Ein Klassiker in Klausuren im Jurastudium stellt das
Abschleppen eines Kfz beim Falschparken dar. Dazu gibt es mittlerweile einiges
an Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof. Das Gericht hat sich vor kurzem erneut
mit einer solchen Situation beschäftigt. Regelmäßig geht es in der Lösung um
Probleme bei der Geschäftsführung ohne Auftrag.
Im Folgenden soll ein kurzer Überblick gegeben werden.
Die Ausgangssituation
In derartigen Fällen geht es immer wieder darum, dass der
Fahrer/Halter ein Kfz auf dem Privatgrundstück einer anderen Person
abstellt, ohne dass ihm dies gestattet war. Der Besitzer des Grundstücks lässt
dann das Kfz abschleppen und umsetzten oder durch das Abschleppunternehmen
verwahren. Seine Kosten macht er in der Regel über die Geschäftsführung
ohne Auftrag geltend.
1. Zu den Abschleppkosten
Der Bundesgerichtshof hat schon vor einiger Zeit entschieden, dass in diesen Situationen eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt, die zum Ersatz der Abschleppkosten führt.
Siehe dazu den
Leitsatz:
„Wird
ein Fahrzeug, das unbefugt auf einem Privatgrundstück in verbotener Eigenmacht
abgestellt wird, im Auftrag des Grundstücksbesitzers im Wege der berechtigten
Selbsthilfe entfernt, entspricht dies dem objektiven Interesse und dem
mutmaßlichen Willen des Fahrzeughalters. Er ist deshalb nach den Grundsätzen
einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zum Ersatz der für die
Entfernung erforderlichen Aufwendungen verpflichtet.“
Nach der Entscheidung liegt ein auch-fremdes Geschäft vor,
sodass (jedenfalls nach der Rechtsprechung) der Fremdgeschäftsführungswille zu vermuten
ist. Auch ist von einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag auszugehen. Die
Geschäftsführung entspricht dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des
Geschäftsherrn, denn als Fahrzeughalter ist er Zustandsstörer. Durch das
Abschleppen kommt der Grundstücksbesitzer der gesetzlichen Pflicht des Halters
nach, die Besitzstörung nach § 862 I BGB zu beenden.
2. Zu den Verwahrkosten
Nunmehr hat der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 17. November 2023 - V ZR 192/22) einen weiteren Schritt unternommen. In dem Fall ging es darum, dass der Grundstücksbesitzer das Fahrzeug nicht bloß hat umsetzten lassen, sondern es wurde vom Abschleppunternehmen verwahrt (für fast ein Jahr).
Fraglich war, ob diese Kosten vom
Halter des Kfz zu tragen waren. Dabei soll einmal die Abtretungskonstruktion der
Ansprüche des Grundstücksbesitzers an das Abschleppunternehmen und die zivilprozessuale
Widerklage außer Betracht gelassen werden.
Das Gericht hat dazu die folgenden Leitsätze aufgestellt:
„BGB § 683 Satz 1, §§ 670, 823 Abs. 2 B, F, § 858
Zu den nach den Vorschriften der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag
erstattungsfähigen Kosten für die Entfernung eines unbefugt auf einem
Privatgrundstück abgestellten Fahrzeugs zählen auch die Kosten, die im
Zusammenhang mit der Verwahrung des Fahrzeugs im Anschluss an den
Abschleppvorgang entstehen. Das gilt aber nur bis zu einem Herausgabeverlangen
des Halters. Ein konkurrierender deliktischer Anspruch wegen der Verletzung
eines Schutzgesetzes reicht im Ergebnis nicht weiter.
BGB § 304
Es kommt ein Anspruch auf Ersatz von Verwahrkosten nach § 304 BGB in Betracht,
wenn der das Fahrzeug herausverlangende Halter nicht bereit ist, im Gegenzug
die für das Abschleppen und die Verwahrung angefallenen ortsüblichen Kosten zu
zahlen und der Abschleppunternehmer daraufhin die Herausgabe des Fahrzeugs
verweigert, so dass der Halter in Annahmeverzug gerät.“
Wie man sieht, stellen die Kosten der Verwahrung vom
Grundsatz her erstattungsfähige Kosten dar, die unter die Geschäftsführung ohne Auftrag gem.
§ 683 S. 1 BGB i.V.m. § 670 BGB fallen. Allerdings ist hier auch eine
zeitliche Grenze gegeben. Sobald der Halter das Kfz herausverlangt, liegt keine
berechtige Geschäftsführung ohne Auftrag mehr vor. Denn der Geschäftsherr kann
die Ausführung gegenüber dem Geschäftsführer jederzeit durch Weisung untersagen.
Ab dem Zeitpunkt der Weisung darf der Geschäftsführer weitere Aufwendungen
nicht mehr i.S.v. § 670 BGB für erforderlich halten.
Die dann gegebene unberechtigte
Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 684 S. 1, § 812 ff. BGB) hilft nicht
weiter. Liegen die Voraussetzungen des § 683 BGB nicht vor, so ist der
Geschäftsherr zwar verpflichtet, dem Geschäftsführer alles, was er durch die
Geschäftsführung erlangt, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten
Bereicherung herauszugeben. Ein Anspruch auf Erstattung der Verwahrkosten
scheidet nach diesen Grundsätzen jedoch aus, weil der Halter durch das
Abstellen des Fahrzeugs auf dem Betriebsgelände des Abschleppunternehmens
nichts erlangt hat, wofür Wertersatz zu leisten wäre.
Ein auf Ersatz der Verwahrkosten gerichteter
Schadensersatzanspruch der Beklagten aus abgetretenem Recht (§ 398 BGB) gemäß § 823 II BGB i.V.m. § 858 I BGB ist
ebenfalls nicht gegeben. Ein konkurrierender deliktischer Anspruch wegen der
Verletzung eines Schutzgesetzes reicht im Ergebnis nicht weiter als ein
Erstattungsanspruch nach den Vorschriften der berechtigten Geschäftsführung
ohne Auftrag.
In dem konkreten Fall hätte ein Anspruch aus § 304 BGB auf Erstattung der Verwahrungskosten
vorliegen können, wenn der Halter im Annahmeverzug gewesen wäre.
Nach § 304 BGB kann der Schuldner im Falle des Verzugs
des Gläubigers Ersatz der Mehraufwendungen verlangen, die er für die
Aufbewahrung des geschuldeten Gegenstands machen musste. Der Anspruch ist auf
den Ersatz des tatsächlich entstandenen Mehraufwandes beschränkt, soweit dieser
objektiv erforderlich war. Es kommt zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz
von Verwahrkosten nach § 304 BGB in Betracht, wenn der das Fahrzeug
herausverlangende Halter nicht bereit ist, im Gegenzug die für das Abschleppen
und die Verwahrung angefallenen ortsüblichen Kosten zu zahlen und der
Abschleppunternehmer daraufhin die Herausgabe des Fahrzeugs verweigert, so dass
der Halter in Annahmeverzug gerät. Insoweit werden die Verwahrkosten regelmäßig
erforderliche Mehraufwendungen i.S.v. § 304 BGB darstellen.
Hier scheidet ein Ersatzanspruch aber
deshalb aus, weil der Halter mit der Rücknahme des Fahrzeugs nicht in
Annahmeverzug geraten ist. Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm
angebotene Leistung nicht annimmt (§ 293 BGB). Ist der Schuldner nur gegen eine
Leistung des Gläubigers zu leisten verpflichtet, so kommt der Gläubiger nach § 298 BGB in Verzug, wenn er zwar die angebotene Leistung anzunehmen bereit ist,
die verlangte Gegenleistung aber nicht anbietet. Danach muss der Schuldner
nicht nur die Leistung anbieten, sondern auch sein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 I BGB ausüben. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Bei der Ausübung der Einrede muss der geltend gemachte
Gegenanspruch genau bezeichnet werden. Ansonsten weiß der Gläubiger nicht, in
welcher Höhe er seine Gegenleistung anbieten muss. In dem Rechtsstreit berief
sich das Abschleppunternehmen zwar zunächst auf ein Zurückbehaltungsrecht,
bezifferte allerdings die Höhe der Gegenforderung nicht. Das genügt für ein
Verlangen der Gegenleistung i.S.v. § 298 BGB nicht.
Deshalb waren die Verwahrkosten ab dem Herausgabeverlangen
nicht zu erstatten.
Hier sind weitere Artikel zum Schadensrecht zu finden
Mitverschulden
bei der Haftungsausfüllung, § 254 II 1 BGB
Dieselskandal
und Schadensrecht
Schadensminderungspflicht
und Kaskoversicherung
Schadensersatz
bei Verletzung des Anwartschaftsrechts
Ehrverletzenden
Äußerungen und zivilrechtliche Folgen
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