Das Zusammenspiel des Stellvertretungsrechts und des Handelsrechts stellt eine wichtige Materie in der juristischen Ausbildung dar. Wer hohe Punktzahlen in einer Klausur erreichen will, muss sich in diesem Gebiet auskennen.
Im Folgenden soll es um die Frage gehen, ob der gute Glaube an die Vertretungsmacht beim Eigentumserwerb schützt.
1. Grundsatz: Kein Schutz
Vom Grundsatz her gibt es im BGB keinen Schutz beim guten Glauben an die Vertretungsmacht.
Man muss allerdings auch das Sonderprivatrecht beachten.
2. Ausnahme im Handelsrecht
So findet sich im Handelsrecht die Vorschrift des § 366 I HGB, nach welcher der guter Glaube an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers einer Sache geschützt ist.
Veräußert oder verpfändet ein Kaufmann im
Betrieb seines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörige bewegliche Sache, so
finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zugunsten derjenigen,
welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, auch dann Anwendung, wenn
der gute Glaube des Erwerbers die Befugnis des Veräußerers oder Verpfänders,
über die Sache für den Eigentümer zu verfügen, betrifft.
a) Guter Glaube an das Eigentum
Um diese Regelung zu verstehen, ist zunächst vom Grundsatz im Sachenrecht auszugehen, dass der gute Glaube sich gem. § 932 BGB auf das Eigentum des Veräußerers beziehen muss.
Gutgläubig ist demnach derjenige, der davon ausgeht, dass der Veräußerer Eigentümer ist, wenn ihm in diesem Rahmen auch keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört, § 932 II BGB.
Die gesetzliche Vermutung der Gutgläubigkeit erfasst also nicht den
guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers und erst recht nicht
den guten Glauben an dessen Geschäftsfähigkeit.
b) Ausdehnung auf guten Glauben an Verfügungsbefugnis
Über den Verweis in § 366 I HGB auf die §§ 932 ff. BGB stellt das Gesetz klar, dass im handelsrechtlichen
Verkehr eine Erweiterung der Gutgläubigkeit gelten soll. Damit soll den Besonderheiten des
Handelsverkehrs Rechnung getragen werden, denn es ist durchaus üblich, dass ein
gewerblicher Verkäufer seine Ware lediglich unter einem verlängerten
Eigentumsvorbehalt erworben hat und der Endabnehmer das weiß, aber an die
Verfügungsbefugnis des Verkäufers glaubt. Er soll deshalb in seinem Glauben geschützt werden, sodass ein
Eigentumserwerb möglich ist.
Beispiel: Ein Kaufmann veräußert im Betrieb
seines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörende bewegliche Sache, wobei der
Käufer gutgläubig davon ausgeht, der Veräußerer habe die Befugnis, über die
Sache des Eigentümers zu verfügen.
Tatsächlich aber war der Verkäufer nicht nach § 185 I BGB zur
Eigentumsübertragung berechtigt, denn er hatte den vom Eigentümer gesetzten
Mindestverkaufspreis nicht eingehalten.
Hier kann der Käufer gutgläubig erwerben.
c) Ausdehnung auf guten Glauben an Vertretungsmacht
Nun stellt sich die Frage, ob der Schutz des Erwerbers noch weiter ausgedehnt werden kann, und zwar derart, dass auch sein guter Glaube an die Vertretungsmacht geschützt werden soll.
Darüber streitet man sich in der
juristischen Literatur.
Beispiel: Der im Handelsregister eingetragene
Kaufmann V bekam von seinem Lieferanten Waren unter Eigentumsvorbehalt
geliefert, die er im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs im Namen des
Lieferanten veräußern durfte. Nach
Beendigung der Zusammenarbeit veräußerte der V dennoch eine weitere Sache im
Namen des Lieferanten an einen gutgläubigen Käufer. Fraglich ist hier, ob der Käufer Eigentum an
der Sache erworben hat.
Bei der Prüfung der
dinglichen Einigung iSd. § 929 S. 1 BGB zwischen dem V und dem K wäre hier
anzusprechen, ob der V den Lieferanten wirksam vertreten hat. Das war jedenfalls nach Beendigung der
Beziehungen nicht mehr möglich, da der V keine Vollmacht mehr hatte und auch
kein Rechtsschein der Bevollmächtigung durch eine Duldungs- oder
Anscheinsvollmacht vorlag. Denkbar wäre
also nur noch der gute Glaube des K an die Vertretungsmacht des V.
Nach einer Meinung in der
Literatur sei eine analoge Anwendung des § 366 I HGB angesichts des Wortlauts
der Vorschrift beim guten Glauben an die Vertretungsmacht nicht möglich, und es
bestehe schon keine vergleichbare Interessenlage, die aber dafür vorliegen
müsse. Bei der offenen Stellvertretung
sei dem Käufer bekannt, wer der eigentliche Eigentümer der Sache sei, sodass er
gegebenenfalls Rückfrage über die Vertretungsmacht halten könne, sodass er
nicht schutzwürdig sei.
Eine andere Auffassung geht
davon aus, es liege die für eine Analogie erforderliche Vergleichbarkeit der
Interessenlage vor, da der Käufer in der Regel nicht zwischen einem Handeln des
Verkäufers im eigenen Namen oder in fremdem Namen - also zwischen einer
Verfügungsbefugnis und einer Vertretungsmacht - unterscheide. Es sei zudem nicht in jedem
Fall einfach festzustellen, ob der Vertragspartner im eigenen oder fremden
Namen handele.
Für die letztere Ansicht im Schrifttum spricht, dass eine Überprüfung der Vertretungsmacht beim Kauf einer Sache von einem gewerblichen Verkäufer wohl sehr realitätsfremd ist, weshalb der Erwerber in seinem Vertrauen auf das Bestehen einer Vertretungsmacht zu schützen ist.
Dagegen lässt sich
allerdings anführen, dass die Schutzwürdigkeit des Erwerbers reduziert ist,
wenn der Gegner als Vertreter in fremdem Namen und nicht als Verfügungsbefugter
auftritt. Wie man sich in einer
Prüfungsarbeit hier entscheidet, ist unerheblich. Man muss nur das Problem gesehen haben.
Folgeproblem
Allerdings darf man ein
Folgeproblem nicht übersehen, das sich bei Anwendung der Ansicht über die
Zulässigkeit des gutgläubigen Erwerbs stellt.
Im Rahmen des
Verpflichtungsgeschäfts ist die Vorschrift des § 366 I HGB nicht anwendbar. Der zwischen dem V und dem K abgeschlossene
Kaufvertrag war deshalb schwebend unwirksam, § 177 I BGB. Nach Verweigerung der Genehmigung durch den
Lieferanten wäre auch kein wirksamer Vertag als Rechtsgrund für die Leistung
gegeben. Dann stellt sich die Frage, ob
der Lieferant vom Käufer die Sache aus einer ungerechtfertigten Bereicherung
herausverlangen kann.
Nach einer Auffassung in der
Literatur stelle der Erwerb aufgrund der Vorschrift des § 366 I HGB einen
eigenständigen Rechtsgrund für das Behaltendürfen dar. Das Vertrauen des Handelsverkehrs sei
schutzwürdig, weshalb der gutgläubige Eigentumserwerb kondiktionsfest sein
müsse. Ansonsten sei kein dauerhafter
gutgläubiger Erwerb nach § 366 I HGB möglich.
Die herrschende Meinung in
der Literatur vertritt jedoch die Ansicht, dass der oben zwar bejahte
gutgläubige Eigentumserwerb dann auch über das Bereicherungsrecht wieder
ausgeglichen werden müsse, da ansonsten das Abstraktionsprinzip nicht beachtet
würde.
Weiterführende Literatur
In Fall Nr. 24 in meinem eBook* „Juristische Übungsfälle zum Handelsrecht“ habe ich eine ausführliche Lösung zu diesem Folgeproblem erstellt. Wer Interesse hat, kann das Buch hier finden:
Juristische Übungsfälle zum Handelsrecht
Hier sind weitere Artikel zum Sachenrecht zu finden
Gutgläubigkeit
beim Erwerb vom Nichtberechtigten
Das
Anwartschaftsrecht als Besitzrecht
Anwendbarkeit
der §§ 280 ff. BGB auf § 985 BGB
Das
Anwartschaftsrecht an einem Grundstück
Hier sind weitere Artikel zum Handelsrecht zu finden
Fälligkeitszinsen
im Handelsrecht
Die
Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gem. § 377 HGB
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