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Montag, 20. Mai 2024

Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil

Ein aktueller Beschluss des Bundesgerichtshofs zeigt auf, wann eine Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil erfolglos bleibt. Die Entscheidung gibt Anlass, sich einmal mit dem Versäumnisurteil und dem Einspruch sowie der Berufung auseinanderzusetzen.


Sachverhalt


"Das Amtsgericht hat den Beklagten auf Antrag der Klägerin durch Versäumnisurteil zur Erteilung einer Löschungsbewilligung verurteilt. Auf seinen Einspruch ist Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 14. September 2022 bestimmt worden. Der Beklagte hat am 9. September 2022 die Verlegung des Termins wegen fehlender Akteneinsicht beantragt und mit unmittelbar vor Verhandlungsbeginn eingegangenem Schreiben vom 14. September 2022 den Richter am Amtsgericht wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Amtsgericht hat den Einspruch durch den abgelehnten Richter mit zweitem Versäumnisurteil verworfen. Die Berufung des Beklagten hat das Landgericht als unzulässig verworfen..."


Gründe des Beschlusses


"Ein (zweites) Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist (§ 345 ZPO), unterliegt der Berufung nur insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe (§ 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine zulässige Berufung setzt also die schlüssige Darlegung voraus, dass der Termin nicht schuldhaft versäumt worden sei. Wird die fehlende oder unverschuldete Säumnis nicht schlüssig dargelegt, ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2011 - IX ZB 149/11, FamRZ 2012, 27 Rn. 5; Beschluss vom 26. November 2015 - VI ZR 488/14, BGHZ 208, 75 Rn. 5). Nicht schuldhaft ist die Säumnis, wenn die Partei beziehungsweise ihr Prozessvertreter, dessen Verschulden sich die Partei als eigenes zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO), an der Wahrnehmung des Verhandlungstermins unverschuldet verhindert war, mithin die Sorgfalt einer ordentlichen Prozesspartei gewahrt hat…

Nach diesen Grundsätzen war der Vortrag des Beklagten, das zweite Versäumnisurteil sei wegen Verletzung seines Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 GG), zumindest aber wegen Verstoßes gegen § 47 ZPO unzulässig gewesen, nicht geeignet, die Säumnis zu entschuldigen.

Der Beklagte durfte nicht davon ausgehen, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung am 14. September 2022 wegen seines unmittelbar davor eingereichten Ablehnungsgesuchs gegen den Richter am Amtsgericht nicht stattfinden werde. Zwar hat gemäß § 47 Abs. 1 ZPO ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. Wird ein Richter während der Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern, so kann der Termin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden (§ 47 Abs. 2 ZPO). Aber auch dann, wenn - wie hier - der ordnungsgemäß geladene Beklagte erst unmittelbar vor dem Verhandlungstermin das Ablehnungsgesuch einreicht, darf er sich nicht darauf verlassen, dass der Termin aufgehoben und kein Versäumnisurteil durch den abgelehnten Richter erlassen werde…

Das folgt schon daraus, dass die Partei nach dem gewöhnlichen Geschäftsablauf nicht damit rechnen kann, dass ein unmittelbar vor dem Termin eingereichtes Ablehnungsgesuch dem abgelehnten Richter rechtzeitig bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung (§ 136 Abs. 4 ZPO) vorgelegt wird. Er muss vorsorglich zu dem Termin erscheinen und ggf. sein Ablehnungsgesuch wiederholen…

Unabhängig davon kann die fehlende oder unverschuldete Säumnis im Sinne des § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mit der Rüge begründet werden, das Ablehnungsgesuch der säumigen Partei sei fehlerhaft behandelt worden…

Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Berufungsgericht habe sich unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht mit der Frage befasst, ob der Erlass des zweiten Versäumnisurteils wegen der unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht gewährten Akteneinsicht durch das Amtsgericht unzulässig gewesen sei. Auch den darauf bezogenen Vortrag sieht das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als ungeeignet an, die Säumnis des Beklagten zu entschuldigen. Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil kann gemäß § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht auf eine behauptete Gehörsverletzung durch das Amtsgericht, sondern allein auf den Sonderfall der fehlenden oder unverschuldeten Säumnis gestützt werden…"


Weiterführende Literatur


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Hier sind weitere Artikel zum Zivilprozessrecht zu finden


Die Zulässigkeit der Klage im Zivilrecht

Zuständigkeitsstreitwert und Feststellungsklage

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Die Berufung gegen ein Versäumnisurteil

Bei der Anwendung von Präklusionsvorschriften im Zivilprozess ist größte Vorsicht geboten

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