umweg über die Vorschrift des § 651 S. 1 BGB gewählt werden, der aber doch wieder allein zur Anwendung von Kaufrecht führt.  Sodann kann man des gesamten Vertrag als eine Einheit mit verschiedenen Mängeln betrachten und ohne dogmatische Schwierigkeiten eine Minderung des Kaufpreises vornehmen, und zwar für alle drei gerügten Bereiche.

4. Was tun am Amtsgericht?

Wenn man also als Amtsrichter oder Amtsrichterin Teil der Rechtsprechung ist, bietet es sich doch an, auch der vom Bundesgerichtshof vertretenen Auffassung zu gemischten Verträgen zu folgen, um die vorstehend genannten dogmatischen Schwierigkeiten zu umgehen.

Welcher Ansicht das Gericht gefolgt ist, kann erst nach Veröffentlichung der Entscheidungsgründe beurteilt werden.  Allerdings kann man angesichts des enormen Zeitdrucks am Amtsgericht schon jetzt für das Gericht etwas Mitleid aufbringen, wenn es tatsächlich 14 (!) Zeugen zu diesem Fall vernehmen musste.


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