Wenn ein beschränkt Geschäftsfähiger ein
Rechtsgeschäft vornimmt, durch das er lediglich einen rechtlichen Vorteil
erlangt, bedarf es nicht der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters, § 107 BGB. Nun gibt es aber auch rechtlich neutrale Geschäfte, die ein Minderjähriger
vornehmen kann, sodass fraglich ist, wie diese zu behandeln sind.
Gerade die Frage, ob die Verfügung über die Anwartschaft ein rechtlich neutrales Geschäft darstellt, ist hier von Bedeutung.
Unter einem
rechtlich neutralen Geschäft ist ein solches zu verstehen, welches dem
beschränkt Geschäftsfähigen weder einen rechtlichen Vorteil noch einen
rechtlichen Nachteil bringt, da es nicht für ihn selbst, sondern nur für einen
Dritten Wirkungen entfaltet.
Hier soll
nach allgemeiner Ansicht eine teleologische Reduktion der eben genannten
Vorschrift erfolgen, weshalb der Minderjährige auch hier keine Zustimmung
benötigt, wie etwa in einem Fall, in welchem der Minderjährige eine ihm nicht
gehörende Sache an einen Dritten übereignet.
Verfügung über die Sache bei Anwartschaft
Nun kann man als Klausurersteller die Sache
aber auch etwas schwieriger gestalten, indem man etwa einen Kaufvertrag
zwischen dem Eigentümer der Sache und dem 16 Jahre alten Käufer im Sachverhalt vorgibt.
Sofern der
Minderjährige hier z.B. mit der Zustimmung seiner Eltern handelt und ein
Eigentumsvorbehalt vereinbart wurde, also der Käufer erst bei vollständiger
Zahlung des Kaufpreises das Eigentum erhalten soll, stellt sich die Frage, wie
zu verfahren ist, wenn der Käufer nun die in seinem Besitz befindliche Sache im
eigenen Namen an einen gutgläubigen Dritten übereignet.
Man muss im Rahmen der dinglichen Einigung
iSd. § 929 S. 1 BGB ansprechen, ob die Willenserklärung des Käufers zur Übereignung
überhaupt wirksam abgegeben werden konnte.
Da der Minderjährige durch dieses Geschäft
nichts erlangt, liegt kein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft gem. § 107 BGB vor.
Dann könnte man damit argumentieren, dass dieses Geschäft dem Minderjährigen
weder Vorteil noch Nachteil gebracht hat, also rechtlich neutral war und somit
im Wege der teleologischen Reduktion mit dem soeben genannten Fall
gleichzustellen ist. Denn immerhin ist es ja nicht sein Eigentum, das durch die
Übereignung möglicherweise berührt wird.
Allerdings darf man dabei nicht übersehen,
dass der Minderjährige einen wirksamen Kaufvertrag abgeschlossen hatte. Zwar
konnte er zunächst wegen der bedingten Übereignung bei der Übergabe an ihn noch
kein Eigentum erwerben. Er hat aber bereits ein Anwartschaftsrecht als
wesensgleiches Minus erhalten.
Wenn nun der Dritte gutgläubig und lastenfrei das
Eigentum erworben hätte, wäre das Anwartschaftsrecht des Minderjährigen erloschen.
Anders als den bloßen Besitz an einer Sache wird man das Anwartschaftsrecht aber
sehr wohl als ein Recht im Sinn der Vorschrift des § 107 BGB ansehen müssen.
Damit wäre die Einigungserklärung des Minderjährigen
im Rahmen der Übereignung an den Dritten jedenfalls nicht lediglich rechtlich
vorteilhaft oder neutral und kann dem gutgläubigen Eigentumserwerb
entgegenstehen.
Die vorstehende Konstellation stellt eine
gewisse Gratwanderung dar, denn hier muss man vorsichtig sein und darf mit den
Formulierungen im Gutachten nicht gegen das Trennungs- und Abstraktionsprinzip verstoßen.
Es ist immer kritisch, wenn man im Rahmen des sachenrechtlichen Erwerbs von
Eigentum den Kaufvertrag als schuldrechtliches Geschäft ins Spiel bringt.
Beim
Anwartschaftsrecht muss man das allerdings tun, denn dieses kann nur entstehen,
wenn die Möglichkeit des Bedingungseintritts überhaupt noch besteht. Sollte der
Verkäufer also bereits den Rücktritt hinsichtlich des Kaufvertrags erklärt haben,
wäre schon kein Anwartschaftsrecht mehr gegeben.
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