Eine Entscheidung des Amtsgericht Brandenburg (AG Brandenburg Urteil vom 08.01.2024,30 C 138/23) befasst sich mit dem Thema, wann eine falsche Verdächtigung zu einem Schadensersatz aus dem Zivilrecht führen kann.
Das Urteil wird nachfolgend etwas genauer angesehen.
Zunächst der Leitsatz
Derjenige, der nicht „wider besseren Wissens“ jemanden
einer rechtswidrigen Tat verdächtigt handelt grundsätzlich auch noch nicht
rechtswidrig, wenn er durch diese Strafanzeige das hierfür gesetzlich geregelte
Verfahren in Gang bringt (§ 826 BGB unter Beachtung von § 164 StGB).
Sachverhalt
Die Parteien streiten nach einer Strafanzeige um
Schadensersatz. Der Kläger begehrt von dem Beklagten insofern die Zahlung von
Schadenersatz für Rechtsanwaltskosten, die ihm in einem strafrechtlichen
Ermittlungsverfahren entstanden sind.
Drei dem Beklagten unbekannte und mit dunklen Masken
maskierte Männer schlugen mit Fäusten und einem Knüppel auf den Beklagten ein,
wodurch dieser nicht unwesentlich verletzt wurde. Er erstattete sodann eine
Strafanzeige gegen „Unbekannt“. In seiner nachfolgenden polizeilichen Zeugenvernehmung
erklärte er hinsichtlich des Klägers:
„Der war natürlich nicht dabei. Dazu ist der viel zu
schlau. Den hätte ich auch erkannt. Schon sein Rasierwasser hätte ich Meilen
gegen den Wind gerochen.“
Auf die Frage des Polizisten: „Also ist der Tatverdacht
gegen Herrn H…, den sie geäußert haben, eine reine Vermutung?“, antwortete der
nunmehrige Beklagt: „Ja natürlich. Aber trotzdem bin ich mir sicher, dass er es
war. Ich habe ja von dem Vorfall niemanden erzählt. Trotzdem wusste der H…
davon und hat überall rumerzählt, dass man mich zusammengeschlagen hätte und
ich wie ein Feigling abgehauen bin.“
Der Kläger erhielt von der Polizei eine Vorladung zur
Polizeidienststelle und sollte in einem Ermittlungsverfahren, welches sich
gegen ihn richtete, wegen einer „gefährlichen
Körperverletzung gemäß § 224 StGB“ als Beschuldigter vernommen
werden.
Sein nunmehriger Prozessbevollmächtigter hat in dem
Ermittlungsverfahren gegen ihn zunächst Akteneinsicht beantragt und diese auch
gewährt bekommen, woraufhin das Verfahren gemäß § 170 II StPO eingestellt wurde.
Dem Kläger ist ein Schaden in Höhe von 729,57 EUR entstanden für den
anwaltliche Vertretung, den er nun ersetzt verlangt.
Entscheidung des Amtsgerichts
I. Anspruch aus § 823 I BGB
Nachdem das Vermögen kein von § 823 I BGB geschütztes
Rechtsgut ist, besteht kein Anspruch nach § 823 I BGB.
II. Anspruch aus § 823 II BGB
Für einen derartigen Schadensersatzanspruch müsste ein
Verstoß gegen ein Schutzgesetz vorliegen. Dieses müsste gerade auch den Schutz
des Klägers bezwecken.
Hier kommt als Schutzgesetz die Vorschrift des § 164 StGB
in Betracht. Somit müsste eine falsche Verdächtigung vorliegen. Ein
Individualschutz auch des Klägers wird mit dieser Norm bezweckt, sodass er sich
keiner falschen Verdächtigung aussetzen muss.
Dann müsste der Beklagte zunächst den Tatbestand der Norm
erfüllt haben:
Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur
Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen
Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat
oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein
behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn
herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf
Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Vom Grundsatz her handelt derjenige, der sich eines
staatlichen, gesetzlich geregelten Verfahrens zur Durchsetzung seiner Ansprüche
oder berechtigten Interessen bedient (außer im Fall des § 826 BGB), nicht
rechtswidrig, da jedermann das Recht hat, durch eine Strafanzeige ein
gesetzlich geregeltes Verfahren in Gang zu bringen.
Die Grenze bei der Inanspruchnahme eines gesetzlich
geregelten Verfahrens richtet sich aber nach Treu und Glauben (§ 242 BGB). Bei
einem willkürlich, leichtfertig oder mit unlauteren Mitteln in Gang gebrachten
Strafverfahren ist insofern die Vermutung der Rechtmäßigkeit bereits widerlegt.
Der Beklagte hat sich hier in diesem Sinne nicht
unredlich verhalten. Es kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass der
Beklagte den Kläger gegenüber den Ermittlungsbehörden wider besseren Wissen
einer rechtswidrigen Tat in der Absicht verdächtigt hat, ein behördliches
Verfahren gegen den Kläger herbeizuführen.
Er hat ersichtlich lediglich eine von ihm gezogene
Schlussfolgerung aufgrund der vorherigen Meinungsverschiedenheiten und
rechtlichen Auseinandersetzungen der Prozessparteien geäußert. Die Tatsache,
aus welcher der Beklagte diese Schlussfolgerung gezogen hat - die vorherigen
Meinungsverschiedenheiten und rechtlichen Auseinandersetzungen der
Prozessparteien - hat er aber wahrheitsgemäß mitgeteilt und insoweit gerade
keine wider besseren Wissens erhobene Behauptung aufgestellt.
Ein Anspruch des Klägers aus § 823 II BGB scheidet
mangels Verstoß gegen ein Schutzgesetz aus.
III. Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB
Ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB würde einen
entsprechenden Vorsatz voraussetzen. Ein solcher Schädigungsvorsatz liegt aber
nicht vor.
Auch insofern hat der Kläger keinen Anspruch gegen Beklagten.
Fazit
Hier liegt ein Fall vor, der sich bereichsübergreifend
auch auf das Strafrecht erstreckt. Eine solche Fallgestaltung ist durchaus im
Staatsexamen möglich, wobei wohl noch viele weitere zivilrechtliche Probleme in
den Sachverhalt eingebaut würden.
Die Urteilsgründe allerdings halte ich für nur sehr
schwer lesbar. Das Gericht führt seitenweise Literatur- und
Rechtsprechungsnachweise an, die den Lesefluss komplett zerstören und meiner
Ansicht nach völlig unnötig sind. Man nehme sich daran bitte kein Beispiel für
eine Hausarbeit.
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