Bekannt sind viele Fälle, in denen ein Besteller beim Schlüsseldienst anruft, da er seine Haustür nicht öffnen kann und dann nach erfolgter Leistung eine hohe Rechnung vorgelegt bekommt.
Wann liegt eine Sittenwidrigkeit beim Vertrag mit dem Schlüsseldienst vor?
Eine neue Entscheidung des Amtsgerichts München (Urteil des Amtsgerichts München vom 08.01.2020 - Aktenzeichen 171 C 7243/19) zeigt dabei auf, wie man die Sittenwidrigkeit des Werkvertrags gerade nicht ablehnen kann.Dort konnte der Besteller die Tür nicht mehr öffnen und rief einen Schlüsseldienst an, der laut Pressemitteilung insgesamt 863,94 Euro forderte, wobei offenbar lediglich ein Betrag von 217,18 Euro angemessen war.
Selbst wenn man den Einbau eines neuen Schlosses herausrechnen würde, wäre
der Werklohn für das Öffnen der Tür anscheinend weit über doppelt so hoch
gewesen wie der angemessene Betrag.
Nach längeren Ausführungen zum Fehlen der Voraussetzungen der Zwangslage lehnte das Gericht dann die Sittenwidrigkeit gem. § 138 II BGB ab.
Das mag man so hinnehmen, was aber nicht weiter verwunderlich ist bei den enorm stringenten Voraussetzungen der Norm.
Interessanter wären tiefere Ausführungen zum wucherähnlichen Geschäft gem. § 138 I BGB gewesen.
Hier schreibt das Gericht laut Pressemitteilung nur:
„Auch
ein Verstoß gegen § 138 Abs.1 BGB liege nicht vor. In einer vom Grundsatz der
Vertragsfreiheit geprägten freien Marktwirtschaft müsse es grundsätzlich den
Parteien überlassen werden, eine angemessene Vergütung für eine konkrete
Leistung zu bestimmen. Wenn ein Anbieter dauerhaft überteuerte Angebote mache,
werde er entweder seine Preisvorstellungen reduzieren müssen oder aber vom
Markt verschwinden.“
Das geht allerdings komplett am Ziel vorbei und kann eine Verneinung der Voraussetzungen des § 138 I BGB nicht tragen.
Wenn der Werklohn über doppelt so hoch wie der
angemessene Lohn war, liegt ein besonders grobes Missverhältnis zwischen
Leistung und Gegenleistung vor, sodass nach der höchstrichterlichen
Rechtsprechung die tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des
Vertragspartners besteht. Dann müsste der Unternehmer hier Vortrag zur fehlenden
subjektiven Seite machen, was aber nicht ersichtlich ist.
Die Argumentation mit der Vertragsfreiheit und der freien Marktwirtschaft überzeugt nicht, denn diese Vertragsfreiheit findet nun einmal ihre Grenzen bei der Sittenwidrigkeit.
Sodann ist es unerheblich, ob der Anbieter dauerhaft überteuerte Angebote macht, weshalb er entweder seine Preisvorstellungen reduzieren muss oder aber vom Markt verschwindet.
Was soll
das für die Beurteilung des konkreten Falls bringen? Es steht nicht zur
Debatte, ob der Unternehmer in der Zukunft erfolgreich sein wird oder seine
Preise anpassen muss. Vielmehr geht es um den bereits geschlossenen und erfüllten
Vertrag, dessen Wirksamkeit zu beurteilen ist. Eine solche Beurteilung kann ich
in der Pressemitteilung nicht finden.
Hier ist ein weiterer Artikel zur Sittenwidrigkeit zu finden
Verhältnis von § 123 BGB zu § 138 BGB
Hier sind weitere Artikel zum Werkvertrag zu finden
Was
ist ein Werklieferungsvertrag?
Schadensersatz
nach Kündigung eines Werkvertrags
Die
Selbstbeseitigung beim Werkvertrag
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