Wer noch vor der Modernisierung des
Schuldrechts Jura studiert hat, kann sich bestimmt noch an die Problematik des
Weiterfressers erinnern.
Dabei geht es darum, dass ein Käufer eine Sache kauft,
bei welcher ein funktional abgrenzbares Teil fehlerhaft ist und nach Übergabe
die restliche Kaufsache beschädigt oder zerstört. Fraglich ist dann, wie der
Käufer Schadensersatz verlangen kann.
Ist der Weiterfresser inzwischen obsolet?
Vorab ein kurzes Video zur Produzentenhaftung
Vertraglicher Schadensersatz
Zunächst kommt ein vertraglicher
Schadensersatz in Betracht. Hier werden sogleich unterschiedliche Ansätze
gewählt, soweit es um die Anspruchsgrundlage geht.
Manche wollen einen
Schadensersatz neben der Leistung annehmen, die Gegenansicht aber vielmehr
einen solchen statt der Leistung.
Wenn man der letztgenannten Meinung folgt,
muss man prüfen, ob die gesamte Sache zerstört wurde, also eine Unmöglichkeit
eintrat, oder ob diese nur beschädigt wurde, weshalb sich der Schadensersatz
aus §§ 437 Nr. 3, 433, 434 I 2 Nr. 2, 446, 280 I, III, 281 BGB ergibt.
Sodann kann man als Klausurersteller die Sache
interessant machen, indem man die kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte verjähren
lässt und der Anspruch in diesem Fall nicht durchsetzbar ist.
Deliktischer Schadensersatz
Damit verschärft
sich die Problematik des Weiterfressers, denn nun muss man ins Deliktsrecht
schauen, um ggfls. eine Lösung zu finden. Hier ist eine genaue Abgrenzung
nötig, wann denn das Eigentum des Käufers verletzt ist, denn immerhin hat er
von vornherein nur ein mangelbehaftetes Eigentum erworben.
Teile der Literatur
lehnen deshalb einen deliktischen Anspruch ab.
Sofern man dem Bundesgerichtshof
folgt, wäre zu prüfen, ob eine Stoffgleichheit mit dem ursprünglichen Sachmangel
vorliegt. Wäre das der Fall, könnte der Käufer keinen Schadensersatz verlangen.
Hier kann man berechtigt fragen, ob denn eine scharfe Abgrenzung überhaupt möglich
ist. Wann soll ein Teil denn funktional abgrenzbar sein und wann nicht?
Aber damit noch nicht genug. Für einen
deliktischen Anspruch wäre auch dessen Durchsetzbarkeit nötig. In diesem Rahmen
kann man sich trefflich streiten, ob man dann nicht die Verjährung aus dem
Kaufrecht auf die unerlaubte Handlung überträgt und damit einen Gleichlauf
schafft.
Seit der Modernisierung des Schuldrechts hat
der Bundesgerichtshof zwar einmal die Problematik des Weiterfressers
angesprochen, aber nicht im Detail.
Früher konnte man mit Bauchschmerzen die
Erfindung der Rechtsprechung akzeptieren, denn die Verjährung von sechs Monaten
nach § 477 BGB a.F. stellte eine große Härte für den Käufer dar. Durch die Änderung
der Verjährung besteht eigentlich kein Bedarf mehr für den Fortbestand des
Weiterfressers. Das wird so auch von vielen Vertretern der Literatur
diskutiert.
Ausblick
Ob sich der Bundesgerichtshof dazu aufraffen kann, die
Rechtsprechung aufzugeben, wage ich zu bezweifeln. Jedenfalls aber scheint es
so, dass man zu dieser Problematik so ziemlich vertreten kann, was man will.
Wer die Stoffgleichheit dogmatisch akzeptiert, wird wohl kaum eine andere Lösung
als falsch bewerten dürfen.
Wer Interesse an einer gutachterlichen Lösung des
Weiterfressers hat, der kann einen ausführlichen Fall dazu in meinem soeben
erschienenen Buch zum Deliktsrecht nachlesen.
Juristische Übungsfälle zum Deliktsrecht
Hier sind weitere Artikel zum Kaufrecht zu finden
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Nacherfüllung beim Kaufvertrag
Die
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Der
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Die
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