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Donnerstag, 1. Februar 2024

Falsche Verdächtigung und Schadensersatz nach Zivilrecht

Falsche Verdächtigung und Schadensersatz

Eine Entscheidung des Amtsgericht Brandenburg (AG Brandenburg Urteil vom 08.01.2024,30 C 138/23) befasst sich mit dem Thema, wann eine falsche Verdächtigung zu einem Schadensersatz aus dem Zivilrecht führen kann.

Das Urteil wird nachfolgend etwas genauer angesehen.


Zunächst der Leitsatz


Derjenige, der nicht „wider besseren Wissens“ jemanden einer rechtswidrigen Tat verdächtigt handelt grundsätzlich auch noch nicht rechtswidrig, wenn er durch diese Strafanzeige das hierfür gesetzlich geregelte Verfahren in Gang bringt (§ 826 BGB unter Beachtung von § 164 StGB).


Sachverhalt


Die Parteien streiten nach einer Strafanzeige um Schadensersatz. Der Kläger begehrt von dem Beklagten insofern die Zahlung von Schadenersatz für Rechtsanwaltskosten, die ihm in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entstanden sind.

Drei dem Beklagten unbekannte und mit dunklen Masken maskierte Männer schlugen mit Fäusten und einem Knüppel auf den Beklagten ein, wodurch dieser nicht unwesentlich verletzt wurde. Er erstattete sodann eine Strafanzeige gegen „Unbekannt“. In seiner nachfolgenden polizeilichen Zeugenvernehmung erklärte er hinsichtlich des Klägers:

„Der war natürlich nicht dabei. Dazu ist der viel zu schlau. Den hätte ich auch erkannt. Schon sein Rasierwasser hätte ich Meilen gegen den Wind gerochen.“

Auf die Frage des Polizisten: „Also ist der Tatverdacht gegen Herrn H…, den sie geäußert haben, eine reine Vermutung?“, antwortete der nunmehrige Beklagt: „Ja natürlich. Aber trotzdem bin ich mir sicher, dass er es war. Ich habe ja von dem Vorfall niemanden erzählt. Trotzdem wusste der H… davon und hat überall rumerzählt, dass man mich zusammengeschlagen hätte und ich wie ein Feigling abgehauen bin.“

Der Kläger erhielt von der Polizei eine Vorladung zur Polizeidienststelle und sollte in einem Ermittlungsverfahren, welches sich gegen ihn richtete, wegen einer „gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 StGB“ als Beschuldigter vernommen werden.

Sein nunmehriger Prozessbevollmächtigter hat in dem Ermittlungsverfahren gegen ihn zunächst Akteneinsicht beantragt und diese auch gewährt bekommen, woraufhin das Verfahren gemäß § 170 II StPO eingestellt wurde. Dem Kläger ist ein Schaden in Höhe von 729,57 EUR entstanden für den anwaltliche Vertretung, den er nun ersetzt verlangt.


Entscheidung des Amtsgerichts


I. Anspruch aus § 823 I BGB


Nachdem das Vermögen kein von § 823 I BGB geschütztes Rechtsgut ist, besteht kein Anspruch nach § 823 I BGB.


II. Anspruch aus § 823 II BGB


Für einen derartigen Schadensersatzanspruch müsste ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz vorliegen. Dieses müsste gerade auch den Schutz des Klägers bezwecken.

Hier kommt als Schutzgesetz die Vorschrift des § 164 StGB in Betracht. Somit müsste eine falsche Verdächtigung vorliegen. Ein Individualschutz auch des Klägers wird mit dieser Norm bezweckt, sodass er sich keiner falschen Verdächtigung aussetzen muss.

Dann müsste der Beklagte zunächst den Tatbestand der Norm erfüllt haben:

Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Vom Grundsatz her handelt derjenige, der sich eines staatlichen, gesetzlich geregelten Verfahrens zur Durchsetzung seiner Ansprüche oder berechtigten Interessen bedient (außer im Fall des § 826 BGB), nicht rechtswidrig, da jedermann das Recht hat, durch eine Strafanzeige ein gesetzlich geregeltes Verfahren in Gang zu bringen.

Die Grenze bei der Inanspruchnahme eines gesetzlich geregelten Verfahrens richtet sich aber nach Treu und Glauben (§ 242 BGB). Bei einem willkürlich, leichtfertig oder mit unlauteren Mitteln in Gang gebrachten Strafverfahren ist insofern die Vermutung der Rechtmäßigkeit bereits widerlegt.

Der Beklagte hat sich hier in diesem Sinne nicht unredlich verhalten. Es kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass der Beklagte den Kläger gegenüber den Ermittlungsbehörden wider besseren Wissen einer rechtswidrigen Tat in der Absicht verdächtigt hat, ein behördliches Verfahren gegen den Kläger herbeizuführen.

Er hat ersichtlich lediglich eine von ihm gezogene Schlussfolgerung aufgrund der vorherigen Meinungsverschiedenheiten und rechtlichen Auseinandersetzungen der Prozessparteien geäußert. Die Tatsache, aus welcher der Beklagte diese Schlussfolgerung gezogen hat - die vorherigen Meinungsverschiedenheiten und rechtlichen Auseinandersetzungen der Prozessparteien - hat er aber wahrheitsgemäß mitgeteilt und insoweit gerade keine wider besseren Wissens erhobene Behauptung aufgestellt.

Ein Anspruch des Klägers aus § 823 II BGB scheidet mangels Verstoß gegen ein Schutzgesetz aus.


III. Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB


Ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB würde einen entsprechenden Vorsatz voraussetzen. Ein solcher Schädigungsvorsatz liegt aber nicht vor.

Auch insofern hat der Kläger keinen Anspruch gegen Beklagten.


Fazit


Hier liegt ein Fall vor, der sich bereichsübergreifend auch auf das Strafrecht erstreckt. Eine solche Fallgestaltung ist durchaus im Staatsexamen möglich, wobei wohl noch viele weitere zivilrechtliche Probleme in den Sachverhalt eingebaut würden.

Die Urteilsgründe allerdings halte ich für nur sehr schwer lesbar. Das Gericht führt seitenweise Literatur- und Rechtsprechungsnachweise an, die den Lesefluss komplett zerstören und meiner Ansicht nach völlig unnötig sind. Man nehme sich daran bitte kein Beispiel für eine Hausarbeit.

 

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