Ein sehr schöner Fall zum Allgemeinen Teil des BGB lässt sich in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs hier finden.
Wenn es schon einmal um BGB AT vor dem BGH geht, sollte man sich das auch einmal durchlesen.
Zunächst der Leitsatz
„Wird
eine E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen
Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung
gestellt, ist sie dem Empfänger grundsätzlich in diesem Zeitpunkt zugegangen.
Dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen wird, ist für
den Zugang nicht erforderlich.“
Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit der Erbringung von Werkleistungen. Nach Erbringung der Arbeiten und Erstellen der Schlussrechnung zahlte die Beklagte nur einen verringerten Teil des Werklohns.
Wegen von der Beklagten vorgenommener Kürzungen an abgerechneten Nachtragspositionen widersprach die Klägerin der Schlusszahlung und forderte die Beklagte mit Schreiben vom 27. November 2018 zu einer weiteren Zahlung in Höhe von 14.347,23 € auf.
Die Beklagte bot der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 13. Dezember 2018 eine Zahlung in dieser Höhe zur Erledigung der Angelegenheit an.
Die Klägerin antwortete mit E-Mail ihres anwaltlichen Vertreters vom 14. Dezember 2018, 9:19 Uhr, die Forderung aus der Schlussrechnung belaufe sich mit Ausnahme des Sicherheitseinbehalts noch auf 14.347,23 €. Eine weitere Forderung werde nicht erhoben.
Mit weiterer E-Mail vom 14. Dezember 2018, 9:56 Uhr, erklärten die anwaltlichen Vertreter der Klägerin gegenüber der Beklagten, eine abschließende Prüfung der Forderungshöhe durch die Klägerin sei noch nicht erfolgt; die E-Mail von 9:19 Uhr müsse daher unberücksichtigt bleiben. Sie könnten derzeit nicht bestätigen, dass mit Zahlung des in dem Schreiben angeforderten Betrags keine weiteren Forderungen erhoben würden.
Die Beklagte überwies an die
Klägerin am 21. Dezember 2018 einen Betrag von 14.347,23 €. Die Klägerin
fordert nun einen höheren Restbetrag.
Dieser Fall eignet sich schon für Erstsemester als Prüfungsaufgabe
zum Abschluss eines Vertrags. So hat das Gericht gegen die Forderung des höheren
Restbetrags entschieden:
„Das
Berufungsgericht führt zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen aus,
das Landgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien ein
Vergleich nach § 779 BGB zustande gekommen sei mit der Folge, dass
darüberhinausgehende Forderungen der Klägerin gegenüber der Beklagten erlassen
worden seien. Jedenfalls in der E-Mail der Klägerin vom 14. Dezember 2018, 9:19
Uhr, habe ein das vorgehende Angebot der Beklagten abänderndes Angebot der
Klägerin auf Abschluss eines Vergleichs im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB gelegen,
welches die Beklagte durch die Anweisung des darin geforderten Betrags, also
der Hauptforderung und der Rechtsanwaltskosten, am 21. Dezember 2018 konkludent
angenommen habe. Die Klägerin habe ein entsprechendes Angebot in der E-Mail vom
14. Dezember 2018, 9:19 Uhr, mit der nachfolgenden E-Mail vom 14. Dezember
2018, 9:56 Uhr, weder wirksam angefochten noch wirksam widerrufen
beziehungsweise zurückgenommen. Das Gericht schließe sich der herrschenden
Meinung an, wonach eine E-Mail im geschäftlichen Verkehr dann dem Empfänger
zugehe, wenn sie abrufbereit in seinem elektronischen Postfach eingegangen sei.
Insoweit sei bei Geschäftsleuten und Behörden während der üblichen Geschäfts-
beziehungsweise Bürozeiten mit der Kenntnisnahme (Zugang) unmittelbar nach
Eingang der Nachricht in den elektronischen Briefkasten zu rechnen. Auf die
tatsächliche Kenntnisnahme durch den Empfänger komme es dabei nicht an. Sei
davon auszugehen, dass das Vergleichsangebot der Klägerin mit der E-Mail um
9:19 Uhr bereits im Sinne des § 130 BGB zugegangen sei, könne die um 9:56 Uhr
eingegangene E-Mail keinen wirksamen Widerruf mehr darstellen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin habe die Beklagte deren Angebot auch rechtzeitig angenommen. Gemäß § 147 Abs. 2 BGB könnten Anträge unter Abwesenden bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen zu erwarten sei. Diese Frist setze sich zusammen aus der Zeit für die Übermittlung des Antrags an den Empfänger, dessen Bearbeitungs- und Überlegungszeit sowie aus der Zeit für die Übermittlung der Antwort an den Antragenden. Die Klägerin gehe selbst davon aus, dass die übliche Frist für die Annahme eines Angebots zwei bis drei Wochen betrage. Dem stimme das Gericht auch für den vorliegenden Fall zu. Der Umstand, dass die Annahme der Beklagten zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, zu dem sie aufgrund der zweiten E-Mail der Klägerin vom 14. Dezember 2018 bereits Kenntnis davon gehabt habe, dass die Klägerin ihrerseits an dem Vergleichsangebot nicht habe festhalten wollen, könne - auch unter Berücksichtigung von Treu und Glauben - weder an der Annahmefrist noch an der Wirksamkeit der Annahme etwas ändern.“
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