In der Praxis stellt das Trinkgeld nach dem
Erhalt von Dienstleistungen eine absolute Selbstverständlichkeit dar. Wer etwa
in ein Restaurant oder zum Friseur geht, wird nach Übergabe der Rechnung noch
ein kleines Extra auf den Preis zahlen, um die Tätigkeit zu belohnen.
Wie steht es aber in juristischer Hinsicht?
Man nehme einmal an, ein Gast geht in ein
Restaurant, um dort Speisen und Getränke einzunehmen. Als die Bedienung die
Rechnung bringt, zahlt der Gast den genauen Betrag, aber gibt kein Trinkgeld.
Hat die Bedienung hier einen rechtlichen Anspruch?
Die Antwort auf diese Frage ist nicht ganz
einfach. In meinem eBook „Juristische Übungsfälle zum Schuldrecht AT“ habe ich
in Fall Nr. 37 ein entsprechendes Gutachten erstellt, das sich mit den
verschiedenen Anspruchsgrundlagen auseinandersetzt.
Hier sind weitere Artikel zum Vertragsschluss zu finden
Die
falsche Preisauszeichnung im Selbstbedienungsladen
Vertragsschluss
an der Tankstelle
Das
Schweigen im Rechtsverkehr und das kaufmännische Bestätigungsschreiben
Soviel sei jedenfalls schon einmal gesagt
Die in manchen Kommentaren vertretene Auffassung, es liege eine
Schenkung vor, bringt für die Lösung nichts, denn der Gast hat ja gerade nichts
gegeben, sodass keine Handschenkung gem. § 516 I BGB vorliegen
kann (die keiner Form bedürfte).
Es wird verbreitet vertreten, dass die
Einigung über die Unentgeltlichkeit bei einer Handschenkung keine Primärleistungspflicht
begründe, sondern lediglich einen Schuldgrund schaffe, der einer
Leistungskondiktion nach § 812 I 1 1. Alt. BGB entgegenstehe.
Aber es liegt auch kein Versprechen, in der Zukunft
eine schenkweise Leistung vorzunehmen, vor, weshalb wiederum kein (nun formbedürftiges) Schenkungsversprechen gem. § 518 I 1 BGB gegeben ist.
Die
Antwort muss in anderen Anspruchsgrundlagen gesucht werden. Dem Juristen in der
Ausbildung sei diese tagtägliche Praxis als Ansporn zum Nachdenken und zur Entwicklung
des enorm wichtigen Problembewusstseins empfohlen.
Nicht nur in rechtlicher Hinsicht erweist sich
das Trinkgeld als schwierige Materie. Manch einer stört sich sogar sehr an
dieser Sitte.
So soll hier der große Jurist Rudolf von Jhering aus seinem
Aufsatz zitiert werden (Das Trinkgeld, Braunschweig, 1882, unter XIII.):
„Das Trinkgelderwesen ist in meinen Augen eine durch die Sitte
organisirte Art der Bettelei. Für eine Leistung, für welche derjenige, der sie
erweist, entweder von demjenigen, in dessen Diensten er steht, bereits Zahlung
erhalten hat oder für die er überhaupt keine entgegennehmen sollte, [51] da ein
anständiger Mensch sie unentgeltlich erweist, streckt er die Hand nach einer
Vergütung aus; das heisst in meinen Augen betteln. Den Lohn kann man begehren,
eine Freigebigkeit nicht, wer sie dennoch begehrt, ist Bettler – auf das Kleid
kommt es dabei nicht an, es giebt Bettler in Sammt und Seide, die geheime
Geschichte der Orden könnte davon viel berichten. Jeder Bettel aber setzt
innere und äussere Demüthigung voraus; der sich seines Werthes bewusste Mann
bettelt nicht.“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen