Gegen Ende der juristischen Ausbildung muss man sich unbedingt einmal mit einigen familienrechtlichen Problemen auseinandersetzen, wenn man im Staatsexamen eine hohe Punktzahl erreichen will. Es handelt sich bei der Haftungsprivilegierung der Eltern gem. § 1664 I BGB um ein eher abgelegenes Gebiet, weshalb man gerade hier mit Kenntnissen in den oberen Notenbereich eindringen kann.
Gilt die Haftungsprivilegierung der Eltern gem. § 1664 I BGB auch gegenüber ihren Kindern bei Verletzung der Aufsichtspflicht?
Zunächst der Wortlaut der Vorschrift des § 1664 I BGB
Die
Eltern haben bei der Ausübung der elterlichen Sorge dem Kind gegenüber nur für
die Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden
pflegen.
Wie man sieht, handelt es sich um eine
Haftungsprivilegierung. Damit wird ein subjektiver Maßstab bei der Ermittlung
der Sorgfaltspflicht angelegt, nicht aber ein objektiver.
Fraglich ist nun, ob diese Vorschrift bei der Verletzung
der Aufsichtspflicht im Verhältnis der Eltern zu den Kindern anwendbar ist, was
in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist.
Meinungsstreit zur Anwendbarkeit des § 1664 I BGB
Der Meinungsstreit zur Anwendbarkeit des § 1664 I BGB ist
übrigens ein Standardproblem bei der gestörten Gesamtschuld (siehe meinen Beitrag hier).
Zum Teil wird vertreten, die Haftungsprivilegierung des § 1664 BGB könne bei der Verletzung der Aufsichtspflicht zum Schutz des Kindes
keine Anwendung finden, weil deren Maßstab objektiv zu bestimmen sei, OLG
Stuttgart VersR 1980, 952.
Dagegen kann man mit einer anderen Ansicht allerdings
einwenden, dass sich dem Wortlaut des § 1664 BGB eine solche Einschränkung auf
den Bereich der Vermögenssorge nicht entnehmen lasse. Immerhin stellt die
Aufsichtspflicht der Eltern einen äußerst wichtigen Bereich dar, den der
Gesetzgeber ausdrücklich von Anwendungsbereich hätte ausnehmen müssen.
So diene die Haftungsprivilegierung dem Schutz des
innerfamiliären Friedens, der gerade durch Aufsichtspflichtverletzungen in
besonderer Weise gefährdet sei. Dies spricht dafür, die Haftungsprivilegierung
des § 1664 BGB grundsätzlich auch auf Aufsichtspflichtverletzungen anzuwenden.
Der BGH lässt die Frage nach der Anwendbarkeit des § 1664 BGB im vorliegenden
Fall offen, zeigt jedoch unter Hinweis auf den Wortlaut eine Tendenz zur
Bejahung der Anwendbarkeit.
Der Bundesgerichtshof hat in einem derartigen Fall die
Frage, ob der Mutter das Haftungsprivileg des § 1664 I BGB zugutekommt,
offengelassen (BGH VersR 1974, 421).
Entscheidung des Meinungsstreits
Letztlich ist in einem juristischen Gutachten die Entscheidung des Meinungsstreits nicht von besonderer Bedeutung. Wer das Problem erkennt, hat schon viel gewonnen.
Als Argument der letztgenannten
Ansicht lässt sich noch anführen, dass das eigene Kind im Falle der Schädigung
infolge Verletzung der Aufsichtspflicht durch die Eltern auch ohne einen Schadensersatzanspruch
gegen seine Eltern durch die bestehende Unterhaltspflicht der Eltern weitgehend
geschützt wird, weshalb man die Haftungsprivilegierung durchaus anwenden kann.
Hier sind weitere Artikel zum Schadensrecht zu finden
Mitverschulden
bei der Haftungsausfüllung, § 254 II 1 BGB
Dieselskandal
und Schadensrecht
Schadensminderungspflicht
und Kaskoversicherung
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bei Verletzung des Anwartschaftsrechts
Ehrverletzenden Äußerungen und zivilrechtliche Folgen
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