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Sonntag, 14. Februar 2016

Die Berufung gegen ein Versäumnisurteil

Für fortgeschrittene Studenten oder Referendare finden sich im Zivilprozessrecht viele interessante Fallgestaltungen, von denen man einmal gehört haben sollte, falls diese Gegenstand einer Prüfung sein sollten.

Gerade die Säumnis vor Gericht stellt häufig den Gegenstand von zivilprozessualen Problemen dar, sofern diese in einer Prüfung im ersten Examen überhaupt abgefragt werden.

In diesem Sinn will ich mit knappen Ausführungen auf ein kleines Problem im Rahmen der Berufung gegen ein Versäumnisurteil hinweisen.

1. Versäumnisurteil bei Klage


Als Ausgangsfall soll die Situation dienen, dass der Kläger gegen den Beklagten vor dem Amtsgericht den Kaufpreis in Höhe von 500 € aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag einklagt.  Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen war, erging ein erstes Versäumnisurteil.  Dagegen legte er Einspruch ein und war im Einspruchstermin erneut säumig.  Daraufhin erging ein zweites Versäumnisurteil.  Nunmehr legt der Beklagte Berufung ein, da der Kaufvertrag nichtig sei und er keinen Kaufpreis schulde.

 

Gegen dieses zweite Versäumnisurteil ist kein Einspruch statthaft, § 345 ZPO.  Hier muss also eine Berufung eingelegt werden.

Interessant ist dabei zunächst, dass die Berufung auch zulässig ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands nicht erreicht ist, also wie im vorliegenden Fall der Wert von 600 € nicht überschritten ist, §§ 514 II 2, 511 II ZPO.  Das Rechtsmittel führt dann jedoch nur zur Überprüfung, ob ein Fall der Versäumung nur bei Erlass des zweiten Versäumnisurteils (BGH NJW 1986, 2113) vorgelegen hat, § 514 II 1 ZPO.  Die Begründung des Beklagten, dass der Kaufvertrag nichtig sei, ist daher nicht geeignet, das angegriffene Urteil zu Fall zu bringen.  In dieser Situation wäre die Berufung bereits unzulässig und müsste als solche nach § 522 ZPO verworfen werden.

Wenn der Beklagte seine Berufung damit begründet hätte, dass er etwa wegen eines Verkehrsunfalls den Einspruchstermin nicht wahrnehmen konnte (was er auch beweisen konnte), wäre die Berufung zulässig und auch begründet gewesen, sodass das erstinstanzliche Urteil aufgehoben worden wäre und bei entsprechendem Antrag einer Partei eine Zurückverweisung hätte erfolgen müssen, § 538 II Nr. 2 ZPO.

 

2. Versäumnisurteil nach Mahnverfahren


In der zweiten Fallkonstellation ist davon auszugehen, dass das Verfahren durch einen Mahnbescheid eingeleitet wurde und mangels Widerspruchs ein Vollstreckungsbescheid erlassen wurde.  Nach ordnungsgemäßem Einspruch wurde ein Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht bestimmt, in welchem der Beklagte säumig war.  Daraufhin erging ein zweites Versäumnisurteil.  Dagegen legt der Beklagte Berufung ein und führt aus, dass die Kaufpreisklage unschlüssig sei.

 

Zunächst ist die Vorschrift des § 700 I ZPO maßgeblich: „Der Vollstreckungsbescheid steht einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich.“  Daraus folgt, dass gegen den Vollstreckungsbescheid ein Einspruch statthaft war, § 338 ZPO.  Bei Säumnis im Einspruchstermin wird also wieder ein zweites Versäumnisurteil erlassen, § 345 ZPO.  Wie im vorhergehenden Fall kann dagegen die Berufung eingelegt werden, § 514 II ZPO.

 

Nun könnte man annehmen, dass der Fall ebenso zu behandeln ist wie bei einer Klageerhebung, dass also die Berufung unzulässig sei, weil der Beklagte gerade nicht vorgetragen hat, dass ein Fall der Säumnis vorgelegen habe.  Denn er wehrt sich ja lediglich mit der Unschlüssigkeit der Klage.  Das entspricht aber nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass bei einer Säumnis im Einspruchstermin gegen einen Vollstreckungsbescheid auch eine Prüfung der Zulässigkeit und Schlüssigkeit der Klage erfolgen müsse (BGH NJW 1991, 43, unter II 2).  Demnach sei hier keine „Versäumung“ gegeben, wenn das zweite Versäumnisurteil wegen fehlender Schlüssigkeit nicht habe erlassen werden dürfen, denn die weite Auslegung der Norm sei wegen des Rechtsgedankens eines Gleichlaufs von Prüfungsumfang und -pflicht des Einspruchsrichters einerseits und der Berufungsfähigkeit eines zweiten Versäumnisurteils andererseits geboten.  Die Berufung wäre also zulässig.

Hinsichtlich der Begründetheit käme es dann darauf an, ob die Kaufpreisforderung schlüssig vorgetragen wurde.



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